Für Handballer Kian Schwarzer ist der Wechsel zu Bundesligist TBV Lemgo-Lippe ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Profi. Es ist aber auch einer in die fast übergroßen Fußstapfen seines Vaters Christian.
Vergleiche mit seinem Vater kennt Kian Schwarzer. Das ist einerseits schmeichelhaft, andererseits schürt dies Erwartungen, denen ein junger Mann nur schwer gerecht werden kann. Denn Kians Vater ist die Handball-Legende Christian „Blacky" Schwarzer, der die deutsche Nationalmannschaft 2007 zur Weltmeisterschaft im eigenen Land geführt hat. So etwas schaffen nicht viele. „Er war halt auf dem höchsten Niveau unterwegs und dorthin will ich auch irgendwann einmal", sagt der 22-jährige Kian selbstbewusst.
Um sich diesen Traum zu erfüllen, wechselt er im Sommer von Drittligist SV 64 Zweibrücken zu Bundesligist TBV Lemgo-Lippe. Für den spielte übrigens schon sein Vater zwischen 2001 und 2007. Ebenso wie der heutige TBV-Trainer Florian Kehrmann, der zusammen mit Blacky vor 14 Jahren Weltmeister wurde. Die Vermittlung eines Probetrainings war daher Formsache – nicht aber das Abschneiden.
Großer Sprung aus der dritten Liga
„Schlussendlich habe immer noch ich dieses Probetraining absolviert und die Leistung abgeliefert und nicht mein Papa", stellt Schwarzer Junior klar. Im Handball zählen schließlich keine Namen, sondern das, was auf der Platte passiert. Und das hat die Verantwortlichen in Lemgo überzeugt. „So einen Schritt jetzt machen zu dürfen, ist einfach überragend. Ich freue mich extrem auf diese Aufgabe", sagt Kian Schwarzer, der sich zuvor bewusst dazu entschieden hatte, seinen Stammverein im Sommer zu verlassen, um sich sportlich weiterzuentwickeln. Bis zum Saisonende hat er Zeit, sich bei seinen Mannschaftskameraden zu verabschieden. Am liebsten mit dem Einzug in den DHB-Pokal, den der SV 64 Zweibrücken als Teilnehmer an der entsprechenden Qualifikationsrunde noch erreichen kann. Der Sprung von der Dritten Liga in die stärkste Liga der Welt wird schwer. Nicht wenige scheitern schon beim Schritt in die nächsthöhere Spielklasse. Noch dazu, wenn damit nicht nur ein Vereins- sondern auch noch ein Positionswechsel einhergeht. In der Jugend wurde Schwarzer zum Kreisläufer ausgebildet, weil dem 1,81 Meter-Mann aber für den Durchbruch im Profibereich ein paar Zentimeter Körperlänge fehlen, wird er zum Linksaußen umgeschult. Doch Schwarzer sieht sich dieser großen Herausforderung gewachsen: „Das ist schon eine enorme Steigerung, aber ich kann dabei nur gewinnen. Gerade mit einem Bjarki Már ElÃsson vor mir, der in der letzten Saison mit 216 Treffern Bundesliga-Torschützenkönig wurde, kann ich noch vieles lernen", findet Schwarzer und ergänzt: „Ich kann mich sicher schnell mit der neuen Rolle identifizieren, weil ich in der Jugend eigentlich auf jeder Position eingesetzt wurde, auch im Rückraum. Daher kenne ich mich auf dem Handballfeld aus und weiß auf jeder Position, was zu tun ist." Das haben auch TBV-Geschäftsführer Jörg Zereike und Trainer Florian Kehrmann erkannt: „Er weiß um seine Rolle hinter Bjarki, ist ehrgeizig und sehr fokussiert", lobt Kehrmann, der Schwarzers Erfahrung am Kreis eher als Vorteil sieht: „Für den modernen Handball mit Positionswechseln und Einläufern von außen an den Kreis ist diese Erfahrung, zu wissen, wann genau zum Beispiel Sperren gestellt werden, wie man Räume schafft und die gegnerische Abwehr beschäftigt, sehr gut." Sein Spielverständnis macht Kehrmann sicher, dass sein künftiger Schützling „bei uns eine gute Entwicklung nehmen wird und zudem sehr gut in unser Team passt."
Kian Schwarzer kennt Lemgo bereits aus Kindertagen und machte im Ortsteil Brake unter Anleitung seiner Mutter Tanja seine ersten sportlichen Schritte – im Handball, aber auch im Fußball. Nach dem Umzug ins Saarland spielte er weiter beides parallel. Auch auf dem grünen Rasen hätte er wohl gute Chancen auf eine Karriere im höherklassigen Bereich gehabt. Doch die Entscheidung fiel, vielleicht auch wegen der familiären Vorbelastung, zugunsten des Hallensports aus. Zunächst spielte er in der D-Jugend der SGH St. Ingbert-Hassel, seit der C-Jugend für den SV 64 Zweibrücken auf höchstem Niveau. Mit der B-Jugend stand er im Halbfinale der Deutschen Meisterschaft und als A-Jugendlicher wurde er sowohl in der Jugend-Bundesliga als auch im Senioren-Drittliga-Team eingesetzt. „Natürlich ist es schwierig, die Jungs, mit denen ich seit der Jugend groß geworden bin und mit denen ich meine bisher größten Erfolge gefeiert habe, zu verlassen", gibt Schwarzer zu und ergänzt: „Dieser Verein ist einfach eine Superfamilie, die man nicht so leicht vergessen kann." Und dennoch ist die Zeit gekommen, sich abzunabeln.
„So ein Papa ist ein Privileg"
Das gilt auch mit Blick auf das Elternhaus in Niederwürzbach. Privat wie auch sportlich. Vater Christian ist nämlich nicht nur Kians Mentor, sondern war in der Vergangenheit auch lange sein Trainer. In der A-Jugend-Bundesliga oder als Jugendkoordinator beim Handballverband Saar in der Landesauswahl. Auch jetzt noch trainieren die beiden zweimal pro Woche individuell. „Ich sehe es als Privileg, so einen Papa zu haben", sagt Kian voller Stolz und ist sich darüber bewusst, dass nicht jedes Sporttalent seine Fragen und Erfahrungen am Küchentisch mit einem Weltmeister teilen kann. Druck auf ihn und seine Leistung hat er durch die Prominenz seines Vaters nie gespürt. Auch ist es den beiden gelungen, die jeweiligen Rollen zu trennen: „Das Verhältnis von Vater zu Sohn ist ein anderes als das zwischen Spieler und Trainer. Natürlich wird er in der Halle schon mal lauter. Man weiß auch, dass der eigene Vater einen vielleicht kritischer sieht als andere und etwas mehr erwartet als von allen anderen", berichtet Kian Schwarzer und ergänzt: „Ich konnte mich damit immer gut arrangieren und motivieren. Für mich war Kritik ein Anreiz, immer besser sein zu wollen als alle anderen." Das ist ihm bisher ganz gut gelungen.
In Lemgo wird Schwarzer nicht nur sein Sportökonomie-Studium fortsetzen, sondern auch die erste eigene Wohnung beziehen. Wäsche waschen und kochen kann er schon. Nach eigenen Angaben. „Das übernehme ich ja auch, wenn meine Eltern mal in Urlaub sind", sagt er und ergänzt mit einem Augenzwinkern: „Außerdem gibt es dort ja auch noch meinen Lieblings-Italiener Amadeo – und zur Not auch ein McDonald’s." Sofern er das populäre Schnellrestaurant nicht allzu oft aufsucht, stehen Kian Schwarzer alle Wege offen, sein großes Ziel zu erreichen. „Ich will erst einmal von den besseren Spielern lernen, mich in jedem Training weiterentwickeln und jede Sekunde Spielzeit, die ich bekomme, nutzen."