Der 1. FC Saarbrücken lieferte gegen Waldhof Mannheim eine Leistung ab, die ihm nur wenige zugetraut haben. Die ausgegebenen Saisonziele wurden bereits jetzt erreicht.
Wenn man nicht damit rechnet, schreibt der Fußball einfach die schönsten Geschichten. Nach der bitteren 1:2-Niederlage beim 1. FC Kaiserslautern hing der Haussegen beim 1. FC Saarbrücken schief. „Es ist bei Traditionsvereinen normal, dass ein Schwarz-Weiß-Denken vorherrscht. Aber als Profis darf man nicht zu lange trauern. Das belastet nur“, sagte Trainer Lukas Kwasniok vor der Partie gegen Waldhof Mannheim. 90 Minuten später durfte er sich bestätigt fühlen. Mit einem spektakulären 5:0-Erfolg gegen den weiteren Südwest-Rivalen hat sich sein Team rehabilitiert. Und im Blickpunkt standen zwei Spieler, die schon so gut wie abgeschrieben waren. Timm Golley und Maurice Deville trafen jeweils doppelt und steuerten je einen Assist bei. „Wir wissen, wie bitter die Niederlage beim FCK für die Fans und das Umfeld war. Aber wir mussten den Schalter umlegen. Ich glaube, das ist uns heute gelungen“, sagte Golley, der den Verein zum Saisonende verlassen wird. „Mit 30 Jahren kann ich mir schon noch vorstellen, dass ich ein oder zwei Jahre spiele. Aber wenn man den Großteil der Karriere Regionalliga oder 3. Liga gespielt hat, ist man finanziell nicht durch. Ich muss mir Gedanken um meine berufliche Zukunft machen“, sagte Golley, der im hektischen Umfeld der Blau-Schwarzen stets sehr kritisch gesehen wurde. Dass der 30-Jährige ein klasse Fußballer ist, bewies er gegen Mannheim. Nicht zu vergessen, dass er Bestandteil der Stammelf war, die aus den ersten elf Spielen 23 Zähler einfuhr. Und auch der Luxemburger Deville, fast schon abgeschrieben, ist wieder da. Nach seiner Einwechselung präsentierte sich der 28-Jährige zweikampfstark und torgefährlich gegen seinen Ex-Verein: „Ich hatte dort eine super Zeit und hege keinen Groll. Deswegen habe ich auch nicht gejubelt, weil es sich einfach nicht gehört.“
Und auch Nicklas Shipnoski, nach der Derby-Niederlage beim seinem Jugendverein teilweise hart angegangen, konnte sich gegen Mannheim auszeichnen. Das alles vor den Augen des neuen Trainers Uwe Koschinat. Der 49-Jährige, der sich am Mittwoch den Medienvertretern jovial und nahbar vorstellte, möchte sich noch im Hintergrund halten, keine offiziellen Statements zum Team abgegeben. „Es sind noch ein paar Spiele und die sollen denen gehören, die hier für eine tolle Saison verantwortlich sind“, sagte der künftige Coach.
In der Tat spricht die Statistik eine andere Sprache als die Gefühlsage der Fans es vermuten lässt. Der Aufsteiger, der nie auch nur ansatzweise in Abstiegsgefahr geraten ist, hat seine Ziele bereits erreicht. Die inoffiziell ausgegebene Marke von 50 Punkten hat er bereits überschritten, und auch Sportdirektor Jürgen Luginger darf sich bestätigt fühlen. Als er vor der Saison während eines Hintergrundgesprächs mit Journalisten erklärte, er traue dem Kader einen einstelligen Tabellenplatz zu, erntete er nicht nur Zustimmung. Doch auch dieses Ziel ist fast nur noch Formsache. Und noch ein Fakt verdeutlicht die Tatsache, dass sich die Realität manchmal von der Wahrnehmung unterscheidet. Die gefühlt so überragende Hinrunde schloss der FCS mit 29 Punkten ab. Nach 14 Rückrundenspielen hat er bereits 23 Zähler eingefahren. Am Ende dürften die Blau-Schwarzen eine ziemlich konstante Runde spielen.
Dass es emotional doch manchmal hektisch wurde, hat mehrere Gründe. Die eher schwachen Derby-Darbietungen bis zum Mannheim-Spiel haben viele Fans getroffen. Coach Kwasniok, emotional ein Glutofen, ist zudem kein ruhender Pol. So ist eine gefühlte Berg-und-Talfahrt entstanden.
Nun steht ein Umbruch an, der von den Verantwortlichen so geplant war. „Wir haben eine Mannschaft zusammengestellt, die aus der Regionalliga aufsteigen sollte. Wir haben Spieler geholt, die eine Verletzungshistorie hatten, aber die für unsere Situation genau die richtigen waren. Wenn ein Team über einen längeren Zeitpunkt zusammen ist, ist es normal, dass es irgendwann einen Umbruch gibt“, sagte der frühere Sportdirektor Marcus Mann im Winter.
Gegen Mannheim musste beispielsweise Angreifer Sebastian Jacob aufgrund Kniebeschwerden passen. Auch Abwehrchef Steven Zellner quält sich angeschlagen durch die Rückrunde. Aus diesem Grund wurde der Vertrag mit Mittelfeldmann Fanol Përdedaj, der gegen Mannheim stark auftrumpfte, nicht verlängert: Der Kosovare hat ebenfalls häufig mit Wehwehchen zu kämpfen. „Wenn dem Kader eines gefehlt hat, dann eine ausreichende Anzahl an Leistungsträgern, die in der Lage sind, eine komplette Saison auf körperlich hohem Niveau durchzuziehen“, sagte Kwasniok bereits vor Wochen und fügte hinzu: „Es sind tolle Spieler, die für den FCS in der Vergangenheit genau die richtigen waren. Aber in einer höheren Liga sind die Anforderungen dann auch andere.“
So suchen die Verantwortlich bereits intensiv nach einem robusten Angreifer, der Jacob entlasten soll. Auf entscheidenden Positionen soll die Mannschaft verjüngt werden. Philipp Strompf, Kapitän der Hoffenheimer U23, war bereits vor Monaten ein Kandidat. Im Fokus ist wieder einmal der frühere Jugendspieler Valdrin Mustafa, der beim Regionalligisten RW Koblenz bereits 15 Mal getroffen hat. Der neue Coach Koschinat hat bereits angekündigt, keinen Spieler wegschicken zu wollen, der unter Vertrag steht: „Jeder bekommt eine faire Chance.“ Während Kwasniok im Fall seines Verbleibs den Luxemburger Deville gerne abgegeben hätte, dürften sich dessen Aktien nun deutlich verbessert haben. „Im Fußball geht es schnell. Gestern ist man der Depp, heute der Held. Ich bin gerne hier und gebe Vollgas“, sagte der 28-Jährige, für den vieles auch von der Zukunft Nicklas Shipnoskis abhängen wird. Sollte der Top-Scorer in die zweite Liga wechseln, würde seine Planstelle rechts vorne freiwerden. Doch ausgemachte Sache ist das noch nicht. Fest steht nur, dass ligainterne Interessenten keine Chancen haben werden. Der 23-Jährige schließt einen Wechsel innerhalb der 3. Liga kategorisch aus, zudem müsste der FCS in diesen Fall zustimmen. Dies wird er nicht tun. „Als Fußballer hat man das Ziel, so hoch zu spielen wie möglich. Auf der anderen Seite fühle mich hier sehr wohl“, sagt Shipnoski. Wie wichtig die Personalie ist, verdeutlicht die Tatsache, dass der neue Trainer bereits auf den 13-Tore-Mann zugegangen ist. „Wenn Nicklas nicht den Anspruch hätte, zweite Liga zu spielen, könnte ich wenig mit ihm anfangen. Er ist ein Unterschiedsspieler“, sagt Koschinat. Und so gibt sich Sportdirektor Jürgen Luginger gelassen: „Wir kennen seine Situation, aber ich habe durchaus Hoffnung, dass er nächstes Jahr noch bei uns ist.“
FORUM-Einzelkritik (bewertet wurden Spieler mit mehr als 20 Minuten Einsatzzeit)
Daniel Batz: Wenig gefordert. Bis auf eine Ausnahme sehr sicher bei hohen Bällen. Note 3
Mario Müller: Nach mehreren Wochen auf der Bank ein starkes Comeback des Linksverteidigers. Ein-, zweimal mit Problemen in seinem Rücken, aber ballsicher und extrem fleißig. Note 2-
Steven Zellner: Stellte sich angeschlagen in den Dienst der Mannschaft und lieferte eine solide Vorstellung ab. Note 2-
Boné Uaferro: Stark in der Luft, aber mit großen Problemen im Laufduell. Note 4
Anthony Barylla: Deutlich verbessert, hatte aber im ersten Abschnitt zwei Stellungsfehler. Note 3
Luca Kerber: Umsichtig und ballsicher. Auf der defensiven Mittelfeldposition nicht mehr wegzudenken. Note 2
Tobias Jänicke: Endlich wieder in „Hinrundenform“. Lief viel, auch wenn er im letzten Drittel nicht immer die richtige Entscheidung traf. Note 2-
Fanol Përdedaj: Antreiber und Motor. In dieser Form eigentlich nicht wegzudenken. Note 2
Minos Gouras: War sehr bemüht, aber fiel dennoch ab, weil ihm wenig gelang. Note 4
Nicklas Shipnoski: Sein Anlaufverhalten ist vorbildlich, er ist sich für keinen Weg zu schade. Eiskalt vor dem Tor. Note 2-
Timm Golley: Genie und Wahnsinn: Gegen Mannheim eine Augenweide. Note 1
Maurice Deville: Kam, bereitete vor und traf. Starker Auftritt. Note 2