Die in Saarlouis geborene Künstlerin Ula Hoc konnte sich bereits als Kind für das Malen begeistern. In ihrem Atelier in Leidingen malt Ula Hoc farbenfrohe abstrakte Bilder. Doch vor allem die Erinnerung an ihren Lebensgefährten, den vor 25 Jahren verstorbenen Maler Victor Fontaine, ist hier lebendig.
Wenn es darum ging, ins Poesiealbum zu schreiben, war Ula Hoc der Star ihrer Klassenkameradinnen. Ula schrieb keine Sprüche in die Alben sondern malte ihre ersten Bilder. So begann sehr früh ihre Liebe zur Kunst zu keimen.
Ihre künstlerische Ausbildung erhielt sie in München, Trier und Saarlouis. In München (1966 – 1973) wird Kunst zu einem wichtigen Lebensinhalt. Seit 1978 hat sie an vielen Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland teilgenommen. Über Jahrzehnte widmete sich die Künstlerin einer besonderen Bildgattung: dem Stillleben. In Leidingen hat Ula Hoc gemeinsam mit dem mehrfach ausgezeichneten saarländischen Künstler Victor Fontaine (1923 – 1995) in einem alten Bauernhaus ihr Kunstrefugium auf der Grenze gestaltet. Eine Steigerung ihres kunstschaffenden Prozesses erlebte sie durch das Zusammenleben mit Victor Fontaine.
„Meine Bilder", so Ula Hoc, „resultieren aus Idee, Imagination, Gemütsstimmung und Risiko. Ich habe gelernt, Dinge anzuschauen, wie ich sie vorher nie angeschaut habe, und ich habe gelernt, geistiges Interesse zu zeigen beim Schauen. Ich weiß von der Existenz der Gegenstände, während ich sie einschmelze in Farben und Formen, ich weiß aber nicht, ob sie im Bild bleiben, ich mache nie, was ich machen will. Das Bild antwortet mir später." Es sei unberechenbar, das Bild, so die Künstlerin. „Es ist schwer, davon zu reden, wie ich es mache. Ich liebe die Malerei. Der Herzschlag in mir treibt mich. Die Blume zum Beispiel, die ich miteinbeziehen möchte in ein Bild, will ich nicht darstellen, wie der Verstand sie sieht, sondern wie sie die Seele wahrnimmt." Das Einzelne in der Komposition von Ula Hocs Bildern existiert selbstständig und muss gleichzeitig helfen das Ganze zu prägen. „Die Bildausschnitte sollen nie langweilig bleiben", so Ula Hoc weiter. „Es gibt Bilder, die Kampf bedeuten, die zur Verzweiflung treiben, es gibt Höhen und Tiefen. Es ist so wichtig, der Verzweiflung entgegenzutreten, denn daraus wächst das Gelingen. Meine Bilder sind im übertragenen Sinne ein Stück Natur, wobei Menschendinge in ihrem Bildkosmos eingeschmolzen wurden.
„Ich möchte Gefühle mitteilen"
Zuletzt kann ich das Ergebnis Bild in seiner Irrationalität nicht vollkommen analysieren, mein Kriterium bleibt die Ausstrahlungskraft eines Bildes gemessen an seiner Poesie. Ich möchte Gefühle mitteilen, die die Dinge in mir hervorrufen."
Dr. Claudia Wiotte-Franz, Leiterin des Museums Haus Ludwig in Saarlouis, hat im Dezember 2002 zur Ausstellungseröffnung „Stilleben – Innovationen. Auf der Suche nach dem Irrationalen Bild" in ihrer Laudatio das Werk und Schaffen Ula Hocs intensiv erläutert: „Unter Stilleben oder ‚natura morta‘ verstehen wir eine Bildgattung der Malerei, die ein künstlich geordnetes Beieinander unbelebter oder toter Gegenstände als einziges Bildthema darstellt und die sich seit dem 15. Jahrhundert in der Malerei als sehr beliebtes Bildthema durchsetzte. Die Stillebenmalerei erlebte im 17. Jahrhundert vor allem in den Niederlanden eine große Blüte. Der Gegenstand, die Komposition und die naturgetreue Abbildung der toten Natur standen im Mittelpunkt dieser Werke, wobei die dargestellten Motive als traditionelle Symbole im religiösen, kosmopolitischen oder humanistisch-säkularen Bereich interpretiert wurden. Die Maler des 19. Jahrhunderts befreien Stilleben weitgehend von der symbolischen Dimension. Das Stilleben hat auch im 20. und 21. Jahrhundert nichts von seiner Faszination verloren. Vor allem durch die Impressionisten und Kubisten erhielt diese Kunstgattung neue Impulse." Die gegenständliche Darstellung wird in den Hintergrund gedrängt, so Claudia Wiotte-Franz. „Es spielen optische Erscheinungen, das Wechselspiel des Lichts, der Raum, die Form, die Farbe und Linie eine wichtige Rolle." Man schuf eine ausgezeichnete Möglichkeit der Auseinandersetzung mit der eigenen Realität und mit der Welt der Dinge, aber auch eine Möglichkeit, sich dem Irrationalen im Bild zu nähern. „Ula Hoc’s Bilder spiegeln diesen Geist des 20. Jahrhunderts", so Wiotte-Franz weiter. „Ihre Bilder erscheinen auf den ersten Blick ungegenständlich, abstrakt. Sie hat sich von der naturgetreuen Darstellungsweise der für ein Stilleben typischen Gegenstände zwar leiten lassen, aber in Form, Farbe, Raum und Komposition von den realistischen und rationalen Gesichtspunkten gelöst. Nicht der Gegenstand an sich ist wichtig, sondern in erster Linie die Gefühle, die Idee und die Imagination, die diese Dinge in ihr hervorrufen."
Annäherung an das Irrationale im Bild
Wer die Lebenswerkstatt von Ula Hoc in Leidingen betritt, spürt die Erinnerungen einer Künstlerin, die einen intensiven Lebensabschnitt mit Victor Fontaine erlebte durfte. In jeder Blickachse Fotos von Victor Fontaine, Bilder, die er malte, Bilder, die sie gemeinsam malten. Jeder Gegenstand hat eine Bedeutung, und Ula Hoc kann sofort eine Geschichte davon erzählen. Neben der Couch wirken die an einer Säule aufgehängten Fotografien von Victor Fontaine wie ein kleiner Altar, dazu von Ula geschriebene Gedichte und Zeilen. Auch tagsüber brennt eine Kerze auf dem rot lackierten Tisch vor den Fotos. Der Schreibtisch ist mit unzähligen Arbeitsutensilien bedeckt. Auf dem Sims des Schreibtisches weitere Bilder des 1995 verstorbenen Künstlers, dazwischen Kalksteine vom Saarlouiser Gau, verschiedene Kunstgegenstände, ein goldenes Herz und weitere Texte, die sie Victor gewidmet hat. Über allem hängt ein abstrakt-türkisfarbenes Bild von Victor Fontaine. Die Bücher der überbordenden Buchregale sind zum größten Teil mit Bildern und Fotografien von Fontaine bedeckt. Freud und Leid sind im Atelier eng verwoben. Gedankenversunken erzählt die Künstlerin gern aus dem gemeinsamen, intensiven Glücksleben. Ula hat viel zu erzählen und damit es nicht in Vergessenheit gerät hat sie vor acht Jahren angefangen, ihre Gedanken und Gefühle aufzuschreiben. In vielen Ordnern sind ihre handschriftlichen Aufzeichnungen fein säuberlich untergebracht, ergänzt mit Fotos, Bildern und Ausstellungsgeschichten. Wenn erste Sonnenstrahlen durchs Fenster der Lebenswerkstatt fallen, verzaubert das Licht die bunten Farben, sie werden intensiver, scheinen das gemalte Bild zu verändern, tausend bunte Tupfer erfüllen den Raum. Gegenüber – nur einen Steinwurf entfernt – beginnt Frankreich. Näher kann man einem anderen Land wohl kaum sein.
Victor Fontaines Bilder sind reine Abstraktion
Wer war eigentlich Victor Fontaine? Genau wie die Künstlerin Ula Hoc konnte und kann man auch ihren Lebenspartner künstlerisch in keine Schublade stecken. Victor Fontaine, 1923 in Saarlouis-Fraulautern geboren, absolvierte seine künstlerische Ausbildung bei Professor Paul Dierkes in Vlaschim und Professor Bontjes van Beek in Prag. Von 1950 bis 1953 studierte er an der Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken. Wichtige Lehrer in dieser Zeit waren Professor Boris Kleint und Anneliese Braumüller. Bei Professor Hubert Griemer legte er an der Fachschule in Höhr-Grenzhausen seine Meisterprüfung ab. 1956 eröffnete er sein eigenes Atelier für Kunst im öffentlichen Raum in Merzig-Hilbringen. Victor Fontaine malte ungegenständliche Bilder, die nicht inhaltslos und willkürlich sind, sondern durchaus kontrolliert. Die Bilder leben durch ihre Elemente, durch Linien, Struktur, Form und Nichtform, Licht und Dunkel, das Bewegte und Unbewegte. So entsteht durch Strukturen, Flächen und Hintergründe ein Übergang zur freien Komposition. Es sind die Gegensätze und deren willkürlich scheinende Umkehrung, die faszinieren. Victor Fontaines Bilder sind reine Abstraktion. Jeder Versuch, das Werk figürlich – gegenständlich – zu deuten, scheitert. Seine Bilder haben keine Namen, dem Betrachter wird es überlassen, nachzuvollziehen und neu zu deuten, was die Bilder darstellen.