Arminia Bielefeld steht sowohl sportlich als auch finanziell vor einer schwierigen Phase. Nach der Freistellung des Aufstiegstrainers geht es nur gegen den Abstieg – das Loch in den Kassen wächst immer weiter.
Bei einem genauen Blick auf die Ostwestfalen aus Bielefeld wird klar, dass mit einem wundergleichen Aufstieg in die Bundesliga nicht gleich alle Sorgen verschwinden – oder ganz neue auftreten. In den vergangenen Monaten brodelte es hinter den Kulissen gewaltig. Die Hauptakteure: Sportdirektor Sami Arabi und Aufstiegstrainer Uwe Neuhaus.
Schleichende Entfremdung
Neuhaus soll sich kommunikativ immer weiter vom Sportdirektor abgekapselt haben und Arabi bei seinen Gedanken und Überlegungen fast schon ausgegrenzt haben. Als Cheftrainer steht ihm das zu, in der Phase des Misserfolgs war dieses Vorgehen aber nicht gerade oft von Erfolg gekrönt. Wie bereits seit einigen Wochen klar ist, saß bei diesem Streit Arabi am längeren Hebel. Schon vor Weihnachten soll es zudem schon Debatten über eine Entlassung von Neuhaus gegeben haben, als die Mannschaft von neun Spielen ganze acht verloren hat. Der Sieg auf Schalke hat Neuhaus damals vor der Freistellung bewahrt. Als der Verein dann erneut in eine ähnlich prekäre Lage rutschte, gab es für den Sportdirektor keine andere Möglichkeit als die Reißleine zu ziehen.
In der offiziellen Erklärung des Vereins wurde auch indirekt eine Begründung für die Trennung geliefert: „Wir sind Uwe Neuhaus sehr dankbar dafür, dass er die Mannschaft in einer schwierigen Situation im Tabellenkeller übernommen und innerhalb von anderthalb Jahren aus Abstiegsgefahr zum Bundesliga-Aufsteiger entwickelt hat", hieß es in einer Mitteilung des Clubs. Im Rahmen der strategischen Zukunftsplanung und unabhängig vom Abschneiden in dieser Saison hatte man allerdings bereits beschlossen, im Sommer einen Trainerwechsel vorzunehmen. Der Charakter eines Ausbildungsclubs soll geschärft, talentierter Nachwuchs intensiver gefördert werden. „Aufgrund der aktuellen Entwicklungen", ergänzte Sportchef Arabi, „haben wir jetzt entschieden, diesen Wechsel vorzuziehen." Man wolle der Mannschaft so „noch einmal einen besonderen Impuls geben". Nachfolger wurde dann der 48-jährige Frank Kramer, der zuletzt das Nachwuchsleistungszentrum von RB Salzburg leitete und vorher schon bei Greuther Fürth und Fortuna Düsseldorf auf der Bank gesessen hatte.
Arabi ist nun schon seit zehn Jahren im Amt und hat den Club nach drei Jahren 3. Liga und sechs Jahren Zweiter Liga in die Erste Liga geführt. Damals war mit Neuhaus noch alles im Reinen. Der 61-Jährige trat sein Amt im Dezember 2018 an, nachdem ihm zuvor Aufstiege mit Rot-Weiss Essen (2006), Union Berlin (2009) und Dynamo Dresden (2016) gelungen waren. In der vergangenen Aufstiegssaison führte er die Arminia überraschend zur Meisterschaft und den Club nach elf Jahren in die Bundesliga. Bei den Spielern, aber auch bei den Fans war Neuhaus sehr beliebt. Für Arabi hingegen wurde es nach dem Aufstieg nicht unbedingt leichter, mit ihm zu arbeiten. Um die menschlichen Unterschiede sei es dabei nie gegangen, vielmehr um das Wohl des Vereins – das hatte Arabi schon fast gebetsmühlenartig betont. Doch allgemein gab es auch unterschiedliche sportliche Ansichten, die nicht wegzudiskutieren sind. Hierbei ging es vor allem um die Startelf und die spielerische Ausrichtung. Das ist nichts Neues, in der Beziehung zwischen Sportdirektor und Cheftrainer zählt genau das zu den häufigsten Erscheinungen.
Im Fall von Arminia Bielefeld ist Fabian Klos das Paradebeispiel für die unterschiedliche Meinung der beiden Akteure. Dass der Stürmer, der genau so lange wie Arabi bei der Arminia ist, so etwas wie eine Stammplatzgarantie besaß, soll dem Sportdirektor nicht geschmeckt haben. Neuhaus setzte fast durchgehend auf den Aufstiegshelden, der auch bei den Fans einen gewissen Legendenstatus innehat.
Gegenentwurf Kramer
Der neue Trainer Frank Kramer kommt dann bei genauerer Betrachtung als kompletter Gegenentwurf des lebenserfahrenen und aus seinem Fundus schöpfenden Neuhaus daher. Nach seinen eher weniger erfolgreichen Stationen in der 1. und 2. Bundesliga, ging er auf eine Art „Bildungsreise", übernahm etliche Jugend-Nationalmannschaften des DFB und war zuletzt bei RB Salzburg tätig, um sich den offensiven Spielstil der Institution zu eigen zu machen und zu adaptieren. Den Trend konnte der Fußballlehrer aber bisher noch nicht stoppen. Die Arminia wartet weiter auf den langersehnten Befreiungsschlag.
Einen Befreiungsschlag erhoffen sich die Ostwestfalen auch auf der finanziellen Seite. Während der sportliche Klassenerhalt alles andere als greifbar nah ist, so muss sich die Arminia zumindest keine Sorgen um die Lizenzierung machen. Dennoch tun sich ohne externe Hilfe trotz eines Jahres in der Bundesliga gravierende Finanzlücken auf. Da habe es schon „ganz, ganz andere Zeiten in Bielefeld und schlaflose Nächte gegeben" erinnert Samir Arabi aber an Jahre, in denen Arminia den späteren Erhalt der Lizenz für eine kommende Saison beinahe feierte wie andere die Meisterschaft oder den Pokalsieg. Inzwischen sei das anders, so der Sportchef kurz vor Ablauf der Frist für die Einreichung der Unterlagen bei der DFL. „Wir haben uns Jahr für Jahr weiterentwickelt, sind stabiler geworden, und es ist auch dieses Jahr so, dass wir schon fertig sind und nicht so eine Punktlandung auf die letzte Minute abliefern." Man habe für beide Szenarien, also Erste wie Zweite Liga, alles schon erledigt, so Arabi, der Zuversicht ausstrahlt: „Die Lizenz werden wir für beide Ligen erhalten, davon gehe ich aus. Auch wenn wir natürlich klar in der Bundesliga an den Start gehen wollen."
Corona reißt ein großes Loch in die Kasse
Sollte der Klassenerhalt gelingen und dieser entsprechend garantiertes Geld einer weiteren Erstligaspielzeit in die klammen Kassen spülen, würde sich die finanzielle Lage der Ostwestfalen merklich entspannen. „Die Situation ist dramatisch", heißt es in einem Aufruf zur Unterstützung seitens der Geschäftsführung an Kunden, die hochwertige „Hospitality-Plätze" für Heimspiele in der laufenden Saison gebucht haben. Kernaussage des Rundschreibens: „Alleine können wir nicht verhindern, dass der DSC gut zwei Jahre nach seiner wirtschaftlichen Gesundung erneut zum Sanierungsfall wird!" Denn während der Aufstieg in die Erste Liga im vergangenen Sommer den 2017 kurz vor der Insolvenz stehenden Verein noch vor einem abermaligen Abrutschen in die roten Zahlen bewahrte, verschlechterten sich die Verhältnisse durch die Corona-Pandemie und die fehlenden Zuschauereinnahmen, obwohl der Verein höchst zurückhaltend kalkulierte. Mit der Annahme, dass auch in dieser Saison keine Zuschauer mehr in Fußballstadien zugelassen werden, rechnet die Arminia mit fehlenden Einnahmen von zwölf bis 15 Millionen Euro. Zwar habe man den Lizenzspieleretat mit dieser Aussicht bereits im Vergleich zur ursprünglichen Planung um vier Millionen Euro reduziert. Doch zu erwartende Rückzahlungen an Fans, die bereits eine Dauerkarte erworben hätten, sowie an jene rund 300 Unternehmen aus dem Hospitality-Bereich führen nach Vereinsangaben zu einem „unkalkulierbaren Risiko von über sechs Millionen Euro", so schreibt es der „Kicker".
Durch ein striktes Sparprogramm, dem Investitionsstopp und Gehaltsverzicht bei Spielern und Geschäftsführern hat der Verein auf die bestehende Problematik reagiert. Auch die Stadiongesellschafter verzichten auf erhebliche Teile der Miete. All diese finanziellen Unabwägbarkeiten, die noch auf die Arminia zukommen, wären zu handeln, wenn Frank Kramer das Kunststück des Klassenerhalts gelingen würde. Jedoch ist sportlicher Erfolg selten planbar. Sollte die Arminia den Weg in die Zweitklassigkeit wieder antreten müssen, wäre das keine Katastrophe, denn an dem Weg, den Verein zu einem Ausbildungsverein zu machen, würde das nur bedingt etwas ändern.