Plötzlich ist sie da: die eigentlich überfällige Diskussion, ob ein Land wie Katar würdig sein soll, eine Fußball-Weltmeisterschaft auszurichten. Doch die Debatte kommt zu spät und ist auch ein Stück weit heuchlerisch. Es ist sicherlich lobenswert, dass sich norwegische Vereine und Fan-Verbände überlegen, ob sie das Turnier boykottieren sollen. Doch letztlich werden sie keine Chance haben. Für die Profis besteht eine Abstellungspflicht für internationale Turniere, und am Ende wird sich der norwegische Verband nicht trauen, einen solch harten Schritt zu gehen.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat nun mit einem bemerkenswerten Statement aufhorchen lassen. Sie rät von einem Boykott ab und verweist nicht zu Unrecht darauf, dass in dem arabischen Land doch einige Reformen auf den Weg gebracht wurden. Ein Boykott und am Ende gar eine Absage der Weltmeisterschaft würde diese Reformen wohl zurückwerfen. Natürlich fällt es schwer zu akzeptieren, dass ein Fußball-Fest ausgerechnet dort stattfinden soll, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden und wo mehr als 6.000 Bauarbeiter ihr Leben lassen mussten. Aber seien wir doch ehrlich: Bei der Vergabe der WM war die Fifa noch nie sonderlich zimperlich. Bestes Beispiel war das Turnier 1978 in Argentinien, als dort eine Militär-Junta an der Macht war, die Proteste mit hemmungsloser Gewalt unterdrückte. Auch andere Weltmeisterschaften fanden an Orten statt, die zumindest fragwürdig waren, wenn auch aus anderen Gründen. Das Turnier 1986 in Mexiko fand unter klimatisch höchst bedenklichen Umständen statt, die sanitären Zustände waren teilweise eine Katastrophe. Die WM 1994 in den Vereinigten Staaten war zwar irgendwo nett, interessierte die einheimische Bevölkerung aber nur am Rande.
Es liegt in der Natur der Sache, dass sich der Fußball immer neue Märkte sucht. Das war 2002 in Japan und Südkorea so, das war 2010 in Südafrika, wo das Auswärtige Amt deutsche Journalisten übrigens eindringlich auf die fragile Sicherheitslage hinwies, nicht anders.