Vor allem viele jüngere Menschen informieren sich zunehmend über YouTube. Mirko Drotschmann betreibt dort mit dem Kanal „MrWissen2Go" einen der größten deutschsprachigen Bildungskanäle. Er sieht seine Videos als Ergänzung und wünscht sich mehr öffentlich-rechtliche Inhalte auf der Videoplattform.
Herr Drotschmann, seit 2012 bespielen Sie Ihren Youtube-Kanal MrWissen2Go und seit 2016 ebenfalls MrWissen2Go Geschichte. Was hat Sie auf die Idee gebracht, Bildungsinhalte über die Videoplattform zu vermitteln?
Ich habe Youtube zunächst über meine Frau kennengelernt, die schon lange vor mir einen Kanal hatte, und fand es sehr interessant, welche Möglichkeiten die Plattform, abseits vom bloßen Videos ansehen, bietet. An der Uni habe ich dann eine kleine Forschungsarbeit zum Thema Do-it-yourself bei Youtube durchgeführt und dachte mir, es wäre ja eigentlich schön, selbst was zu machen. Nach einiger Bedenkzeit, was ich denn machen könnte, habe ich mich 2012 entschlossen, etwas in die Richtung von Nachhilfe anzubieten, was es in der Form noch nicht auf Deutsch gab.
Nun haben aktuelle Studien ergeben, dass Angeboten auf Youtube in der Regel weniger vertraut wird als den Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Was ist Ihre Meinung dazu?
Ja, das ist tatsächlich so, wobei die öffentlich-rechtlichen Angebote ja auch zunehmend stärker bei Youtube engagiert sind. Ich denke, dass es insgesamt stark auf den einzelnen Anbieter von Inhalten ankommt. Man kann auch nicht sagen, dass das Fernsehen generell weniger vertrauenswürdig ist als Zeitungen. Das sollte man differenziert betrachten. Insgesamt würde ich mir gerne noch mehr Engagement der Öffentlich-Rechtlichen und anderer etablierter Medien wünschen, um zu zeigen, dass es auch vertrauenswürdige Inhalte auf Youtube gibt. Das Netzwerk „Funk" der Öffentlich-Rechtlichen, in dem meine Sendung erscheint, ist da ein Schritt in die richtige Richtung. Sehr wichtig ist es auch, dass man darauf aufmerksam macht, was es für qualitativ hochwertige Angebote gibt.
Ihnen wird von Ihren Zuschauern in großen Teilen vertraut, viele schicken Ihnen Fragen. Wie gehen Sie damit um, Ansprechpartner besonders von jüngeren Menschen zu sein?
Ich versuche meinen Zuschauern immer klarzumachen, dass es nicht reicht, wenn man sich einfach nur ein Youtube-Video zu einem Thema anguckt. Ich versuche zu vermitteln, dass man schon ein bisschen mehr machen muss und man nicht umsonst in die Schule geht. Außerdem ist es mir auch wichtig, immer wieder zu betonen, dass ich kein ausgebildeter Lehrer bin. Ich habe zwar Geschichte studiert, aber nicht auf Lehramt. Ich sehe meine Angebote eher als Ergänzung zum Unterricht, aber auf keinen Fall als Ersatz.
Seit 2017 ist Ihr Format zu einem Angebot von „Funk" geworden, dem Gemeinschaftsangebot der Öffentlich-Rechtlichen ARD und ZDF. Was bedeutet das konkret?
Es hat vor allem zwei Aspekte. Der eine Aspekt ist der Netzwerkgedanke dahinter, dass man also mit einer ganzen Reihe anderer Kanäle kooperieren und sich unterstützen kann. Gleichzeitig bedeutet es auch, dass man die eigenen Produktionen finanziert bekommt, was für ein journalistisches Angebot wie meinem eine große Rolle spielt. Davor war mein Kanal immer ein Verlustgeschäft. Das war am Anfang aber glücklicherweise nicht so dramatisch, da ich auch als freier Journalist gearbeitet habe. Als Dauerlösung war es aber sehr schwierig. Durch „Funk" bekommt meine Produktionsfirma, die Objektiv Media GmbH, ein festes Produktionsbudget, sodass ich auch keine roten Zahlen mehr schreiben muss. Seitdem kann ich außerdem die Videos werbefrei anbieten, was ein Vorteil für die Zuschauer ist.
Wie viele Menschen arbeiten denn mittlerweile an einem Video?
Es gibt bei mir zwei Rubriken auf meinem Kanal, die in ihrer Produktion unterschiedlich aufwendig sind. Einmal gibt es die Rubrik MrWissen2Go Exklusiv, ein Doku-Format, das einmal im Monat erscheint. Das ist insgesamt sehr aufwendig in seiner Produktion. Dafür gibt es ein kleines Redaktionsteam und dazu kommen dann ein Kameramann, Cutter, Motion-Designer und ein Grafiker. Die anderen drei Videos im Monat erarbeite ich inhaltlich selbst und drehe sie schließlich auch. Ab dann gibt es wieder Kollegen, die mich im weiteren Prozess unterstützen. Vor der Veröffentlichung werden die Videos dann von unserer Redaktion abgenommen. Das ist ein großer Unterschied zu der Zeit vor „Funk".
Aber Fehler passieren bestimmt trotzdem manchmal, nehme ich an?
Absolut. Und das passiert immer wieder, trotz Abnahme. Zum Beispiel Tippfehler oder eine falsche Flagge. Aber das fällt den Zuschauern in der Regel gleich auf und wird uns mitgeteilt. Auch wenn es mich ärgert, wenn ein Fehler passiert ist, freue ich mich gleichzeitig über die Schwarmintelligenz im Netz, die diesen dann korrigiert.
Kann man Ihre Onlineformate mit Formaten aus dem Fernsehen, zum Beispiel „Terra X", vergleichen?
Passenderweise moderiere ich „Terra X" im Fernsehen. Mit Harald Lesch produzieren wir als Firma gemeinsam und übernehmen auch viel der Social-Media-Betreuung für „Terra X". Da gibt es schon sehr viele Berührungspunkte. Gerade MrWissen2Go Geschichte ist da sehr ähnlich, wenngleich die Zielgruppe eine andere ist. Gleichzeitig sind wir online ein bisschen kleinteiliger unterwegs. Bei Youtube kann man mal ausführlich in einem zehnminütigen Video ein kleineres Thema erklären, was bei „Terra X" noch ein bisschen zu wenig für einen eigenen Film wäre. Die Motivation ist aber dieselbe: Wir wollen Menschen für wissenschaftliche Themen begeistern, Leidenschaft wecken und zu Diskussionen anregen.
Ist da das Internet durch direkte Interaktionsmöglichkeiten vielleicht die zukunftsfähigere Möglichkeit?
Es kommt darauf an, wen man erreichen will. Es gibt eine große Gruppe in der Bevölkerung, die man immer noch über das Fernsehen erreicht. Also hat beides seine Berechtigung. Man muss natürlich schauen, was die nächsten Jahre ergeben. Gerade „Terra X" ist eine Marke, die inzwischen auch im Netz sehr präsent ist. Ich finde es wichtig, überall aktiv zu sein und entsprechend der Zielgruppen, die in dem jeweiligen Medium unterwegs sind, die Inhalte aufzubereiten. Natürlich hat das Internet durch die Möglichkeit zur schnellen Produktion und Veröffentlichung auch Vorteile. Es kommt immer mal wieder vor, dass sich ein aktuelles Thema ergibt, ich mich hinsetze und innerhalb von vier Stunden ein Video fertig mache, dass dann auch direkt veröffentlicht wird.
Wie suchen Sie sich die Themen aus, über die Sie sprechen möchten? Spielt dabei die Reichweite eine große Rolle, wie es sonst oft bei Youtube-Kanälen der Fall ist?
Es spielt schon eine Rolle, ob es die Leute interessiert, aber für mich ist die potenzielle Reichweite nicht das wichtigste Kriterium. Es gibt immer mal wieder Themen, zum Beispiel das Waldsterben, bei denen ich im Vorfeld schon weiß, dass das entsprechende Video wohl nicht so oft aufgerufen wird, aber es trotzdem wichtig ist, darüber zu sprechen. Daneben gibt es noch weitere Kriterien für mich, wie den Gesprächswert, den aktuellen Bezug oder auch Wünsche aus der Community.
Würden Sie sagen, dass Bildungsinhalte wie Ihre eine demokratiestärkende Wirkung haben?
Ich würde jetzt nicht so weit gehen, mich als jemanden zu bezeichnen, der für die Demokratie wichtig ist. Ich glaube, dass es einfach eine große Chance ist, Plattformen wie Youtube, auf der junge Menschen unterwegs sind, zu nutzen, um sie dann dort auch über politische Themen, die auch für die Jüngeren relevant sind, zu informieren und diese für sie zugeschnitten aufzubereiten. Man sollte gerade die jungen Menschen dazu befähigen, sich eine eigene Meinung zu bilden und damit am demokratischen Diskurs unserer Gesellschaft teilzunehmen. Ich würde sagen, deshalb ist es enorm wichtig, immer wieder auf neue Plattformen vorzustoßen, wo die Menschen im Internet aktiv sind. Und wenn man die Plattform entsprechend nutzt, dann kann man damit auch erfolgreich sein.