Lange galten sie als nicht mehr zeitgemäß, mittlerweile sind viele Mannschaften auf der Suche nach einem echten Stoßstürmer. Sasa Kalajdzic und Wout Weghorst sorgen derzeit für Furore – und wecken Begehrlichkeiten.
Falsche Neun, schwimmender Stürmer oder hängende Spitze – was gab es nicht alles für taktische Ideen in der Sturmspitze. Der klassische Stoßstürmer oder Wandspieler schien nicht mehr zum modernen Fußball zu passen. Doch über die Jahre setzte sich die falsche Neun nicht gerade großflächig durch, vielmehr legen die Vereine nun Wert auf einen kompletten Stürmer vom Typus eines Robert Lewandowski: Physis gepaart mit Schnelligkeit und Technik. Weg vom klassischen Strafraumstürmer, der in anderen Bereichen des Feldes zu nichts zu gebrauchen war, hin zu toreschießenden Allroundern. Wie bereits erwähnt ist Robert Lewandowski das Paradebeispiel für diesen Typ Stürmer. Auch Erling Haaland ist in dieser Kategorie einzuordnen. In der Bundesliga spielen sich in dieser Saison aber auch noch zwei andere Stürmer in den Vordergrund: Sasa Kalajdzic, 23, und Wout Weghorst, 28.
Kalajdzic ist maßgeblich daran beteiligt, dass der VfB Stuttgart so eine starke Saison spielt und nichts mit dem Abstieg zu tun hat. Dank Weghorst ist der VfL sogar auf Champions-League-Kurs. Vor allem mit dem Einfluss, den Kalajdzic auf den VfB hat, rechneten vor der Saison nicht einmal die größten Optimisten. Mittlerweile legt er eine beachtliche Trefferquote an den Tag. „Tore zu schießen, ist für dich wie für mich Kaffeetrinken", schrieb seine Freundin ihm auf Instagram. Tatsächlich scheinen Tore bei Kalajdzic längst an der Tagesordnung zu sein. In der ersten Saison in diesem Alter zweistellig zu treffen, ist durchaus ein Fingerzeig. Das liegt vor allem an den Fähigkeiten, die der Zwei-Meter-Stürmer an den Tag legt. Trotz seiner enormen Körpergröße bringt der gebürtige Wiener enorme technische Fähigkeiten mit. „Das kenne ich schon aus Österreich. Dort war es auch immer so, dass die Leute dachten: Der Typ ist so groß, der kann sicher nur köpfeln", erzählte er mal in einem Interview, mit der „Stuttgarter Zeitung" und den „Stuttgarter Nachrichten" und fügte hinzu: „Ich bin nicht der klassische Riese, der vier Meter breit ist und sich vor lauter Kraft kaum bewegen kann. Sondern eher der Schlaks, der auch mit dem Ball umgehen kann."
Kalajdzic hat viele Optionen
Dieses außergewöhnliche Gesamtpaket weckt natürlich auch Begehrlichkeiten. Trotz seines laufenden Vertrags bis 2023 dürften sich auch jetzt schon die ersten Interessenten melden. Medienberichten zufolge sollen bereits RB Leipzig und West Ham United interessiert sein. In der Corona-Krise würde auch dem VfB Stuttgart eine schöne Summe gut zu Gesicht stehen. „In der aktuellen Zeit würde ein Transferüberschuss durchaus Sinn ergeben", hatte Sportdirektor Sven Mislintat zuletzt gesagt. Kalajdzic zählt nicht erst seit ein paar Tagen zu den Kandidaten, mit denen die Schwaben viel Geld machen könnten. „Sasa steht durchaus im Fokus anderer Vereine", gab Mislintat zu. „Es gab aber noch keine konkrete Anfrage."
Zum einen spielt sich der Österreicher in den Fokus der Interessenten, auf der anderen Seite macht er auch am Mikrofon einen guten Eindruck. Seine Art und Weise sich selbst nicht zu ernst zu nehmen, kommt in der Öffentlichkeit gut an. Nach seinem Tor gegen Eintracht Frankfurt postete er ein Bild auf seinem Instagram-Kanal und schrieb dazu: „Wenn du selber nicht mal weißt, wie er reingeht." Zuvor äußerte er sich am Mikrofon bei Sky: „Ich dachte: Geil, isser wieder drinnen", sagte er mit dem für ihn typischen Wiener Schmäh: „Wenn es läuft, dann geht so ein Ball halt rein. Nehme ich gerne mit."
Nicht minder erfolgreich und prägend für seinen VfL Wolfsburg ist Wout Weghorst. Der 1,97 Meter große Holländer, der seit der Saison 2018/19 für den VfL auf Torejagd geht, traf in jeder Saison zweistellig – so auch in dieser. Dass er seinen Torrekord von 17 Treffern in dieser Saison brechen wird, ist keine Frage mehr des „Ob", sondern des „Wann". Seit seinem Wechsel von AZ Alkmaar hat sich nicht nur sportlich einiges verändert: „Es war mit Wolfsburg schon ziemlich weit. Ich wusste, was ich verdienen soll, und habe dann zu meinem Berater gesagt: ,Das ist ja gar nicht so viel mehr, als ich jetzt habe.‘ Da sagt er zu mir: ,Wout, das Gehalt ist nicht jährlich, sondern monatlich.‘ Dass ich es so weit geschafft habe, ist top." Weghorst hat das vor allem seiner Arbeitseinstellung zu verdanken: „In der Jugend sind die anderen aus der Mannschaft freitags immer saufen gegangen, ich habe nur gefragt, was die da machen, warum die sich nicht auf das Spiel vorbereiten. Für alle anderen war Fußball Spaß, für mich war es ernst. Das ist nicht so leicht, weil du dann etwas anders bist."
Weghorst fühlt sich in der Bundesliga sehr wohl
Um sein Spiel in dieser Saison auf ein anderes Level zu heben, hat er vor der Saison vor allem im mentalen Bereich an sich gearbeitet: „Bisher musste ich immer, aber jetzt bin ich an einem Punkt, da will ich es selbst auch so richtig." Das zeigt auch seine Torquote in diesem Jahr. Deshalb ist es logisch, dass einige Vereine hinter ihm her sind, vor allem aus der Premier League. Auf die Frage Bundesliga oder Premier League, sagte Weghorst zuletzt aber zügig: „Bundesliga. Ich weiß jetzt, was die Bundesliga ist und was sie mir gegeben hat." Einen sicheren Verbleib beim VfL bedeutet das aber nicht. „Wenn wir die Champions League erreichen, wäre das schön. Das macht die Wahrscheinlichkeit, dass ich bleibe, natürlich größer. Aber es heißt auch nicht, dass ich gehe, wenn wir das nicht schaffen", erzählte er beim Sky-Format „Meine Geschichte".
Zudem fühlt er sich mit seiner Familie in Wolfsburg sehr wohl. „Familienvater zu sein, ist das Allerschönste", erzählt der Angreifer. Und
wenn die Familienplanung abgeschlossen ist, wird es noch mal richtig emotional. „Dann kommt die Hochzeit", kündigt Weghorst bereits an. „Dann können wir alle zusammen, mit allen Kindern, feiern."
Sowohl Kalajdzic als auch Weghorst ähneln sich in ihrer Spielweise. Genau gleich ist ihre Laufleistung in den bisher absolvierten Spielen. Beide Stürmer rissen in dieser Saison pro Spiel im Durchschnitt 11,26 Kilometer ab. Das sind absolute Topwerte, vor allem bei Beachtung ihrer körperlichen Voraussetzungen. Kalajdzic ist im Gegensatz zu Weghorst ein wenig beweglicher, der Holländer wiederum hat eine herausragende Physis. Beide kommen über diese Laufbereitschaft zu ihren Toren – und werden so zu immens wichtigen Spielern für ihre Vereine.
Ob beide in der kommenden Saison noch für ihre Vereine in der Bundesliga auflaufen werden, steht in den Sternen. Wenn die Tore weiterhin so fallen, könnten beide am Ende der Saison mehr als 20 Saisontore auf dem Konto haben – bei Wout Weghorst fehlen dazu nicht mehr viele Treffer. Gäbe es da nicht Robert Lewandowski, würde Weghorst sicherlich auch ein Wörtchen um die Torjägerkanone mitreden können – doch Lewandowski wandelt derzeit auf den Spuren Gerd Müllers und ist auf dem besten Weg, den Rekord zu brechen.
Der Bundesliga an sich bleibt nur zu wünschen, dass diese beiden Spieler der Liga erhalten bleiben. Weghorst liegen zwar Angebote aus England vor, doch wie er selbst sagte, würde er sich für die Bundesliga entscheiden. Innerhalb Deutschlands gibt es jedoch nicht wirkliche Verbesserungsmöglichkeiten für den Holländer. Die Bayern haben Lewandowski, die Dortmunder Haaland. Da sich der VfL derzeit in den oberen Tabellenregionen tummelt, sind die Verbesserungsmöglichkeiten begrenzt. Andererseits geht der Holländer schon auf die 30 zu. Bei Kalajdzic stellt sich die Situation anders dar. Er ist noch am Anfang seiner Karriere, das Interesse von RB Leipzig könnte da schon ein Fingerzeig sein, wo es hingehen könnte. Eins ist jedoch klar: In dieser Saison könnten noch viele Tore von beiden folgen. Ihr Marktwert sollte sich also noch steigern. Schon jetzt steht fest: Dass die These, dass der klassische Mittelstürmer ein Auslaufmodel sei, widerlegt ist, hat die Bundesliga auch den beiden Angreifern zu verdanken.