Der Impfstoff ist knapp, der Bedarf hoch, ebenso die Ungeduld. Die Hausärzte impfen derzeit noch in Pilotprojekten. Wie, erklären Dr. Hagen Schaumlöffel, Philip Schuster und Marc Schultheiß aus einer Gemeinschaftspraxis in St. Ingbert.
Herr Schultheiß, Herr Schuster und Herr Dr. Schaumlöffel, was genau ist das sogenannte „Pilotprojekt", und wie kamen Sie dazu?
Marc Schultheiß: Wir sind da langsam hereingewachsen, dadurch, dass zu Corona-Anfangszeiten letztes Jahr im März bestimmte Nachfragen entstanden sind. Zum einen, ob man als „Fieberpraxis" arbeiten will. Hier gab es dann die ersten Kontakte zur Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Und die acht Praxen, die in dem System der KV drin waren und als „Fieberpraxen" fungiert haben, sind dann auch Anfang des Jahres angesprochen worden, ob sie an dem Pilotprojekt teilnehmen wollen.
Dr. med. Hagen Schaumlöffel: Man kann uns sozusagen als Ableger der Impfzentren bezeichnen und nach dem Projekt, aktuell voraussichtlich Mitte April, soll dann auf der breiten Fläche in den Hausarztpraxen geimpft werden.
Was genau bedeutet es, eine „Fieberpraxis" zu sein?
Schaumlöffel: Die Grundidee war, andere Arztpraxen freizuspielen, indem wir Leute, die potenziell eine Corona-Erkrankung haben könnten, bei uns separiert im eigenen Stockwerk unter Vollschutz mit entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen versorgen. Und wir sind hier in der Situation, dass dies baulich geht, und deshalb haben wir uns da relativ früh zur Verfügung gestellt.
Hat Ihre Praxis auch bereits Leute geimpft?
Schuster: Wir haben schon knapp über 100 Leute geimpft. Wir haben vor Anfang März angefangen und eine bestimmte Menge an Impfstoff zur Verfügung gestellt bekommen, der in einem bestimmten Zeitraum x verimpft werden sollte.
Schaumlöffel: Jetzt gab es wieder Impfstoff nach und das Ministerium stellt uns Priorisierungslisten zur Verfügung. Wir müssen dann den Kontakt zu diesen Leuten aufnehmen und die Impfung terminieren – was relativ diffizil ist. Die Leute werden dann einbestellt und zusätzlich zum regulären Praxisbetrieb beimpft. Die Anmeldung läuft also über die offiziellen Anmeldeportale des Landes.
Welchen Impfstoff impfen Sie hier in der Praxis?
Schuster: Den Impfstoff von Astrazeneca.
Impfen Sie nur in der Praxis oder machen Sie auch Hausbesuche?
Schultheiß: Aktuell machen wir keine Hausbesuche mit Impfungen. Das wird wahrscheinlich in Zukunft vorgesehen sein, wenn die Impfstoffe breit in die Praxen gehen, damit auch alle Leute erreicht werden. Wir haben aktuell keinen freien Zugang dazu, weil wir uns ja an die Listen vom Ministerium halten müssen. Das wird sich vielleicht ab Mitte April ändern, wenn der Impfstoff in alle Arztpraxen kommt.
Wie genau ist der detaillierte Ablauf eines Corona-Impfvorganges in der Hausarztpraxis?
Schultheiß: Das ist dasselbe Prozedere wie im Impfzentrum: Die Person muss ihre Legitimation mitbringen. Die ist hier bei uns schon leichter gegeben, weil wir die Impflisten haben und wissen, ob das eine legitimierte Person ist. Sie muss sich also ausweisen können. Alle Atteste für die Priorisierung mit dem Code zur Anmeldung stellen auch schon seit längerer Zeit die Hausärzte aus. Dazu gibt es vorgefertigte Formulare. Die Person braucht ihren Impfpass als Dokumentation, sie braucht in unserem Fall auf jeden Fall ihre Versicherungskarte, weil sie häufig nicht zu unseren Praxispatienten gehört. Sie muss einverstanden sein, dass sie mit Astrazeneca geimpft wird, das wird telefonisch vorher abgefragt. Dann kommt noch eine weitere Rountinebefragung durch unser Personal dazu. Eine Schwangerschaft muss ausgeschlossen sein und die Person darf zwei Wochen vorher nicht geimpft werden. Und dann bleiben die restlichen Fragestellungen hier bei uns Ärzten. Wir machen dann eine normale Anamnese und stellen fest, ob der Patient oder die Patientin zu dem Impfstoff passt.
Würden Sie unterstreichen, dass der bürokratische Aufwand zu hoch ist?
Schultheiß: Es erfordert einen höheren Aufwand als bei den eigenen Patienten, denn die sind ja in aller Regel bekannt. In der jetzigen Situation müssen wir uns zuerst orientieren. Dann sind vom Robert Koch-Institut bestimmte Routinedaten gewünscht, die abgefragt und dokumentiert werden müssen. Das heißt, es ist in dem Routineprozedere immer ein hoch beschriebener Aufklärungsbogen aufzufüllen, es sind bestimmte Zeiten zu erfüllen als Sicherheitsmaßnahmen. Das heißt, der Patient bleibt nach der Impfung eine Viertelstunde da. Es gibt auch ein relativ kompliziertes Nachsorgeverfahren, weil der Patient dann wieder einbestellt werden muss, und zwar zehn Wochen später. Das muss dokumentiert und eingetragen werden, und es muss sichergestellt werden, dass er auch an den Termin erinnert wird.
Schuster: Es ist eben ein Pilotprojekt und das Ministerium und das Robert Koch-Institut wollen natürlich auch eine statistische Erfassung von Daten, Nebenwirkungen und so weiter. Die zu erfragen bedeutet natürlich einen deutlich höheren Aufwand als es das normalerweise wäre. Auf der anderen Seite ist es natürlich sinnvoll das alles jetzt zu machen, anders wäre es ja auch für das ganze Pilotprojekt kontraproduktiv.
Schaumlöffel: Das Ministerium ist verpflichtet dem Robert Koch-Institut diese Charakteristika quasi in Echtzeit rückzumelden, damit auch eine entsprechende wissenschaftliche Begleitung zu diesen Daten stattfinden kann. Allerdings haben wir für diese zusätzliche Arbeit kein zusätzliches Personal, was es auch für alle so schwierig macht. Wir haben den Betrieb praktisch von jetzt auf gleich um 25 bis 30 Prozent hochgefahren, sowohl was das Impfen angeht als auch die vom Ministerium gewünschten Abstriche in Schulen, die wir auch noch machen.
Wie sind die bisherigen Erfahrungen?
Schultheiß: Wir haben noch keine Information bekommen, dass es nachträglich Schwierigkeiten gab. Es ist bekannt, dass Astrazeneca bei der ersten Impfung relativ häufig Nebenwirkungen hat. Dazu gehören typische Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Fieber, Schüttelfrost – das verschwindet aber nach ein bis zwei Tagen. Das ist heute bei der zweiten Impfung weniger ausgeprägt als bei der ersten.
Der Impfpass dient dann auch zur Ausweisung der Corona-Impfung?
Schuster: Genau.
Schaumlöffel: In den neuen Impfpässen gibt es jetzt auch eine Extra-Spalte für die Corona-Impfung.
Was sind besondere Herausforderungen für die Hausarztpraxen?
Schultheiß: Sie müssen sehen: Wir sind vier Ärzte. Da kann man sich natürlich viel besser aufteilen und hat andere Kapazitäten. Dann gibt es auch ein räumliches Problem. Denn man hat ja ein Wartezimmer mit Abstandsregeln und wenn man dann 20 Leute auf einmal einbestellt und jeder nach der Impfung noch 15 Minuten warten muss, fangen die Schwierigkeiten an. Das heißt, das funktioniert nur über den Tag verteilt oder mit exklusiven Sprechzeiten, die es ja momentan schon gibt.
Schuster: Für das zukünftige Verfahren in den Hausarztpraxen sollte die Bürokratie nach Möglichkeit definitiv schlanker gestaltet werden.