Besonders in Deutschland wurde die Vielseitigkeit des vor 100 Jahren geborenen Peter Ustinov geschätzt. Als Schauspieler war er oscarprämiert, machte aber auch als Regisseur, Opern- oder Theater-Impressario, Buchautor, Entertainer und bekennender Kosmopolit von sich reden.
Eigentlich war ihm allein schon wegen seiner Körperfülle die Rolle des Kaisers Nero im Monumentalopus „Quo vadis?" geradezu auf den Leib geschnitten. Zur Veranschaulichung von lustvoller Dekadenz und sinnlicher Gaumenfreuden des antiken Roms auf der Leinwand war 1951 kaum ein Schauspieler besser geeignet als Peter Ustinov. Dennoch konnten sich die mächtigen Verantwortlichen des Hollywood-Studios MGM monatelang nicht so recht entscheiden, ob sie dem im fernen Britannien bereits recht bekannten Mimen sein erstes Engagement in der Traumfabrik zu ermöglichen. Für das Empfinden der Amerikaner hatte der damals 30-jährige Schauspieler bei den Probeaufnahmen viel zu jung und zu pausbäckig gewirkt.
Um diese Bedenken auszuräumen, ließ Ustinov einen süffisanten Kommentar nach Kalifornien telegrafieren: „Wenn ihr noch länger wartet, bin ich zu alt. Nero starb nämlich mit 31 Jahren." Daraufhin bekam Ustinov die Rolle und konnte dieses Geplänkel seinem ständig wachsenden Füllhorn biografischer Anekdoten beifügen. Mit solchen oder ähnlichen Geschichten riss er zeitlebens das Publikum als begehrter Talkshowgast, begnadeter TV-Conferencier oder bei seinen Touren als komischer Alleinunterhalter immer wieder zu regelrechten Begeisterungsstürmen hin. Wer von Kind auf gelernt hatte, sich ständig gegen das Mobbing seiner Klassenkameraden wegen seines Übergewichts zu wehren, dem machte es später auch nichts mehr aus, die Geschichte von seinem ersten schulischen Bühnenerlenis als rosafarben verkleidetes, grunzendes Schweinchen zu erzählen. „Ich begann, über mich selbst zu lachen", erzählte Ustinov, „um den anderen zuvorzukommen."
Peter Ustinov sprach sechs Sprachen fließend
Angesichts der Vielseitigkeit seiner künstlerischen Interessen lässt sich Peter Ustinov nicht in eine Schublade stecken. Man könnte ihn als Tausendsassa bezeichnen, was fraglos besser zu ihm passen dürfte als die häufiger gebrauchte Charakterisierung als „Universalgenie". Denn nicht in allem, was er anpackte, konnte er das hohe Qualitätslevel wie in seiner Profession als Schauspieler oder als Opern-Regisseur erreichen. So war ihm nach eigenem Bekunden die Schriftstellerei zwar enorm wichtig, doch wurde ihm von Kritikern speziell auf diesem Feld „eine gewisse Langatmigkeit und Geschwätzigkeit" bescheinigt, wie es der „Spiegel" einmal angemerkt hatte.
Das scherte Ustinov allerdings nicht. Er schrieb vier Romane, zwei Novellen, zwei Karikaturbände, 18 Erzählungen und Essays, drei Sachbücher, eine Autobiografie sowie nicht zuletzt 21 Theaterstücke und 13 Drehbücher. Lob aus berufenem Munde konnte er immerhin für die Theaterkomödie „Beethovens Zehnte" 1983 und den Roman „Monsieur René" 1998 einheimsen. Über seine Malerei wurde hingegen kaum ein Wort verloren, wohl aber über seine bühnenbildnerische Begabung.
Ustinov sprach fließend fließend Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch, Russisch sowie Spanisch und verfügte über passable Kenntnisse in Griechisch und Türkisch. Entsprechend übernahm Ustinov häufig die Synchronisierung seiner eigenen Filmrollen und fand auch noch Zeit für Hörspielproduktionen. Seine Diskografie listet rund 20 Titel. Dass er es neben all diesen Aktivitäten auch noch geschafft hatte, sich sozial stark bei Unescso und Unicef zu engagieren, jahrzehntelang Vorsitzender der gemeinnützigen Weltföderalisten-Union zu sein, die Einrichtung von Lehrstühlen für Vorurteilsforschung zu initiieren und nach kurzzeitiger Amtszeit als Rektor der Universität Dundee auch noch zwölf Jahre lang als Kanzler der Universität Durham zu fungieren, kann als mehr als beachtliche Leistung eingestuft werden. Nur wenige böse Zungen warfen Ustinov vor, sich zu sehr verzettelt zu haben, statt sich auf seine Stärken in der Schauspielerei oder als Opern-Impressario mit ab 1962 beginnenden Engagements in den größten Häusern der Welt zu konzentrieren. In der Hamburgischen Staatsoper stellte Ustinov 1971 sogar sein Singtalent als Papageno in Mozarts „Zauberflöte" unter Beweis.
„Bin ethnisch schmutzig und sehr stolz darauf"
Auf ein rundum erfolgreiches Leben fielen nur wenige Schatten, zu denen zwei gescheiterte Ehen mit aus den Scheidungen resultierenden kurzfristigen Schulden gehörten. Erst mit der dritten Gattin, der französischen Schriftstellerin Hélène du Lau d’Allemans, die er 1971 geheiratet hatte und mit der er als Wahlschweizer bis zu seinem Tode in einem im Winzerdörfchen Bursins gelegenen Anwesen am Genfersee lebte, fand er sein privates Glück. „Sie hat mich, heimlich, still und leise, so verändert", sagte Ustinov, „dass ich jetzt fast der Mensch bin, der ich immer werden wollte." Für seine vier Kinder aus den beiden ersten Ehen hatte er sich das alleinige Sorgerecht zusprechen lassen.
Die von ihm selbst später präferierte Weltbürgerschaft wurde dem am 16. April 1921 in London als Peter Alexander Baron von Ustinov geborenen Kind gleichsam in die Wiege gelegt. Sein Vater Jona, ein als Presseattaché an der deutschen Botschaft in London tätiger Journalist, war Nachkomme eines nach Deutschland ausgewanderten Russen, seine Mutter Nadeschda Benois, eine französische Bühnenbildenerin, hatte französische, italienische und äthiopische Vorfahren. „Ich bin ethnisch sehr schmutzig und sehr stolz darauf", sollte Ustinov immer spielerisch postulieren. „Ich wurde in St. Petersburg gezeugt, in London geboren und in Schwäbisch Gmünd evangelisch getauft."
Er brach den Besuch einer Eliteschule 1937 nach drei Jahren ab, um sich im London Theatre Studio zum Schauspieler ausbilden zu lassen. Schon ein Jahr später gab er sein Bühnendebüt in der Komödie „Der Waldteufel", begann mit dem Schreiben von Theaterstücken und wurde mit eigenen Sketchen auf den Brettern des Londoner Player’s Theatre Club schnell eine bekannte Lokalgröße. Seine erste winzige Filmrolle ergatterte er 1940 in dem Streifen „Hullo, Fame!". 1942 wurde sein erstes Theaterstück „Haus des Kummers" im Londoner Arts Club uraufgeführt.
Zwei Oscars bei vier Nominierungen
Seine unvermeidliche Einberufung zum Kriegsdienst 1942 nutzte er schauspielerisch durch den Eintritt in eine britische Propaganda-Film-Abteilung. Im Film „The Goose Steps Out" hatte er sich 1942 erstmals einen größeren Schauspiel-Part ergattern können. Für den 1943 fertiggestellten Streifen „The New Lot" fungierte er erstmals als Drehbuchschreiber. Nach Kriegsende zeichnete Ustinov bei „School for Secrets" 1946 erstmals für Regie, Produktion und Drehbuch verantwortlich. Bis zum Ruf aus Hollywood steigerte Ustinov, der seinen Adelstitel längst abgelegt hatte, seinen Bekanntsheitgrad in England durch diverse Film- und Theaterproduktionen immer weiter. Mit „Quo vadis?" aber gelang ihm der internationale Durchbruch, die Darstellung des Kaisers Nero brachte ihm einen Golden Globe und auf Anhieb eine Oscar-Nominierung. Bis zu Stanley Kubricks Monumentalfilm „Spartacus" 1960, der Ustinov im Folgejahr seinen ersten Oscar als bester Nebendarsteller für seine Rolle des Sklavenhändlers Lentulus Batiatus einbrachte, war der Schauspieler an acht Hollywood-Filmen beteiligt, darunter „Lola Montez", „Wir sind keine Engel", „Beau Brummel – Rebell und Verführer" (alle 1955) oder „Der Narr und die Tänzerin" 1956. Gleichzeitig konnte er Erfolge mit eigenen Theaterstücken feiern, sein „Romanoff und Julia" erhielt am New Yorker Broadway glänzende Kritiken und wurde mit zwei Nominierungen für die Tony Awards belohnt.Auch den zweiten Oscar gab es 1965 wieder für eine Nebenrolle, für die Darstellung des Trickdiebes Arthur Simon Simpson in der Komödie „Topkapi". In seinen insgesamt acht Hollywood-Regiearbeiten widmete sich Ustinov am liebsten dem Genre Literaturverfilmung, wobei ihm mit der Kino-Adaption von Herman Melvilles Novelle „Billy Budd" 1962 der größte Wurf gelang. In bester Erinnerung dürfte beim breiten Publikum Ustinovs Rolle als Meisterdetektiv Hercule Poirot sein, den er unter anderen in den Streifen „Tod auf dem Nil" 1978 oder „Das Böse unter der Sonne" 1982 gespielt hatte und in dessen Figur er meisterhaft tragische und komische Elemente miteinander zu verknüpfen wusste.
Ustinov hatte als Hollywood-Star, der 1990 wegen seines sozialen Engagements von Queen Elizabeth in den Ritterstand erhoben wurde, auch keinerlei Berührungsängste mit dem Fernsehen, was sich in rund 30 TV-Produktionen niederschlug. Seine komödiantische Vorliebe zeigte er dabei gern in Kinderfilmen wie „Der Dieb von Bagdad" 1978 oder „Alice im Wunderland" 1999. Sein letzter von insgesamt 55 Kinofilmen wurde 2003 veröffentlicht, als er im Streifen „Luther" den Kurfürsten Friedrich der Weise spielte. Gesundheitlich war er damals schon schwer angeschlagen, er litt an Diabetes und Ischialgie. Am 28. März 2004 erlag er kurz vor seinem 83. Geburtstag in einer Privatklinik bei Genf einem Herzversagen.