Zwei Tage nach Napoleons letztem Sieg gegen Preußen kam es am 18. Juli 1815 zur Schlacht bei Waterloo, mit der das Schicksal Bonapartes endgültig entschieden werden sollte. Frankreichs Dominanz in Europa wurde gebrochen, die Großmächte konnten ein neues politisches Gleichgewicht der Kräfte etablieren.
Den Kaisertitel hatte man Napoleon auf Elba gelassen, wohin er nach der vernichtenden Niederlage seiner Truppen in der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 und nach seiner Abdankung im April 1814 ins Exil geschickt worden war. Doch Bonaparte war nicht bereit, seine Ausbootung im Kampf um die Krone der Macht in Frankreich und Europa zu akzeptieren. Zu Beginn seines 300 Tage währenden Aufenthalts auf der Mittelmeerinsel sprach allerdings angesichts der Kriegsmüdigkeit seiner Landsleute und des dramatischen Popularitätsverlustes des Korsen beim gemeinen Volk wenig für eine baldige Rückkehr Napoleons nach Paris.
Doch die Stimmung in Frankreich sollte schnell umschlagen – wofür vor allem der neu eingesetzte Bourbonenkönig Ludwig XVIII. mit wenig populären Maßnahmen wie steigenden Steuern und Kornpreisen verantwortlich war. Die Bauern fürchteten die Wiedereinführung der hohen Abgaben aus vorrevolutionärer Zeit. Den Soldaten drohte der Verlust ihrer Arbeit, weil der König die Heeresstärke halbieren ließ und daher eine viertel Million Militärangehörige plötzlich mittellos auf der Straße standen. Napoleon wurde auf Elba minutiös über diese für ihn vorteilhafte Entwicklung informiert.
Ein letzter Sieg im Juni 1815 in Ligny
Deutlich schlechter war es mit der Informationsübermittlung bezüglich der Verhandlungslage im fernen Wiener Kongress bestellt. Bonaparte hatte natürlich von den wachsenden Zwistigkeiten seiner ehemaligen Gegner England, Österreich, Russland und Preußen bei der Wiederherstellung eines zentraleuropäischen Gleichgewichtssystems gehört. Aber sein gravierender Fehler war, dass er bei seinem Entschluss, am 26. Februar 1815 mit einem Segelboot gen Frankreich aufzubrechen, von einem Scheitern und Ende der Wiener Konsultationen ausgegangen war. Daraus hatte er sich einen nicht unerheblichen Zeitgewinn für seine neuerliche Machtergreifung versprochen.
Tatsächlich waren die Staatsoberhäupter aber noch in Wien versammelt und konnten in Windeseile über eine Neuauflage des Bündnisses gegen Napoleon, „Feind und Störer der Ruhe der Welt", beraten. Konkret schlug sich das in der Aufstellung von nicht weniger als acht getrennten Streitkräften nieder. Die Allianz wollte insgesamt 800.000 Mann gegen Bonaparte ins Feld führen. Die im Sommer 1815 im Vorfeld von Waterloo im Königreich der Vereinigten Niederlande stationierten Verbände des britischen Feldmarschalls Arthur Wellesley, Duke of Wellington, und des preußischen Marschalls Gebhard Leberecht von Blücher, volkstümlich „Marschall Vorwärts" genannt, waren für Napoleon wegen der direkten Grenznähe zu Frankreich am bedrohlichsten. Mit der Einsatzbereitschaft der jeweils rund 150.000 Soldaten zählenden russischen und österreichischen Truppen konnte hingegen frühestens im Juli 1815 gerechnet werden.
Napoleon wurde nach seinem gloriosen Zug durch Frankreich und seiner neuerlichen Machtübernahme am 20. März 1815 zum Getriebenen. Er musste schnellstmöglich eine schlagkräftige Armee zusammenstellen, und am 12. Juni 1815 gab er seinem 125.000 Mann zählenden Heer den Marschbefehl Richtung heutiger belgischer Grenze. Ihm war klar, dass seine Gegner Wellington und Blücher über wesentlich mehr Manpower verfügten, der Brite kommandierte rund 90.000, der Preuße rund 130.000 Soldaten. Aber Napoleon vertraute auf sein bewährtes Erfolgskonzept des Präventivschlags, der dieses Mal aber nur dann eine Siegchance versprach, wenn es ihm gelingen sollte, den Zusammenschluss der nicht allzu weit auseinander stationierten Gegner zu verhindern und anschließend einen Kontrahenten nach dem andern zu besiegen. Die Preußen standen bei Ligny in der Nähe von Charleroi, Wellingtons Soldaten weiter nördlich unweit von Brüssel.
Am 15. Juli 1815 ließ Napoleon den Großteil seiner Armee gen Ligny vorrücken, nur Marschall Michel Ney erhielt den Sonderauftrag, einen wichtigen Straßenverbindungsknoten zum geplanten Vormarsch gen Brüssel bei Quatra-Bras westlich von Ligny vor dem Zugriff Wellingtons zu behaupten, der dorthin am gleichen Tag rund 15.000 Mann entsendet hatte. Am 16. Juni 1815 gelang Napoleon in der Schlacht von Ligny, vor allem dank seiner erfahrenen alten Garde, sein letzter großer Sieg. Die Preußen wurden in sieben Stunden geschlagen, Marschall Blücher wurde verletzt. Es gab Zehntausende Tote, wobei die Opferzahl der Preußen doppelt so hoch war wie die der Franzosen. Zur gleichen Zeit war es in Quatre-Bras zu ersten Gefechten gekommen, aber Marschall Ney konnte mangels entsprechender Order keine entscheidende Attacke wagen.
Im Siegesrausch unterlief Napoleon der grundlegende Fehler, dass er den Preußen einen von Stabschef August Neidhardt von Gneisenau befohlenen einigermaßen geordneten Rückzug erlaubte. Und zunächst versäumte, den Befehl zur Verfolgung der fliehenden preußischen Truppen zu erteilen. Als er schließlich doch 33.000 Mann unter Marschall Emmanuel de Grouchy zur Vernichtung der Preußen beordert hatte, sollte sich dies als weiterer gravierender Fehler im Vorfeld von Waterloo erweisen. Gneisenau hatte seine Truppe nicht die erwartete Fluchtroute auf den preußischen Verpflegungslinien gen Osten nutzen, sondern gen Norden Richtung Wavre marschieren lassen. Von dort war es nicht weit bis Waterloo, während Crouchys Verbände im Verlauf der geschichtsträchtigen Schlacht östlich von Ligny im Nirgendwo nach den Preußen Ausschau hielten.
Massaker mit wohl 47.000 Opfern
Damit nicht genug der Fehler. Napoleon versäumte es am Morgen des 17. Juni 1815 auch noch, Wellingtons überschaubare Truppenkonzentration bei Quatre-Bras mit geballter Kraft einfach zu überrennen und danach womöglich gleich den zweiten Gegner siegreich zu attackieren. Daher konnte Wellington sein Truppenkontingent zurückziehen und auf einem Hügelkamm bei Waterloo mit seinem gesamten Verband Position für die Entscheidungsschlacht am 18. Juni 1815 beziehen. Auf schlammigem Gelände entwickelte sich die Schlacht von Waterloo zu einem veritablen Massaker mit schätzungsweise 47.000 Toten und Verwundeten. Zwar konnten die rund 68.000 Soldaten Wellingtons den Dauerangriffen der rund 72.000 Franzosen stundenlang standhalten, aber im Laufe des Nachmittags begann sich die britische Niederlage abzuzeichnen, die letztlich nur durch das Eintreffen der von Osten anrückenden Preußen verhindert werden konnte.
Als Vorhut war nach 15 Uhr ein nicht an der Schlacht von Ligny beteiligtes Korps unter Genereral Friedrich Wilhelm Bülow von Dennewitz eingetroffen. Schließlich sollte Wellingtons kolportiertes Stoßgebet „Ich wünschte es wäre Nacht, oder die Preußen kämen" durch das Auftauchen von Blüchers 48.000 Mann starker Armee erhört werden. Napoleons Truppen ergriffen die Flucht, auch der Kaiser konnte sich der Gefangennahme entziehen.
Mit den 100 Stunden von Waterloo zwischen dem 15. und 18. Juni 1815 fanden die 100 Tage von Napoleons Macht-Comeback ein für Bonaparte unrühmliches Ende. Die napoleonische Ära war ebenso Geschichte wie Bonapartes Griff nach der Weltherrschaft. Eine rund 20-jährige Kriegsperiode in Europa war vorbei, die Restauration kam auf den Vormarsch. Anstelle der vom Sonnenkönig Ludwig XIV. eingeleiteten französischen Dominanz des Kontinents trat das Britische Empire. Und das in Waterloo schlachtentscheidende Preußen, wo das Gefecht lange Zeit nach einem nahe gelegenen Gasthof häufig nur als „Belle Alliance" bezeichnet wurde, drängte Habsburg in deutschen Landen immer weiter zurück. Im Kaiserreich sollte Waterloo dann sehr zum Missfallen der Briten als „deutscher Sieg" reklamiert werden.