Der Land Art Künstler und Fotograf Manfred Michels verändert unsere heimische Umgebung mit Materialien natürlichen Ursprungs. Seine Installationen in der Natur schärfen den Blick auf die Natur, ebenso die Fotos in dem Bildband Saar Land Art.
Herr Michels, Land Art ist eine aus Amerika kommende Kunstströmung, die Ende der 60er-Jahre Deutschland erreichte. Was interessiert
Sie daran?
Der Begriff „Land Art" wird mittlerweile für alle Kunst angewendet, bei der der geologische Raum zum Objekt gehört. Meine Form der Land Art entstand infolge der Umweltbewegung im Europa der 1970er und unterscheidet sich wesentlich von der ursprünglichen amerikanischen Land Art. Die Bezeichnung „Environmental Art" konnte sich hierfür nicht durchsetzen.
Ja, und was interessiert Sie daran?
Eine meiner Neigungen ist das Interesse an Landschaft und Natur. Eine andere ist meine manische Kreativität. Mit der Land Art kann ich beiden Vorlieben perfekt nachkommen.
Haben Sie schon früher eine Beziehung zum Wald aufgebaut, abseits der Idee, den Wald als Kunstraum zu entdecken?
Seit meiner Kindheit bin ich gern im Wald unterwegs. Als Naturfreund bin ich gern draußen, outdoor, und verbringe auch schon mal die Nacht im Wald. Bevor ich mich mit der Land Art beschäftigte, habe ich Skulpturen aus Fundholz gefertigt. Als Fundholz bezeichne ich Holz, das im Wald herumliegt. Aus dieser Natur-Kunst entstand das Konzept, die Skulpturen direkt vor Ort zu installieren.
Warum benötigt der Wald – zusätzlich zur wirtschaftlichen und touristischen Nutzung – eine weitere künstlerische Intervention?
Meine Kunst kann das Interesse am Wald und an der Natur wecken. „Die Natur muss gefühlt werden", sagt Alexander von Humboldt. So kann die Land Art zum Beispiel eine wichtige Rolle im schulischen Kunstunterricht haben. Eine Lehrerin berichtete mir, dass sie meine Bilder im Unterricht verwendet hat. Einerseits möchte ich Outdoor-Spaß und schöne Bilder machen, andererseits geht es mir um Achtung und Respekt vor der Schöpfung. Ich bin nicht religiös, aber es gibt kein anderes Wort dafür.
Wenn Sie einen Platz gefunden haben, der Ihnen geeignet erscheint, wie gehen Sie vor? Ist es Bedingung, dass das Werk aus Materialien des Umfeldes entsteht, oder bringen Sie Waldmaterial von anderswo zu dieser Stelle?
In der Regel benutze ich Material, das vor Ort gefunden werden kann. Als Hilfsmittel verwende ich gelegentlich Faden oder Schnur aus Naturmaterialien, beispielsweise Flachs, Sisal, Hanf oder Ähnliches. Anfangs habe ich Ranken von Efeu, Fasern von Rinden oder Ähnliches zum Binden verwendet. Dies hat sich jedoch als umständlich und zu zeitaufwendig herausgestellt. Da ich keine experimentelle Archäologie betreibe, und es keinen Einfluss auf die Gestaltung und Formgebung hat, verwende ich gekaufte Schnur.
Diese Werke verweigern sich dem Kunstmarkt, da Sie eben nicht in Ausstellungen gezeigt oder käuflich erworben werden können. Sind Sie ein Künstler, der sich diese Tatsache leisten kann?
Meine Kunstwerke sind die Fotografien. Sie können auch als inszenierte oder arrangierte Fotografie bezeichnet werden. Ich sage am liebsten: „Landartfotografie" dazu. Den Kunstmarkt mag ich trotzdem nicht. Ich finde, Geld, und alles was damit zu tun hat, stinkt.
Dass sich die Land Art der Überdauerung verweigert, aber dennoch festgehalten werden will, hat dieser Umstand sie zum Fotografen werden lassen?
Ein Fotograf bin ich wegen meiner Sehbehinderung nicht. Fotografieren kann ich nur dank der digitalen Automatikfunktionen und der Möglichkeit, kostengünstig viele Aufnahmen zu machen.
Bleiben ihre Installationen im Wald, werden von Wind und Wetter weiterbearbeitet, verrotten und verschwinden, oder bauen Sie grundsätzlich alle irgendwann ab?
Wenn von den Installationen keine Gefahr ausgeht, und niemand gestört wird, lasse ich sie da, wo sie sind. Ich möchte nicht, dass zum Beispiel einem Kind ein Holzstamm auf den Kopf fällt, sich ein Tier darin verfängt oder jemand anderes das wegräumen muss, weil es nicht an dieser Stelle bleiben kann. Oft demontiere ich die Objekte und deponiere das Material, um es später in einer anderen Variante oder bei anderen Lichtverhältnissen noch einmal aufzubauen.
Die meisten Kunstschaffenden sind getrieben, dass ihr Werk überdauert. Und Sie?
Ein angenehmer Aspekt der Kunst ist, dass die Werke den Künstler überleben und ihn damit ein bisschen unsterblich machen. Die Vorstellung, dass meine Bilder, solange die digitale Welt nicht zusammenbricht, auch in tausend Jahren noch betrachtet werden können, gefällt mir sehr gut.
Ist es vielleicht so, dass Ihre Installationen sozusagen im Geheimen blühen sollen? Der Mensch wird unvermutet mit Kunst im Wald überrascht. Im geheimnisvollen Wald trifft der Mensch auf ein weiteres Geheimnis. Ist das ihre Absicht?
Auch. Es geht ein gewisser Reiz davon aus, Kunstwerke im öffentlichen Raum zu installieren und zufällig vorbeikommende Passanten damit zu konfrontieren. Ich habe auch ein Konzept entwickelt, bei dem es um privat angebrachte Skulpturen im urbanen Raum geht. Leider ist mein Leben nicht lang genug, um alle Ideen zu verwirklichen.
Sie haben Baumgesichter mit Lehm im Saarbrücker Urwald und eines aus Fundhölzern in Saarbrücken-Heinrichshaus vor sechs Jahren erschaffen. Lassen sich diese noch finden?
Nein, solange überdauert keines der Werke. Je nach Wetter halten die Lehmarbeiten ein halbes Jahr. Finden lassen sich aber noch die Bäume. Der bei Heinrichshaus ist sehr groß und mächtig, vermutlich weit über hundert Jahre alt. Dies ist bemerkenswert, da er sich in unmittelbarer Nähe des großen Bombentrichters, von dem ich das Bild „Friedensloch" gemacht habe, befindet. Schwer vorstellbar ist, wie der alte Baum das Ereignis vor 76 Jahren überlebt hat. So gibt es viel in der Natur und Landschaft zu lesen.
Land Art erscheint als ideale Möglichkeit – coronakonform – Menschen Freude an Kunstbegegnung zu ermöglichen. Haben Sie weitere Saar-Land-Art-Pläne?
Pläne schon, aber auch eine angeschlagene Gesundheit. Die Land-Art erfordert eine gewisse körperliche Fitness, über die ich immer weniger verfüge. Andererseits habe ich als Rentner mein bescheidenes Auskommen und kann so den Traum vom freischaffenden Künstler leben. Ein Plan ist, den Land-Art-Objekten die Funktion von Denkmälern zu geben, um damit die Geschichte eines Ortes oder einer Landschaft zu erzählen. Ein anderer Plan wäre, Aktmodelle in die Objekte zu integrieren. Oder …
… heißt wir haben noch einiges von Ihnen zu erwarten?
Vielleicht (lacht).