Elektroantrieb, SUV, großer Innenraum: Der neue Ford Mustang Mach-E bricht mit der Tradition einer Ikone. Doch immerhin dessen Sportsgeist rettet er ins neue Ford-Zeitalter, das bald ohne V8 und Verbrennungsmotoren auskommen soll.
Wir sitzen im neuen Ford Mustang, müssen aufs Grün rangieren und erst einmal eine Propellermaschine vorbeilassen. Das Sportflugzeug knattert an uns vorbei und zuckelt auf dem sich zuspitzenden Asphaltstreifen dem Horizont entgegen, bis wenig später der Motor aufheult und die Maschine in den blauen Himmel steigt.
Dass man sich als Autofahrer mit einem Flugzeug die Startbahn teilen muss, kommt nicht alle Tage vor. Ähnlich selten ist, dass ein Autohersteller versucht, einen Mythos aus der alten V8-blubbernden Welt der Verbrennungsmotoren ins angebrochene Elektrozeitalter zu übertragen. „In zehn Jahren werden wir vielleicht als Pioniere dastehen, die mit dem Mustang eine neue Ikone geschaffen haben", hofft Matthias Tonn, Chefingenieur für Importfahrzeuge bei Ford Europe.
Mach-E, diesen nach Aeronautik und Überschallgeschwindigkeit klingenden Beinamen hat Ford dem neuen Elektro-Mustang gegeben und zu dessen Präsentation auf dem Flugplatz Schönhagen südlich von Potsdam sicherheitshalber eine Startbahn gemietet. „Das Auto hat einiges, was es schwierig macht, es auf öffentlichen Straßen zu testen", meint Ralph Caba, Direktor Öffentlichkeitsarbeit der Ford-Werke in Köln.
Der Mustang, das US-Pony-Car, als das ihn die Autowelt seit seiner Premiere von 1964 kennt, ist heute eine Automobil-Ikone. Motorgourmets lieben ihn, den Mythos nährten legendäre Filmauftritte wie in „Bullitt" (1968) als Steve McQueen am Steuer eines Fastback einen Verfolgungsjagd-Overkill hinlegte. Der Mustang, der neue Mach-E, bricht jedoch mit dieser Tradition: statt eines Sportcoupés ein SUV, statt großvolumiger V8-Motoren nur kleinformatige E-Maschinen, statt zwei wirklichen Sitzen ganze fünf, statt Benzin in den Leitungen Hochspannung – all das gab es noch nie in einem Mustang. Es ist ein Experiment, dessen Wunschergebnis Matthias Tonn am liebsten so sähe: „Was der traditionelle Mustang-Kunde erkennt, das ist der Aufbruch in eine neue Zeit."
Ab 2026 nur noch E-Autos und Plug-ins
Ab 2030 will Ford im Pkw-Bereich in Europa nur noch Autos mit reinem E-Antrieb anbieten, wozu Ford kürzlich die Investitionssumme auf 22 Milliarden Dollar verdoppelte. Bereits ab 2026 soll die Modellpalette nur noch aus E-Autos und Plug-in-Hybriden bestehen. Für den Mustang alter Schule wäre damit dann Schluss, zumindest auf dem europäischen Markt. Der neue läutet ein neues Zeitalter ein. Und so versucht Ford neben dem Modellnamen auch andere Merkmale gewinnbringend auf den Mach-E zu übertragen.
Neben dem Emblem mit dem galoppierenden Pferd nennt Tonn die gewölbte Motorhaube, die breite Schulterpartie, die Rückleuchten in Vertikaloptik – auch der sportliche Charakter sei vererbt worden. Klar, der V8-Sound, nach dem „sich an der Tanke alle umdrehen" erklinge nicht mehr, sagt der Ingenieur. „Das ist traditionelle Sichtweise, die ist Vergangenheit."
Beeindruckendes Drehmoment
Einen programmierten V8-Sound gibt der Mach-E als Reminiszenz noch von sich, am lautesten im aggressivsten der drei Fahrmodi, „Temperamentvoll". Wer das albern findet, kann die unwirklichen Fahrgeräusche auf dem riesigen, in Tesla-Manier zentral am Dashboard angebrachten Hochkant-Display aber auch ausschalten. Seine Gegenwärtigkeit zeigt der neue Mustang indes schon von außen. Er wurde als SUV konzipiert, ganz offensichtlich, um im seit Jahren nachhaltig boomenden Segment zu fischen. So könnte er den alten Mustang, von dem in Deutschland 2019 rund 4.150 Exemplare neu zugelassen wurden (Corona-Jahr 2020: 3.437), schon im ersten Verkaufsjahr überrunden. Schätzungsweise bis zu 7.000 Stück könnte Ford noch 2021 absetzen.
Doch Fords Elektropläne sind größer: Das Kölner Ford-Werk soll zu einem Zentrum der E-Mobilität werden, hier sollen E-Fahrzeuge für Europa entwickelt und produziert werden. Der Mach-E wird in Mexiko hergestellt; in Köln soll ab 2023 das erste Volumenmodell vom Band rollen. Es wird auf dem Elektrobaukasten von VW aufbauen, den Ford im Rahmen einer strategischen Partnerschaft mit Volkswagen nutzt.
Bei den Fahrleistungen hängt der neue den alten Mustang – je nach Version und vor allem auf den ersten Metern – jetzt schon ab. Die Startbahn ist frei, das Pedal darf durchgetreten werden. Die Propellermaschine ist nur noch ein Punkt am Himmel, doch auf der Startbahn hätten wir sie überholt. In der schmalen Digitalanzeige hinter dem Lenkrad purzelt die km/h-Anzeige nur so nach oben, vor allem auf den ersten Metern wird einem schier schwummrig. Das Drehmoment als mittlerweile bekannter wie beliebter Fun-Faktor von E-Autos wirkt auch im Mach-E direkt – in der gefahrenen Version AWD mit der Extended-Range-Batterie (88 kWh) ist das mehr als genug.
enn Ende des Jahres die Topversion GT mit einem Maximal-Drehmoment von 860 Nm kommt, dann zersägt der E-Mustang beim Ampelstart nicht nur normale Sportwagen, sondern angesichts von 3,7 Sekunden von 0 auf 100 auch den derzeit stärksten V8-Mustang „Bullitt" (4,6 Sekunden). Abstriche nur in der B-Note: Um die Batterie vor hohem Verschleiß zu schützen, ist die Höchstgeschwindigkeit bei 180 km/h elektronisch begrenzt (GT: 200 km/h).
Vier Versionen hat Ford zunächst in seinem Programm, den Mach-E mit Heckantrieb und Batteriekapazitäten von 68 kWh beziehungsweise 88 kWh. Hinzu kommen die beiden AWD-Versionen, die zusätzlich an der Vorderachse eine E-Maschine montiert haben. Die höchste Reichweite von 610 Kilometern nach dem WLTP-Zyklus verspricht der Mach-E mit Heckantrieb und 88-kWh-Batterie, die geringste von 400 Kilometern der Allradler mit 68 kWh. Zum Vergleich: VW gibt für den kleineren ID.4 520 Kilometer an.
Im Mach-E AWD schafften wir bestenfalls einen Durchschnittsverbrauch von 24 kWh auf 100 Kilometer, hielten uns dabei aber strikt an die Autobahnrichtgeschwindigkeit und widerstanden der Zwischensprint-Verlockung. Zudem hatten wir „One-Pedal-Drive" aktiviert. In diesem Modus, der das Bremspedal fast überflüssig macht, wird viel Verzögerungsenergie in die Batterie zurückgespeist.
Das Auto ist mobilfunk- und W-Lan-fähig und erlaubt Over-the-air-Updates, selbst für Motorsteuerung und Batteriesteuerungsmodul. Zur Berechnung von aktueller Reichweite und Route bezieht das Auto neben dem Fahrverhalten auch Daten aus der Cloud, Wetterprognosen und Ladestationen samt Verfügbarkeiten und Strompreisen entlang der Strecke ein. Routen lassen sich vorab mit dem Handy planen und per App ans Auto schicken. Das Handy fungiert auch als virtueller Schlüssel.
Mehr als zwei Tonnen Gewicht durch die Akku-Pfunde
Wer sich einen Mach-E zulegt, hat über fünf Jahre kostenfreien Zugang zu 165.000 Ladepunkten in 21 europäischen Ländern. Wer die Zellen jedoch möglichst schnell mit frischem Fahrstrom versorgen will, muss zahlen. Dazu bekommen Kunden die Kilowattstunde im Schnellladenetz des Ionity-Verbunds für ein Jahr zum reduzierten Preis von 31 statt regulär 79 Cent/kWh. An einer Schnellladesäule kann der Mach-E mit maximal 150 kW Ladeleistung nachtanken – zum Beispiel sind das nach Ford-Angaben je nach Modellvariante bis zu 119 Kilometer binnen zehn Minuten. Ladekabel sind ab Werk im Lieferumfang, um das Laden zu Hause auf 11 kW zu beschleunigen, bietet Ford eine optionale Wallbox an (599 Euro zuzüglich Installation).
Der Mach-E geriert sich als gut kontrollierbare Wuchtbrumme. Mit gut 4,70 Meter deutlich länger als der ID.4, aber etwas kürzer als der direkte Konkurrent Tesla mit seinem Model Y, dessen Deutschland-Produktion Mitte des Jahres starten soll, ist er ein Schwergewicht mit über zwei Tonnen Leergewicht. Der Dual-Motor im Testwagen hat keine Mühe mit den Akku-Pfunden, die schwerpunktgünstig tief im Boden verstaut sind. Satt liegt das SUV auf der Straße, lässt sich auf dem Flugplatz behänd durch einen Pylonenkurs steuern. Die vorzügliche Traktion des Allradlers lässt sich nur in extremen Fahrsituationen, wie in engen Kurven bei plötzlichem Druck aufs Fahrpedal, kurz austricksen, bevor das ESP regulierend eingreift. Blockiert ist der Schulterblick von der breiten B-Säule, in der viel Technik steckt: Hier lässt sich von außen ein Code zum Öffnen der Fahrertür eingeben.
Warum sollte man zum Ford greifen statt zum Model Y, dem direkten Konkurrenten? Matthias Tonn nennt das Mustang-Design des Mach-E, das „attraktive Preis-Leistungs-Verhältnis" (Model Y startet als Allradler bei 58.620 Euro, der Ford bei 54.000 Euro), die Reichweite, (der Tesla kommt auf maximal 505 Kilometer nach WLTP) und das größere Ladenetz: „Sie haben mehr als nur die Tesla-Supercharger." Andererseits ist das Model Y als Siebensitzer konzipiert. Zur weiteren Konkurrenz lassen sich Modelle wie der Audi e-tron Sportback, Jaguar I-Pace, Mercedes EQC, BMW iX3 oder Skoda Enyaq iV zählen.
Bei der Endgeschwindigkeit ist Teslas Model Y indes mustangartiger als der Mach-E: Er ist fast 250 Sachen schnell. Aber vielleicht gehören solche Endgeschwindigkeiten angesichts wahrscheinlicher werdender Tempolimits auf deutschen Autobahnen ja auch bald der Vergangenheit an.