Der Impfstoff des Herstellers Astrazeneca darf zwar wieder verimpft werden, die Verunsicherung aufgrund des vorangegangenen Impfstopps aber bleibt. Vieles bleibt unklar, aber im Kampf gegen das Coronavirus überwiegen die Vorteile des umstrittenen Vakzins.
Die Negativschlagzeilen um den Corona-Impfstoff von Astrazeneca reißen nicht ab. Nach einer angeblich schlechteren Wirksamkeit und den vor Kurzem angekündigten kleineren Liefermengen, folgte vor zwei Wochen dann der komplette Impfstopp in Deutschland. Zuvor hatten bereits Länder wie Italien und Frankreich die Verimpfung des Vakzins untersagt, die USA hat es bislang nicht einmal freigegeben. Grund dafür waren eine Reihe von Sinusvenenthrombosen, die in Zusammenhang mit dem Impfstoff stehen könnten. Das Gesundheitsministerium reagierte schnell, sagte daraufhin auch den geplanten Impfgipfel erst einmal ab. Man wolle eine Einschätzung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) abwarten, bevor man weitere Schritte plane. „Damit folgen wir der aktuellen Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts, die aufgrund einer auffälligen Häufung einer speziellen Form von sehr seltenen Hirnvenenthrombosen (Sinusvenenthrombose) in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) und Blutungen in zeitlicher Nähe zur Impfungen mit dem Covid-19-Impfstoff von Astrazeneca getroffen wurde", begründete Saar-Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU). Die EMA aber hat nun beschlossen, dass die Vorteile des Astrazeneca-Impfstoffs die Nachteile bei Weitem überwiegen. Die Verwendung ist damit in Deutschland wieder möglich, Termine haben im Saarland in dieser Zeit keine abgesagt werden müssen, teilte das Ministerium auf Anfrage mit. Auch die geplanten Impfungen im Rahmen des Modellprojektes bei Hausärzten sowie in den Einrichtungen der Eingliederungshilfe und Forensik sollen daher auch planmäßig weiter laufen.
Auch Forscher haben bei einer Studie an der Oxford Universität kein erhöhtes Thrombose-Risiko durch den britisch-schwedischen Impfstoff feststellen können. Im Gegenteil – man bescheinigt dort sogar eine bessere Impfleistung als andere Stoffe. So soll die Impfung zu 79 Prozent vor einer Corona-Infektion mit Symptomen schützen und zu gar 100 Prozent vor einem schweren Krankheitsverlauf. Diese Wirkung war bei vorherigen Studien nicht ermittelt worden.
Dennoch bleibt der zeitliche Zusammenhang zwischen den 13 Fällen und der vorangegangenen Impfung, der viele verunsichert. Denn bei einer Sinusvenenthrombose handelt es sich nicht um ein typisches Blutgerinnsel. Es unterscheidet sich nämlich in der Entstehungsart von einer normalen Thrombose, was den vielfach verwendeten Vergleich mit der Antibabypille negiert: „Alle sieben (Anm. d. Red.: inzwischen 13 Betroffene) erlitten ein sogenanntes Spontanes Heparin-induziertes Thrombopeniesyndrom, welches eine prothrombotische, also thromboseinduzierende Thrombozytopenie (ein extremer Mangel an Blutplättchen, die essentiell für die Gerinnung sind) auslöst. Dieses führte zu petechialen (punktförmigen) Hauteinblutungen und eben der bereits erwähnten Sinusvenenthrombose", erklärt Lobo Johnsdorf, Oberarzt am Klinikum Schaumburg in Niedersachen auf Twitter. „Halt, Stopp! werden jetzt die geneigten Leser zu Recht sagen: Die Patienten haben doch gar kein Heparin bekommen, woher dann die Antikörper? Richtig, und die Entstehung ist letztlich total ungeklärt." Das Risiko einer Sinusvenenthrombose läge rechnerisch bei 1:33 bis 1:50. 13 Fälle bei 1,6 Millionen Impfungen sind daher auffällig, dennoch mahnt Johnsdorf auf dem sozialen Netzwerk: „Sollten wir also, mitten in der dritten Welle einer Pandemie, einen Impfstoff rausnehmen, der nachweislich auch gut gegen die Virusmutationen funktioniert? Das stelle ich mal zur Diskussion."
Auch ob ein Zusammenhang zwischen den Fällen und der Einnahme der Antibabypille besteht, ist nicht geklärt. Auffällig ist, dass unter den 13 Fällen zwölf Frauen unter 50 Jahren sind. Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Frank Bergmann, hatte gegenüber der „Rheinischen Post" gesagt, dass es bei den Risiken durchaus einen Zusammenhang zwischen Rauchen, der Pille und den Corona-Impfungen geben könnte. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte darauf angekündigt, dass man mit Frauen, die die Pille nehmen, verhandeln könnte: „Natürlich kann dann auch ein anderer Impfstoff verabreicht werden. Die Impf-Ärzte werden mit der zu Impfenden eine Lösung finden." Zuvor hatte er immer betont, dass es keine Wahl des Impfstoffes geben könne.