Geliefert haben oder geliefert sein: An dieser Schwelle steht die Landeshauptstadt Saarbrücken. Mit einer digitalen Strategie könnte die Stadt bei dringend benötigten Investoren und Fachkräften deutlich an Attraktivität gewinnen. Digital-Dezernent Tobias Raab hofft auf eine Bundesförderung.
Herr Raab, in der Verwaltungsspitze weht mit Einzug einer jüngeren Generation ein frischer Wind. Trotzdem stockt die von der Wirtschaft so vehement geforderte Digitalisierung der Verwaltung. Woran liegt’s?
Bei der Digitalisierung ist in jüngster Zeit einiges auf den Weg gebracht worden. Teile der digitalen Bauakte sind bereits abrufbar, wir führen derzeit ein neues Dokumentenmanagementsystem ein, die Bürgerämter werden digitaler, um ein paar Beispiele zu nennen. Wir sind auf dem richtigen Weg. Aber die Entscheidungswege sind in einer öffentlichen Verwaltung nun mal länger als in einem kleinen oder mittelständischen Unternehmen.
Städte werden in Zukunft smarter und digitaler. Wie kommt Saarbrücken auf dem Weg zur Smart City voran?
Wir haben die Hoffnung, dass wir im Sommer eine positive Entscheidung beim Förderprogramm „Smart Cities" des Bundesinnenministeriums erhalten. Für sieben Jahre bekämen wir 17 Millionen Euro zur Entwicklung und Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie. Nach zwei erfolglosen Bewerbungen verfolgen wir dieses Mal einen anderen, eher unkonventionellen Ansatz. Wir wollen eine offene Plattform für smarte Technologien schaffen und damit Start-up-Unternehmen anlocken. Dieser start-up-basierte Ansatz macht aus Saarbrücken eine Anwenderregion. Dazu binden wir natürlich unsere Forschungsinstitute auf dem Campusgelände sowie die Universitäten im Saarland mit ein und richten ebenso den Blick nach Frankreich und Luxemburg. Schon heute gibt es jede Menge hochinteressanter Start-ups in unserer Region, die wir noch stärker vernetzen müssen. Mitte März haben wir unsere Bewerbung für das Förderprogramm eingereicht.
Für die Entwicklung zur Smart City sind gewisse technische digitale Voraussetzungen notwendig. Was ist Stand beim Glasfaserausbau und beim Funknetz LoRaWAN, das Daten liefern soll?
Im Stadtgebiet ist bereits ein flächendeckendes LoRaWAN-Netz aufgebaut und aktiv. Über dieses Netz können etwa in den Liegenschaften der Stadt und den Stadtwerken gemessene Daten wie Energie, Wasser, Überwachungen, Klima, Raumluft übertragen werden. Gerade der CO2-Überwachung in Schulen kommt in der Corona-Pandemie große Bedeutung zu. Das Netz wird derzeit Richtung Völklingen ausgedehnt. Ziel ist es, weitere Anwendungen und Produkte auf den Weg zu bringen. LoRaWAN, das wir mit dem Energiedatenmanager co.met aus dem Stadtwerkekonzern aufgebaut haben, ist im Vergleich zu anderen Techniken kostengünstig, ausbaufähig und dort gut einsetzbar, wo andere Funktechniken nicht hinkommen.
Der Ausbau der Glasfaser-Infrastruktur mit einer Bandbreite von mindestens 50 Mbit pro Sekunde für schnelles Internet erfolgte im Rahmen der Vorgaben des kommunalen Zweckverbands eGO-Saar und wurde bereits erfolgreich abgeschlossen. Nun gilt es, die Voraussetzungen zu schaffen für den FTTH-Ausbau (Fiber to the Home), sprich Glasfaser ins Haus, und den 5G-Ausbau. Dabei arbeiten wir gern und wenn immer möglich mit Unternehmen aus der Region zusammen, damit wichtige Wertschöpfung im Land bleibt.
Der vermeintliche Heilsbringer Digitalisierung macht zugleich Probleme und verändert beispielsweise durch verstärkten Onlinehandel die Innenstädte. Welche Auswirkungen erwarten Sie für Saarbrücken?
Die Innenstädte verändern in den nächsten Jahren ihr Gesicht. Der Onlinehandel ist aus den Städten nicht mehr wegzudenken. Das hat die Corona-Pandemie nur beschleunigt. Eine unserer vordringlichsten Aufgaben ist es, die Innenstadt für die Menschen attraktiver zu machen. Wir brauchen eine gesunde Mischung aus einem interessanten Angebot, aus Dienstleistungen, Unterhaltung und Kultur. Daran arbeiten Verwaltung, Verbände und Vereine gemeinsam.
Dass Saarbrücken eine Stadt mit Zukunftspotenzial und für Gäste eine Reise wert ist, zeigen unter anderem die vielen Hotelprojekte. Trotz Krise eröffneten im vergangenen Jahr das „Intercity Hotel" und das „Hotel Esplanade". 2022 folgen die zwei im Bau befindlichen Hotels in der Bahnhofstraße 109/111 und das „Premier Inn" in der Nähe der alten Post. Mit den Eigentümern des ehemaligen C&A-Gebäudes verhandelt die Verwaltung über eine alternative Nutzung und das Zukunftsvorhaben im alten Sparda-Bank-Gebäude am Beethovenplatz soll zu Wohnraum umgenutzt werden. Saarbrücken wird von außen mit ganz anderen Augen gesehen hinsichtlich des Zukunftspotenzials.
Welche strategischen Entwicklungs- und Bauprojekte stehen in den nächsten Jahren in Saarbrücken an?
Stadt und Regionalverband ziehen bei der Tourismusstrategie an einem Strang. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Modernisierung und Erweiterung des Congress-Zentrums und die Eröffnung eines Conventions-Bureaus. Das ist beschlossene Sache und losgelöst von einem möglichen Standort der neuen Eventhalle zu betrachten. Für den Bau einer neuen Saarlandhalle hat das Land eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben, dessen Ergebnis und damit verbunden die Standortfrage, in ein paar Wochen vorgestellt wird. Es darf keine Konkurrenz zwischen Saarbrücken und dem Saarland entstehen. Aber allein das Oberzentrum Saarbrücken verfügt mit über 330.000 Einwohnern über eine starke Anziehungskraft. Saarbrücken wäre daher die beste Wahl für eine neue und moderne Eventhalle. Gleichzeitig würde dies die Landeshauptstadt im Wettbewerb mit Städten wie Metz, Nancy, Luxemburg, Trier, Mannheim oder Kaiserslautern stärken. Weitere Impulse versprechen wir uns zudem von den Investitionen an der Universität des Saarlandes, an der Hochschule für Technik und Wirtschaft sowie vom Neubau der Handwerkskammer.
Wie geht es bei der Entwicklung von Stadtquartieren und Gewerbegebieten in Saarbrücken voran?
Der Bebauungsplan des ehemaligen Saarmesse-Geländes ist verabschiedet und das Grundstück übergeben. Derzeit ist dort zwar noch das Corona-Test- und Impfzentrum untergebracht, aber das sollte hoffentlich in absehbarer Zukunft Vergangenheit sein. Mit der Familie Reichenberger als neuen Eigentümern stehen wir in engem Kontakt für die künftige Vermarktung des Geländes, das „Am Schanzenberg" heißen soll. Viel Bewegung ist im Quartier Saarbrücker Osthafen. Mit dem Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Abel der ehemaligen Halberg Guss führen wir intensive Gespräche über die Revitalisierung und Anschlussnutzung des Geländes. Ein großes Projekt ist sicherlich die Entwicklung des Gebiets westlich der Metzer Straße. Hier soll neuer Raum für Wohnen, Arbeiten und Leben entstehen, aber es ist kein Projekt, das von heute auf morgen entsteht. Saarbrücken benötigt in Zukunft attraktive Gebiete, um potenzielle Investoren anzulocken. Dafür brauchen wir manchmal den Mut, Projekte anzustoßen und Neues auf den Weg zu bringen, die nicht sofort auf Gegenliebe aller Beteiligten stoßen. Das ist in der Praxis zwar einfacher gesagt als getan, aber es muss uns gelingen, die Menschen zu überzeugen und mitzunehmen. Es geht um die Weiterentwicklung und Zukunft unserer Stadt. Letztendlich müssen wir gemeinsam für Investitionen und Ansiedlungen kämpfen und mit Investoren vertrauensvoll und vor allem serviceorientiert zusammenarbeiten.
Nennen Sie drei Schlagworte, mit denen Sie junge Menschen zum Verbleib in Saarbrücken überzeugen.
Wir haben Zukunftsbranchen mit hochinteressanten Arbeitsplätzen in Forschung und Unternehmen. Saarbrücken ist eine offene und internationale Stadt. Und wir haben in Saarbrücken und im gesamten Saarland ein tolles Lebensgefühl, um das uns andere Regionen beneiden. Wenn das keine guten Gründe sind.