Nach durchwachsener Leistung nimmt Hertha BSC einen Punkt aus dem Derby bei Union mit – am Samstag geht es nun zu Hause gegen Borussia Mönchengladbach.
Für gewöhnlich hat ein Fußballclub keine sportliche Rechnung mit einem anderen offen, den er im Hinspiel besiegt hat – selbst, wenn es sich um ein Derby handelt. Das war diesmal jedoch im Duell der beiden Berliner Bundesligisten etwas anders: Hertha BSC ging trotz des 3:1-Erfolgs im Dezember 2020 zusätzlich motiviert in die Partie gegen den 1. FC Union, denn die Kommentare vonseiten der Köpenicker nach der letzten Begegnung, sie klangen noch in den Ohren der Spieler und Verantwortlichen auf blau-weißer Seite nach. Früh war Union damals im Olympiastadion in Führung gegangen – verlor dann aber Robert Andrich durch Platzverweis und anschließend auch die Partie noch mit 1:3. So hielt sich in den Reihen der „Eisernen" nach Schlusspfiff hartnäckig die Einschätzung, das Derby wäre anders verlaufen, wenn es in Gleichzahl über die Bühne gegangen wäre. Auf Seiten von Hertha BSC hätte man mit Gleichgültigkeit darauf reagieren können, doch die Kommentare des Kontrahenten waren sicher nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Vor allem die Ungeniertheit der Aussagen nagte jedoch am Selbstverständnis des „Platzhirsches" in der Hauptstadt, der seinerzeit zudem ja trotz des Erfolgs auch immer noch fünf Punkte hinter dem „Newcomer" in der Tabelle stand. Und wie sich im weiteren Verlauf herausstellen sollte, wurde das Selbstbewusstsein bei Hertha BSC durch den Dreier im Prestigeduell dann auch keineswegs so gestärkt, wie man gehofft hatte. Im Gegenteil: Die sich fortsetzende sportliche Misere führte schließlich auch dazu, dass der Lokalrivale vor dem Spiel am Ostersonntag bereits 14 Punkte vor Hertha BSC rangierte. Die innerhauptstädtische Meisterschaft war somit aus blau-weißer Sicht in der Abschlusstabelle schon nicht mehr zu gewinnen – sondern nur noch im direkten Vergleich.
Lokalrivale in der Tabelle 14 Punkte vor Hertha BSC
Immerhin konnten Pal Dardai und seine Schützlinge mit gestärktem Selbstbewusstsein in die Partie gehen: Das überzeugende 3:0 gegen Bayer Leverkusen im letzten Spiel vor der Ligapause war Balsam für die geschundene Seele. Dazu kehrten die für ihre jeweiligen Auswahlen aktiven Nationalspieler zum größten Teil ohne nennenswerte Blessuren zurück – allerdings musste Herthas Trainer kurzfristig auf Torwart Rune Jarstein verzichten, der sich offenbar auf der Länderspielreise mit dem Coronavirus infiziert hatte. Für den Norweger kehrte Alexander Schwolow, der unter Dardai seinen Status als Nummer eins verloren hatte, zwischen die Pfosten zurück. Auch Marton Dardai stand seinem Vater in der zuletzt erprobten Dreierkette nicht zur Verfügung, wegen Knieproblemen musste er passen. Seinen Platz in der Abwehr neben Lukas Klünter und Niklas Stark nahm Jordan Torunarigha ein. Die Reservistenrolle von Sami Khedira war dazu positiv zu bewerten, denn der Weltmeister von 2014 stand trotz gerade auskuriertem Muskelfaserriss in der Wade schon wieder im Kader für das Derby, weil er zuvor eine überzeugende Trainingswoche absolviert hatte. In der Schlussphase kam Khedira an seinem 34. Geburtstag sogar noch als Stabilisator zum Einsatz. Trotz ordentlicher Vorzeichen fand Hertha BSC nämlich nur phasenweise gut ins Hauptstadtderby hinein und kassierte bereits früh den Gegentreffer durch Andrich, bei dem die Abwehr gleich zweimal nicht konsequent genug den Zugriff bekam. Kurz darauf schon präsentierte sich die blau-weiße Defensive ein weiteres Mal indisponiert und war bei Julian Ryersons Lattenschuss im Glück. Danach kamen Dardais Schützlinge zwar besser ins Spiel – aber erst die Gelbe Karte für Matteo Guendouzi wegen einer Rangelei mit Unions Grischa Prömel nach knapp einer halben Stunde war, so der Eindruck, der endgültige Derby-Weckruf für die Gäste. Der streitlustige – und bisweilen auch umstrittene – Franzose erzwang wenig später dann auch den Foulelfmeter, der zum wichtigen Ausgleichstor führte: Dodi Lukebakio bewies dabei einmal mehr seine Qualität als „Mann ohne Nerven" vom Punkt.
Nicht unverdient also, das Remis zur Halbzeit – was danach passierte, war für Pal Dardai aber einmal mehr nur mit „Kopfsache" zu erklären. Keine einzige Torchance hatte sein Team im zweiten Durchgang und beschränkte sich lediglich auf das Verteidigen des 1:1. In der Kabine hatte der Ungar allerdings mehr Aktivität verlangt und sich schon über die schwache Anfangsviertelstunde beschwert. Nach 60 Minuten aber war dann auch in Herthas Coach die Einsicht gereift, mehr auf Absicherung zu setzen. Einmal mehr gefiel ihm das Spiel gegen den Ball auf den Außenbahnen nicht, weshalb Dardai das System umstellte und mit Santiago AscacÃbar einen weiteren defensiven Mittelfeldspieler für Lukebakio einwechselte. Am Ende brachte Hertha BSC so den Punkt relativ ungefährdet über die Runden. Allerdings zeigte sich auch, dass die Mannschaft längst noch nicht gefestigt genug ist, um bei jedem Spiel eine Leistung wie gegen die – obendrein kriselnden – Leverkusener abzurufen. Somit ist der Punkt in Köpenick durchaus als Gewinn einzuordnen, gerade angesichts der insgesamt durchwachsenen Vorstellung. Wenn trotzdem immer auch mal ein Zähler nach einer solchen Partie abfällt, so ist der Klassenerhalt jedenfalls erreichbar – die „künstlerische Note" wird in dieser Spielzeit hingegen nur dann bei Hertha zum Tragen kommen, wenn der eigene Kopf mitspielt und der Gegner seine persönlichen Probleme zu wälzen hat.
Punkt in Köpenick durchaus als Gewinn einzuordnen
Nun kommt mit Borussia Mönchengladbach am Samstag (10. April um 15.30 Uhr) eine Mannschaft ins Olympiastadion, die in der Hinrunde noch als Topteam einzustufen war. Zwischenzeitlich waren die „Fohlen" infolge des Theaters um den Wechsel von Trainer Marco Rose (nächste Saison bei Borussia Dortmund) aber gewaltig aus dem Tritt geraten: Ein einziges Pünktchen nur hatten die Gladbacher seit Anfang Februar in acht Bundesligaspielen holen können. Zuletzt aber sorgten Dreier gegen den FC Schalke 04 sowie den SC Freiburg zumindest wieder für eine gewisse Stabilisierung am Niederrhein. Zählbares ist jedoch für Hertha BSC auch in diesem Spiel wieder allemal drin – bevor es in den darauf folgenden Wochen unter anderem zum „Showdown" mit allen vier Clubs kommt, die in der Bundesligatabelle aktuell noch hinter den Berlinern stehen.