Marcel Noebels ist drauf und dran, seine herausragende Vorsaison noch mal zu toppen. Der Stürmer ist der Schlüsselspieler der Eisbären Berlin.
Starallüren? Nicht mit Marcel Noebels. „Ich bin nicht der Mensch, der im Erfolg abhebt", sagt der bodenständige Mann vom Niederrhein. „Ich weiß viel zu genau, wer mir alles zu diesem Höhenflug verholfen hat." Der Topscorer der Eisbären Berlin versteht sich als Teamplayer, der dem Mannschaftserfolg alles unterordnet. Bester Beweis: 34 Assists nach 29 Spielen in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Noebels wird die Saison sehr wahrscheinlich als Vorlagen-König beenden – und vielleicht bleibt es nicht bei dieser einen persönlichen Auszeichnung. „Ich habe den Anspruch, einer der besten Spieler der Liga zu sein, und möchte der Mannschaft zum Erfolg verhelfen", sagte der Nationalspieler. „Außerdem möchte ich den Titel als Spieler des Jahres verteidigen, was sicherlich nicht einfach wird."
Kaum jemand bei den Eisbären hatte zu hoffen gewagt, dass Noebels seine herausragende Vorsaison mit 49 Scorerpunkten (23 Tore und 26 Assists) noch mal toppen kann. Doch genau das tut der Stürmer. „Ich möchte eine Konstanz erreichen, dass ich noch eine Weile an dieser Position stehe", sagte er. Nicht nur seine 39 Scorerpunkte nach 29 Spieltagen, auch seine Plus-Minus-Bilanz (+24) und seine Schusseffizienz (9,09 Prozent) sprechen dafür, dass Noebels in der Form seines Lebens ist. Auch wegen ihm durften die Eisbären Berlin als zweites Team der DEL nach dem knappen 1:0-Heimsieg gegen die Straubing Tigers den vorzeitigen Einzug in die Play-offs bejubeln.
„Ich möchte den Titel als Spieler des Jahres verteidigen"
Das Spiel war nicht gerade schön anzusehen, beiden Teams waren die Strapazen des eng getakteten Spielplans deutlich anzumerken. Und doch endete die Partie mit einer Besonderheit: Die Parade-Sturmreihe mit Noebels, Lukas Reichel und Leo Pföderl hatte an dem Siegtreffer keine Aktien. Das ist ungewöhnlich, denn bis dahin war das Trio an knapp 80 Prozent der Tore beteiligt gewesen. Keine andere Reihe in der DEL kommt auf ähnliche Werte, sie ist der Grund, warum der souveräne Tabellenführer der Nord-Gruppe auch als Meisterkandidat gehandelt wird. „Es ist schon beeindruckend, wie unser Angriff funktioniert", sagte Eisbären-Geschäftsführer Peter John Lee. Vor allem das 8:1 zum Ende der Hauptrundenspiele in der Nord-Gruppe gegen die Düsseldorfer EG war eine Machtdemonstration der allerersten Güte. In dem Spiel, in dem den Berlinern nahezu alles gelang, überragte einmal mehr Noebels mit vier Treffern, einer starken Übersicht, großem Laufvermögen und einer klasse Technik. „Wir haben insgesamt eine starke Leistung gezeigt", sagte er hinterher, „und wir haben in dieser Saison noch große Ziele." Einen großen Ehrgeiz bewiesen die Berliner auch in den ersten Duellen gegen die Süd-Teams, fünf Siege aus sechs Spielen waren zudem eine Kampfansage an die Titelkonkurrenten Red Bull München, Adler Mannheim und ERC Ingolstadt. „Wenn wir über 60 Minuten gutes Eishockey spielen, brauchen wir uns vor keinem zu verstecken", so Noebels.
Vor der Saison klang er noch deutlich defensiver, da wäre Noebels schon mit einem Play-off-Einzug zufrieden gewesen. „Für ganz oben wird es nicht reichen, um ehrlich zu sein", hatte der Olympia-Silbermedaillengewinner von 2018 gesagt. Doch das neu formierte Eisbären-Team hat sich überraschend schnell gefunden und ist angeführt von der Topreihe um Noebels zu einem Titelkandidaten gereift. Der gebürtige Tönisvorster ist dabei nicht nur auf dem Eis, sondern auch in der Kabine der Schlüsselspieler. „Nun bin ich in dem Alter, in dem ich von mir erwarte, Führungsspieler zu sein", sagt er selbst. Sein Selbstvertrauen sei seit seiner Ankunft 2014 in Berlin „stetig gewachsen", auch wenn ihn ein Kreuzbandriss 2016 zurückgeworfen hatte. Noebels kehrte zurück – und ist nun stärker als je zuvor. „Ich habe gekämpft, mich zu verbessern", sagt er, „ich bin froh, dass ich die ehrgeizigen Erwartungen, die in Berlin herrschen, erfüllen konnte."
Sein wohl größter Förderer ist Trainer Serge Aubin, der seinen Vertrag bei den Eisbären kürzlich bis 2023 verlängerte. „Ich habe sehr viel unserem Trainer zu verdanken", sagt Noebels, der unter dem Kanadier eine deutliche Leistungssteigerung erfahren hat: „Seit Serge hier ist", sagt er, „spüre ich großes Vertrauen, und das möchte ich gern zurückgeben." Aubin verlange sehr viel, gebe aber auch viel Energie und Vertrauen zurück, so Noebels: „Wir sind auf derselben Wellenlänge." Aubin ist voll des Lobes über seinen Topprofi. „Was ihn ausmacht, ist sein Stellungsspiel", schwärmt der Coach. „Wenn er nicht an der Scheibe ist, dann bringt er sich in Situationen, wo er diesen Spielzug machen kann."
Noebels weiß aber auch, wie sich ein Scheitern anfühlt. Beim NHL-Draft 2011 wurde er von den Philadelphia Flyers in der vierten Runde gezogen, doch ein Spiel in der besten Eishockey-Liga der Welt hat er nie bestritten. Noebels wurde von einem Farm-Team zum nächsten geschoben, in der zweitklassigen AHL drohte das damalige Talent zu versauern. „Dann kam ich zu dem Entschluss, noch mal einen Schritt zurückzugehen, um dann vielleicht noch mal zwei nach vorne zu machen", erzählte Noebels. „Dann bin ich glücklicherweise bei den Eisbären Berlin gelandet." Den Entschluss, in Nordamerika sein Glück zu versuchen, hat der Stürmer dennoch nicht bereut. Im Gegenteil. Die Zeit und Erfahrungen dort haben ihn als Spieler und Persönlichkeit reifen lassen. Jetzt ist er sich sicher: „Mit meinem aktuellen Level würde ich es wohl schaffen."
Doch mit 29 Jahren ist der NHL-Zug für Noebels wohl abgefahren, aber seinem hochtalentierten Teamkollegen Lukas Reichel kann er direkt dabei helfen, künftig in der NHL durchzustarten. Reichel wurde beim jüngsten NHL-Draft in Runde eins von den Chicago Blackhawks ausgewählt, bei den Eisbären soll er sich zurzeit die spielerische und körperliche Reife holen. Dieser Plan geht bislang voll auf – vor allem dank Noebels. Beide harmonieren auf dem Eis prächtig, weil sie technisch und läuferisch auf einer Wellenlänge liegen. Da beide im Angriff sowohl außen als auch in der Mitte spielen können, sind sie für die gegnerischen Abwehrspieler nur schwer auszurechnen. Der Dritte im Bunde, Leo Pföderl, agiert zwar nicht ganz so elegant auf dem Eis wie Reichel und Noebels, dafür ist der Bayer eiskalt im Abschluss. „Bei uns passt alles. Wir arbeiten hart, haben aber auch viel Spaß", sagt Noebels. Und dann stellt sich der Erfolg fast von alleine ein. Für Noebels persönlich, aber auch für die Eisbären als Team.