Im südlichen Rheinland-Pfalz hat sie bereits begonnen, in Brandenburg startete sie kurz vor Ostern, Unterfranken beginnt Mitte April – die Spargelernte. Rund 300.000 Saisonkräfte stechen über 100.000 Tonnen des edlen Gemüses. In Corona-Zeiten ist da viel zu organisieren.
Wie silbrig glänzende Meereswellen bis zum Horizont – so präsentiert sich ein Spargelfeld im brandenburgischen Beelitz. Spargelbauer Jürgen Jakobs hebt ein Stück Folie hoch. Ameisen rennen geschäftig hin und her, der Spargel aber versteckt sich noch. „Das sieht nächste Woche schon ganz anders aus", sagt er, „da fangen wir dann mit der Ernte an." Wegen des harten Winters hatte er ein wenig Sorge, dass es ein bisschen später werden könnte. „Aber bei dem Sonnenschein in den letzten Tagen wird es ein guter Saisonstart."
Offiziell ist die Beelitzer Spargelsaison bereits eröffnet. Geerntet wird schon seit dem 30. März. Zu Ostern war das begehrte Gemüse dann in den Hofläden zu haben, danach kam es in die Supermärkte.
Jürgen Jakobs, der auch Vorsitzender des Beelitzer Spargelvereins ist und Brandenburg im Verband der Ostdeutschen Spargel- und Beerenobstanbauer vertritt, erwartet „eine gute Saison mit ordentlichen Erträgen". Das hängt davon ab, ob sie genug Arbeitskräfte bekommen. Dass es letztes Jahr 14 Prozent weniger Spargel gab, lag an fehlenden Erntehelfern. Wie er sind viele Spargelproduzenten verunsichert über Gerüchte, dass einige Länder wieder ihre Grenzen schließen wollen. Deshalb sind die ersten Mitarbeiter schon angereist, bei ihm 200 von erwarteten 350. Rund 80 Prozent der Erntehelfer kommen aus Rumänien, zehn bis 15 Prozent aus Polen und der Rest aus den Balkanstaaten.
Die Erfahrung des vergangenen Jahres hat gezeigt, mit einheimischem Personal funktioniert es nicht, „weil die Leute den Strapazen der Spargelernte nicht standhalten." Die ist körperlich sehr anstrengend. Viele sind nicht bereit, sich dem dauerhaft zu stellen, meint er.
In seinem Betrieb kommen viele der Saisonkräfte aus dem Ausland jedes Jahr wieder, und es gibt Lehrgänge für die Neuen. Im Rahmen eines Pilotprojektes der Bundesagentur für Arbeit setzt Spargelbauer Jakobs als Einziger in diesem Jahr erstmals 50 Georgier ein, 25 für die Spargel- und 25 für die Heidelbeerernte.
Seit Corona hat sich der Aufwand vervielfacht. Auch, weil sich Anordnungen ständig ändern. Im Augenblick warten die Beelitzer Spargelbauern auf Weisungen der Gesundheitsämter, wie mit den Schnelltests zu verfahren ist. „Es ist nicht ganz klar, welche zu verwenden sind und in welchem Rhythmus getestet werden soll", erklärt Jürgen Jakobs, „und die müssen möglichst ohne medizinisches Fachpersonal handelbar sein. Wir haben uns mit den ersten Schnelltests eingedeckt, die reichen aber nur für eine wöchentliche, flächendeckende Testung."
Das nächste Problem ist die Unterbringung. „Wir sind gesetzlich verpflichtet, für eine ordnungsgemäße Unterbringung zu sorgen. Wir stellen sie nicht unbedingt selber, aber die meisten Betriebe organisieren das bei sich. Die Unterkünfte werden von den Ämtern überprüft, ob ausreichend Raum zur Verfügung steht, um die Corona-Vorschriften einzuhalten. Die Raumbelegung liegt jetzt bei 50 Prozent der üblichen Plätze. Das bedeutet, wir müssen zusätzliche Kapazitäten schaffen."
Dann kommen die einzuhaltenden Abstandsregelungen in den Bussen, die zu den Feldern fahren. Darin sitzen jetzt weniger Leute, die Busse fahren häufiger.
Jürgen Jakobs: „Wie von der Landesregierung empfohlen, arbeiten wir nach dem Konzept ‚Zusammen wohnen – zusammen arbeiten‘. Das heißt, die Leute, die gemeinsam eine Unterkunft beziehen, haben auch eine gemeinsame Arbeitsstätte." Zudem wird versucht, den Kontakt zur Außenwelt zu beschränken. Einkaufsmöglichkeiten werden auf den Höfen zur Verfügung gestellt, ohne Aufschläge natürlich, auch ein gemeinsamer Treffpunkt ist vorhanden.
Das führt natürlich zu höheren Aufwendungen. „Pro Saisonarbeitskraft sind das 500 bis 1.000 Euro mehr", rechnet er vor. „Wir haben im letzten Jahr schon eine Viertelmillion Mehraufwand gehabt, das werden wir voraussichtlich auch in diesem Jahr haben. Das ist aber in der ganzen Branche so." Es gebe Überlegungen in der Landesregierung, Zuschüsse zu den Sonderaufwendungen zu gewähren, aber sicher sei das nicht.
Schnelltests für die Erntehelfer sind vorgeschrieben
Eine Diskussion, die auch die Spargelbauern immer wieder führen müssen, ist die Bezahlung nach Mindestlohn und die sozialversicherungsfreie Beschäftigung der Saisonarbeiter.
„Wir zahlen den Mindestlohn von 9,50 Euro", so Jürgen Jakobs, „aber wenn er weiter steigt, würde der Spargel- und Heidelbeeranbau in Deutschland immer schwieriger. Ob aus Polen oder Deutschland, das Schälchen Heidelbeeren kostet im Laden 1,99 Euro. Die Pflücker in Polen bekommen aber nur 3,50 Euro, bei uns fast das Dreifache. Die Mehrkosten können wir nicht durch technologischen Fortschritt auffangen, wir sind hier sehr stark auf Handarbeit angewiesen. Deshalb würden wir uns wünschen, dass es für uns auch Ausnahmen gibt wie in anderen Bereichen."
Im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung die Möglichkeit zur geringfügigen Beschäftigung ohne Sozialversicherungspflicht von 70 auf 115 Arbeitstage für Kräfte in der Landwirtschaft verlängert. Die FDP hatte kürzlich im Ausschuss für Arbeit und Soziales einen Gesetzesentwurf eingebracht, der vorsah, diese Regelung bis 1. November 2021 weiter gelten zu lassen. Das haben die anderen Fraktionen abgelehnt.
Die Spargelernte geht drei Monate. Die Beerenernte für die nächsten Erntehelfer dauert genauso lang, Das bliebe also im gesetzlichen Rahmen. Die Gewerkschaften fürchten aber eine „soziale Discount-Ernte". Die IG BAU fordert deshalb eine volle Sozialversicherungspflicht für alle Saisonarbeitskräfte – unabhängig davon, wie lange sie im Einsatz sind.
„Die Erntehelfer werden durch unsere Betriebe krankenversichert, da legen wir Wert drauf," betont Jürgen Jakobs. „Aber sie zahlen keine Beiträge zur Arbeitslosen- oder Rentenversicherung. Saisonkräfte sind ja nicht von Arbeitslosigkeit betroffen, und für die Rentenversicherung fehlt ihnen die Anwartschaft, denn bei uns wollen alle sowieso nur kurzfristig arbeiten. Als Betrieb ist uns die Sozialversicherungsfreiheit so wichtig, dass wir lieber den kürzeren Zeitraum in Anspruch nehmen, um diese beizubehalten."
Bleibt die Frage, ob sich die Mehrkosten auf den Spargel auswirken? Den Preis würde er gern entsprechend anheben, aber das wäre nicht marktgerecht. „Wir werden unsere höheren Aufwendungen nicht komplett refinanziert bekommen, dazu ist der Wettbewerb viel zu stark", so Jürgen Jakobs.
„Den rund 1.550 Spargelbauern in Deutschland stehen nur fünf Handelsketten gegenüber, die geben uns in der Regel eine Preisrichtung vor. Wir müssen uns auch der internationalen Konkurrenz stellen. Wenn unsere spanischen, griechischen und italienischen Kollegen die Ware billiger anbieten, dann sind wir außen vor." Wie viel Spargel die Restaurants abnehmen können, wenn sie überhaupt öffnen dürfen, was der freie Verkauf über die Höfe und die Spargelbunden bringt – das bleibt angesichts der Corona-Infektionszahlen schwer vorauszusagen.
Der Spargel, den es jetzt bereits zu günstigen Preisen in den Supermärkten gibt, sei in der Regel griechischer Spargel, so Jürgen Jakobs. Er wächst auf Lehm- oder Tonböden, und der Geschmack ist meist deutlich bitterer als bei dem Spargel aus Deutschland. „Wir hier in Beelitz haben eine ganz eigene Geschmacksrichtung, die ihn seit über hundert Jahren so berühmt gemacht hat: leicht süßlich und nussig. Unser erster Spargel wird um Ostern herum 15 Euro das Kilo kosten, das bleibt meist zwei Wochen so, dann rauschen die Preise runter auf unter zehn Euro und weniger das Kilo."