Aus Kuba nach Kanada und nun in Saarbrücken. FCS-Spieler Kianz Froese hat eine halbe Weltreise hinter sich. Sein Ziel: so hoch wie möglich spielen.
Mit Kuba verbinden deutsche Touristen Sonne, kilometerlange Strände, Zigarren, Rum und Oldtimer. Als Talentschmiede für Fußball-Profis ist die Karibik-Insel bisher nicht hervorgetreten. So darf sich Kianz Froese durchaus als Exot fühlen. Der 24-jährige Mittelfeldspieler des Drittligisten 1. FC Saarbrücken hat in seinem Leben schon mehr erlebt als andere in 80 Jahren. Geprägt hat ihn vor allem sein vor drei Jahren verstorbener Vater Joe. Der war das, was man einen Weltreisenden nennt. „Er hat mit 22 Jahren schon ein Transportunternehmen mit sieben Lkws gehabt und viel Geld verdient. Geld war ihm aber nicht so wichtig. Er war an neuen Dingen interessiert, hat beispielsweise ehrenamtlich Geld für Solaranlagen in Afrika gesammelt." Froese senior verschlug es nach Kuba, dort hatte er gute Kontakte zur Politik. Seine Ansprechpartnerin war die engste Mitarbeiterin der Ehefrau des Raúl Castro, Präsident von Kuba zwischen 2008 und 2018. Ein paar Jahre später heirateten sie. Aus der Ehe stammen zwei Kinder, eines davon wurde auf den Namen Kianz Gonzales getauft. „Als ich ein Jahr alt war, sind meine Eltern nach Kanada gezogen. Dennoch haben wir jährlich zwei, drei Monate bei unserer Familie auf Kuba verbracht. Meine Mutter hatte immer ein bisschen Angst, dass ich von der Mentalität her zu kanadisch werden", erzählt Froese lachend.
„Ich spiele nicht primär, um Geld zu verdienen"
Dass er Fußballer wurde, hat er aber seinem Vater zu verdanken. In Kuba ist Baseball Nationalsport, in Kanada ist Eishockey die Nummer eins. „Aber mein Papa fand Eishockey zu rustikal und Baseball hat ihn nicht so interessiert. Also bin ich Fußballer geworden", sagt der 24-Jährige. Dass er als Nachwuchsspieler zwischen Kanada und Kuba pendelte, merkt man übrigens bis heute. FCS-Trainer Lukas Kwasniok bescheinigt seinem Schützling, dass er „spielerisch Bundesliga-Potenzial" habe, „vom Taktischen her aber noch lernen müsse. Froese hat dafür eine ganz einfache Erklärung: „In Kuba sind die Strukturen für einen jungen Spieler natürlich nicht so, wie man sie aus Europa gewöhnt ist. Und in Kanada ist Fußball bis heute eher eine Randsportart. Man sagt ja, dass kanadische Talente, was das Taktische angeht, einen Rückstand von fünf, sechs Jahren im Vergleich zu den Europäern haben." Doch mit der Einführung der Profiliga ist auch in Kanada Professionalität eingezogen. Froese schaffte es bei den Vancouver Whitecaps in die Erste Mannschaft, spielte teilweise vor 60.000 Zuschauern und verdiente erstmals in seinem Leben gutes Geld. Eine Zeit, die ihn bis heute geprägt hat. „Ich liebe es, den Ball am Fuß zu haben. Egal, ob es im Training oder im Spiel ist. Ich spiele nicht primär, um Geld zu verdienen. An dem Tag, an dem es mir keinen Spaß mehr macht, höre ich auf." Die Zeit als Fußballprofi sieht er als Vorsprung für das weitere Leben. „Wir verdienen normalerweise mehr als Gleichaltrige und diesen Vorteil muss man für sich nutzen", sagt Froese und hat diese Prämisse längst für sich umgesetzt. In Toronto ist er Teilhaber an einem Steakhouse, ihm gehören Anteile an einer Kaffeeplantage, und in eine App hat er ebenfalls investiert. Doch derzeit liegt der Fokus auf dem Fußball. Vor vier Jahren wagte Froese den Sprung nach Europa, absolvierte unzählige Probetrainings und bekam schließlich einen Vertrag bei Fortuna Düsseldorf. Was zunächst aussah, als würde sich ein Traum erfüllen, gestaltete sich schwieriger als gedacht. Zunächst erkrankte sein Vater schwer, dann zerbrach die Beziehung zu seiner langjährigen Freundin. „Auf einmal war ich alleine in Deutschland, das war nicht ganz so einfach." Als er bei der Fortuna den Anschluss an den Profikader geschafft hatte, verletzte er sich am Syndesmoseband. „Der damalige Trainer Friedhelm Funkel hat mir gesagt, dass ich eine Chance erhalte, wenn ich bis zur Vorbereitung wieder fit bin. Aber das habe ich nicht geschafft", erzählt Froese, der über einen Zufall nach Saarbrücken kam. Der ehemalige Sportdirektor Marcus Mann wurde über den früheren FCS- und Fortuna-Profi Christian Weber auf ihn aufmerksam, der heute als Scout in Düsseldorf arbeitet. „Als mein Berater anrief und mir vom Interesse des FCS erzählte, habe ich auf der Karte nachgeschaut und gesehen, dass Saarbrücken in der Nähe zu Städten wie Frankfurt, Luxemburg oder Paris liegt. Also habe ich nicht mehr lange überlegt."
In Vancouver spielte er vor 60.000 Zuschauern
In der vergangenen Saison war der offensive Mittelfeldspieler die positive Überraschung. In allen Pokalspielen war er im Einsatz, spielte vor allem gegen den 1. FC Köln und gegen die Fortuna richtig stark. Doch in dieser Spielzeit hat er es bislang selten in die Startelf geschafft. Coach Kwasniok bezeichnet Froese gern mal als „besten Einwechselspieler der Liga". Ein Lob, dass Froese nur bedingt als solches empfindet. „Für euch Journalisten mag das witzig sein, aber ich mag diese Einschätzung nicht so. Als Profi willst du doch immer von Beginn an spielen", sagt Froese und verweist auf seine Quote. „Gemessen an meinen Spielminuten bin ich eigentlich ganz zufrieden, was Torbeteiligungen angeht, und ich bemühe mich, dass ich in in jedem Training besser werde."
Sein Vertrag läuft im Sommer aus. Bisher hat noch niemand der FCS-Verantwortlichen mit ihm gesprochen. Anfragen anderer Vereine gibt es jedoch schon, vor allem aus der Regionalliga. „Aber diesen Schritt möchte ich eigentlich nicht mehr gehen. Das Ziel eines Profis muss es sein, so hoch wie möglich zu spielen. Ich will meine Grenzen finden. Aber ich fühle mich in Saarbrücken sehr wohl", sagt der Globetrotter, der den monatelangen Lockdown überraschenderweise nicht als Belastung empfunden hat. „Es ist eine gute Gelegenheit zu sich zu finden und zu überlegen, was einem wichtig ist. Ich habe auch sehr viel gelesen. Aber ich muss schon zugeben, dass die Möglichkeit zu reisen sehr fehlt. Ich bin gern an verschiedenen Orten und möchte so viel wie möglich von der Welt sehen", sagt der Weltenbummler und ist ganz gelassen, was seine Zukunft angeht: „Irgendwo wird im Sommer ein Platz für mich sein." Wenn es in Saarbrücken wäre, hätte er jedenfalls nichts dagegen.