Die deutsche Politik betont: Die Grenzen zu Frankreich sind offen. Wer das jeweils andere Land betritt, muss sich aber zuvor testen lassen. FORUM-Autor Armin Neidhardt ist Grenzgänger – der Nasenabstrich gehört fast schon zum Alltag.
Schon 500 Meter vor dem deutsch-französischen Testzentrum die ersten Hinweise: bitte einmal ganz durch den Kreisel fahren, wer aus Saarbrücken kommt, und dann rechts raus. Gleiches aus Forbach kommend mit dem Hinweis „centre franco-allemand de dépistage". Bauzäune mit Flatterband weisen den Weg. Hier wurde in Windeseile etwas aus dem Boden gestampft, auf engstem Raum ein großes Zelt aufgestellt, etwas weiter weg knattert ein Generator.
Hektisch ist es hier heute nicht um die Mittagszeit. Die Flaggen Deutschlands und Frankreichs hängen schlaff herunter. Es ist ja auch kein Grund zur Freude, wie arg die deutsch-französische Freundschaft wieder einmal strapaziert und, im wahrsten Sinne des Wortes, getestet wird. Eine junge Dame fragt, ob ich einen Termin hätte oder nicht. Gut, dass ich schon vor einer Woche online einen Testtermin fest gebucht habe, was übrigens gut funktioniert und umgehend per Mail bestätigt wurde. Das bedeutet: keine große Warteschlange, ich kann mit dem Auto bis zur Testlinie links fahren. Wer keinen Termin hat, muss rechts in die Schlange und eben warten. Es geht langsam vorwärts, wie an der französischen Mautstelle auf der Autobahn Richtung Metz. Mit Termin testen lassen erinnert an die „télépéage", das elektronische Zahlen, also zügiges Vorankommen: Scheibe runter, ein junger Mann fragt nach meinem Namen, checkt die Daten und drückt mir zwei Zettel in die Hand. Darauf stehen meine Angaben, die ich beim Terminbuchen schon im Internet gemacht habe. Dann der entscheidende Teil: Kopf ein bisschen nach hinten, und schon ist das Stäbchen drin in der Nase. Das war’s. Maximal fünf Minuten hat das Ganze gedauert. In circa 20 bis 30 Minuten ist das Testergebnis auf dem Smartphone entweder über QR-Code oder über die Eingabe einer furchtbar langen Zahlenreihe im Internet-Browser abrufbar.
„Drive through" nennt sich auf neudeutsch – oder neufranzösisch – diese Station, die in rund vier Tagen startklar sein musste, nachdem die Bundesregierung auf Empfehlung des Robert Koch-Instituts das Département Moselle Anfang März zum Virenvariantengebiet erklärt hat. Ursprünglich sei dieses in dieser Form einzigartige deutsch-französische Testzentrum an der Goldenen Bremm für freiwillige Testungen geplant gewesen, erklärt Leiter Roman Grethel von der LEG Service, der landeseigenen Dienstleistungsgesellschaft des Saarlandes. Um Grenzschließungen wie im vergangenen Frühjahr zu vermeiden, hat die Landesregierung diese Möglichkeit für Grenzgänger geschaffen, sich kostenlos testen zu lassen. Denn wer aus Moselle ins Saarland kommt, braucht laut Landesverordnung einen Negativtest aus den letzten 48 Stunden. Wer aus dem Saarland nach Moselle fährt, für den hat sich nichts geändert: Negativer PCR-Test für alle Einreisenden nach Frankreich, heißt es im Nachbar-Département, Ausnahme für Pendler mit Aufenthalt in einer 30-Kilometer-Zone vom Wohnort ohne Test für 24 Stunden. Doch auch Saarländer kommen um die Testpflicht nicht herum, wenn sie aus Moselle wieder nach Deutschland einreisen.
„Wie lange das Testzentrum noch vorgehalten werden muss, kann heute niemand seriös beantworten", sagt Roman Grethel. Das könne noch eine Weile dauern, denn mit der angekündigten Teststrategie der Bundesregierung, sprich ein kostenloser Schnelltest pro Woche für jeden Bundesbürger, habe das Zentrum erst richtig Fahrt aufgenommen. „Das haben wir hier nach ein paar Tagen gespürt, denn mittlerweile kommen auch mehr Deutsche zum Testen. Selbst Fußgänger sind dabei."
„Einige empfinden das Vorgehen als Schikane"
Täglich von 6 Uhr morgens bis 22 Uhr abends können etwa 1.500 bis 1.600 Tests bewältigt werden, gut 900 über die Onlinebuchung. Rund 25 Mitarbeiter arbeiten im Zwei-Schicht-Betrieb, vom Sicherheitspersonal mit Einweisern über THW und Feuerwehr bis hin zum medizinischen Personal und den Auswertern. Das „Abstrichpersonal" wird alle 75 Minuten ausgetauscht. Die Kosten übernimmt das Land. Je ein weiteres Zentrum wurde inzwischen in jedem Landkreis des Saarlandes eröffnet. Hinzu kommen Testzentren der Kommunen und privat organisierte. Bei unseren französischen Nachbarn gibt es inzwischen ebenfalls viele Teststationen in den Städten und Testungen wie bereits bisher in einigen französischen Apotheken. Auch wenn sich das Testen nach gut einer Woche hier an der Goldenen Bremm eingespielt hat, und viele Grenzgänger froh sind, dass Landesregierung und Eurodistrict Saar-Moselle die Möglichkeit dazu geschaffen haben, bleibt ein gewisser Frust bei den Franzosen hängen.
So wie bei Alain, der in Saarbrücken arbeitet und alle zwei Tage einen neuen Test braucht. Oder Jeanette, die im Winterberg-Krankenhaus als Pflegerin arbeitet. „Ich weiß manchmal nicht, wie ich das machen soll, wenn ich morgens meine beiden Töchter zum Deutsch-Französischen Gymnasium in Saarbrücken bringen muss. Der grenzüberschreitende Busverkehr wurde eingestellt, zumindest mal bis Ende März", berichtet sie.
Inzwischen gab es auch die ersten Protestaktionen auf der Grenze gegen die erneute Bürokratie aus Berlin und Paris. „Einige Franzosen empfinden das Vorgehen der Deutschen als Schikane, aber sie geben nicht uns
die Schuld dafür, sondern der Politik
in Berlin." Dort wisse man gar nicht, wie Europa an Deutschlands Außengrenze funktioniere.
Rund 15.000 Testungen gab es in den ersten zehn Tagen seit Eröffnung, darunter 30 positive Corona-Fälle, die den Gesundheitsämtern gemeldet und durch genauere PCR-Tests überprüft werden müssen. Eine positive Bilanz zogen die Verantwortlichen vom Eurodistrict: THW, Saar-Berufsfeuerwehr, die französischen Kollegen der Pompiers, das Gesundheits- und Europaministerium, der Eurodistrict Saar-Moselle und Dienstleister wie Veranstaltungsmanager Thilo Ziegler hätten schnell an einem Strang gezogen und den Beweis erbracht, dass das Saarland und Moselle ohne harte Grenzschließungen die Pandemie bekämpfen können. Ein Vorbild, wie Europa, vor allem wie Paris und Berlin gemeinsam an den nationalen Grenzen auf die Pandemie reagieren könnten.