Hertha BSC gelingt ein wichtiger und überzeugender Sieg gegen Leverkusen – Gelegenheit zum Durchatmen in der Ligapause vor dem Derby gegen Union.
Vergangene Woche Dienstag hatte Pal Dardai mal Grund zu unbeschwerter Freude. Sein Geburtstag hielt ihn zwar nicht ab, wie üblich die Trainingseinheit mit der Mannschaft abzuhalten, aber die Verantwortlichen von Hertha BSC ließen es sich nicht nehmen, dem bekennenden Weinliebhaber einen guten Tropfen aus seinem Geburtsjahr 1976 als Geschenk zu überreichen. Die Flasche, so der Trainer, würde dann zu einem gebührenden Anlass geöffnet und verkostet – und nannte etwa den Klassenerhalt in dieser Spielzeit als Gelegenheit. Angesichts der momentanen sportlichen Situation kann es mit dem Genuss des Rebensafts also noch etwas dauern – spätestens Ende Mai, wenn die Relegationsspiele vorüber sind, könnte es geschehen. Bis dahin sind nur noch „Muss-Spiele" an der Reihe, wie der Ungar es ausdrückt beziehungsweise auch seinen Profis mitgegeben hat. Auch gegen den Champions-League-Anwärter Bayer Leverkusen sollte also etwas herausspringen – ein Team mit weithin bekannten Stärken wie Tempofußball und technischen Fähigkeiten, das aber zuletzt merklich aus dem Tritt geraten war. Die Tatsache, dass die Partie auf frisch verlegtem, neuem Rasen im Olympiastadion stattfinden sollte, mochte so dennoch nicht unbedingt als Vorteil für die Hausherren anmuten. Pal Dardai zeigte sich jedoch erleichtert, mit Matheus Cunha nach dessen überstandener Muskelverletzung einen „Unterschiedsspieler" wieder an Bord zu haben. „Das ist einer mit Spielwitz und ohne Angst, Fehler zu machen", lobte der Ungar den 21-Jährigen. Nach der 0:2-Auswärtsniederlage in Dortmund ohne Cunha hatte Herthas Trainer seine Profis nämlich noch in aller Deutlichkeit kritisiert: „Es kann nicht sein, dass im Training einige Sachen funktionieren und im Spiel nicht – ich will auch offensiv Aggressivität sehen."
„Das ist einer mit Spielwitz und ohne Angst"
Auf welcher Position er seine „Nummer 10" bringen würde, hatte Dardai dabei bis zum Spieltag offengelassen – in der offensiveren Variante im zentralen Mittelfeld beziehungsweise auf der Außenbahn jeweils mit zwei Spitzen im Sturm, oder selbst in vorderster Linie. Auch die in den vier Partien zuvor praktizierte Dreierkette in der Abwehr bestehend aus Lukas Klünter, Niklas Stark und Marton Dardai stand zur Disposition – blieb aber letztlich unangetastet. Im Gegensatz zur offensiven Ausrichtung, denn mit Jhon Cordoba wurde nur ein Stoßstürmer aufgeboten, Cunha und Dodi Lukebakio rückten neu in die Startelf, um die Außenbahnen zu bespielen. Mit Matteo Guendouzi kam im Mittelfeld dazu ein weiterer, laufstarker Spieler von Beginn an zum Zug. Und dann erwischten die Blau-Weißen einen Traumstart: Trotz der Drucksituation, dass Mainz 05 im Mittagsspiel siegreich und die Hertha dadurch vorübergehend auf Platz 17 abgerutscht war, gingen sie früh durch ein sehenswertes Tor von Deyovaisio Zeefuik in Führung. Auch wenn Pal Dardai sich dann phasenweise nicht zufrieden damit zeigte, dass sich seine Schützlinge zu tief aufstellten – die Gäste vom Rhein präsentierten sich nach vorne schlicht ohne Effektivität. Und gegen den Ball wirkte die Bayer-Elf fahrig, hatte an ihrer Krisensituation spürbar mehr zu knabbern als der Gastgeber. Der legte dazu eine lange nicht mehr erlebte, zielstrebige und vor allem treffsichere Art an den Tag, die schnell die Statistiker auf den Plan rief. Denn nach den Treffern von Cunha und Cordoba zum 3:0-Pausenstand kam die Frage auf, wann die Berliner denn zuletzt einmal in den ersten 45 Minuten eines Bundesligaspiels so hoch geführt hatten. Diejenigen, die es nicht aus dem Kopf wussten, brauchten sich dabei nicht unbedingt zu schämen: Auf den Tag genau elf Jahre zuvor hatten Theofanis Gekas (2) und Adrian Ramos Hertha beim 5:1-Auswärtssieg mit ihren Treffern gegen Wolfsburg in Führung geschossen. Selbst im zweiten Durchgang, als Dardai seine Mannschaft mehr auf Sicherung des Resultats eingestellt hatte, verfügte man noch über die besseren Tormöglichkeiten. Somit stand am Ende des Spieltags und – psychologisch besonders wichtig – vor der Ligapause der Sprung auf Platz 14 dank eines Dreiers in überzeugender Manier. Des einzigen Dreiers, aber eben doch ersten in allen Duellen mit den aktuellen Top sechs der Bundesliga. Zwei Siege innerhalb von drei Punktspielen bedeuten ebenfalls ein Novum für die Berliner in dieser Spielzeit – und dass diese obendrein im Olympiastadion gelangen, zeugt von einer gewissen neuen Heimstärke, die im Abstiegskampf auch noch von Bedeutung sein kann.
Boyatas Berufung sorgte für Unverständnis
Die nun anstehenden Länderspieltermine beschäftigten die Verantwortlichen bei Hertha BSC dabei diesmal in ganz besonderer Weise. Da der Verein seinen Nationalspielern die Einreise zu Partien in Virusvariantengebiete wegen einer danach erforderlichen Quarantäne untersagt hatte, kam es in den Fällen von Vladimir Darida (Tschechien, ohnehin in der Bundesliga noch zwei Spiele gesperrt) und Peter Pekarik (Slowakei) nur zu Teilabstellungen. Bei Krzysztof Piatek (Polen) und Hertha-Torwart Rune Jarstein (Norwegen) sah es zunächst ähnlich aus – dann konnte Großbritannien (mit Überseegebiet Gibraltar) vom Robert Koch-Institut aber noch von dieser Liste gestrichen werden und der Weg für die beiden Hertha-Profis zu den dortigen Gastspielen wurde uneingeschränkt frei. Für Unverständnis sorgte dazu der belgische Verband, der den seit Dezember verletzten Dedryck Boyata für die Nationalmannschaft angefordert hatte. „Wir haben mitgeteilt, dass wir ihn nicht abstellen möchten, da er noch an keinem Mannschaftstraining teilgenommen hat", erklärte Sportdirektor Arne Friedrich in der nicht unerheblichen Personalie – schließlich rechnet man im Kampf um den Klassenerhalt noch fest mit dem Abwehrchef und Spielführer. Dennoch blieb die Nominierung Boyatas für die Termine in Belgien bestehen – dabei wollte man ihn ebenso wie Sami Khedira während der Ligapause in der deutschen Hauptstadt wieder behutsam an den Trainingsbetrieb heranführen. Trotz allem kommt die Unterbrechung letztlich nicht ungelegen – vor dem Derby beim 1. FC Union (4. April, 18 Uhr) und dem Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach, nach denen die direkten Duelle mit den anderen Abstiegskandidaten folgen, konnte man so bei Hertha BSC noch mal tief durchatmen.