Seefahrer und Händler brachten aus Asien und Afrika kostbare Stoffe und Gewürze mit, die für das 17. Jahrhundert eine Sensation waren. Das Potsdamer Museum Barberini zeigt mit „Rembrandts Orient" das damalige Bild des Fremden.
Kostbare Stoffe in schillernden Farben, dicht gewebte Teppiche, ungewohnt duftende Gewürze und Porzellan - all diese Kostbarkeiten gelangten im 17. Jahrhundert in die Niederlande, die sich zur stolzen Handelsmacht entwickelt hatten. Kein Wunder, dass gerade Maler von diesen völlig neuen Eindrücken fasziniert waren, sich vorzustellen versuchten, wie es dort aussah, wo Seide, Tee, Pfefferschoten und Zimt herkamen.
„Das Warenangebot in Amsterdam war so vielfältig und umfangreich wie nirgends sonst in Europa", erklärt Gastkurator Gary Schwarz. Die Begeisterung für das Fremde wurde zu einer Mode, die eine neuartige Kunst entstehen ließ. Der Realismus der Malerei verband sich mit Wunschbildern und fantastischen Projektionen. Auch biblische Geschichten wurden mit exotischen Elementen angereichert. Die aktuelle Ausstellung im Museum Barberini in Potsdam, „Rembrandts Orient", thematisiert die damaligen Bilder des Fremden. Die Kunstwerke sind Zeugnisse der ersten Globalisierung und zeigen den Einfluss fernöstlicher Kulturen.
Auf den Gemälden tragen Männer vor dem Rathaus in Amsterdam Turbane statt Hüte, ein Zeichen für Handel und Weltläufigkeit. Andere zeigen Adlige neben orientalischen Teppichen in Gewänder aus kostbaren Stoffen gehüllt. Diese Selbstinszenierung sollte den Status wohlhabender Bürger unterstreichen. Dabei hatten die wenigsten Niederländer ihre Heimat verlassen und den Orient mit eigenen Augen gesehen. Besonders beliebt waren in dieser Zeit daher Reisebeschreibungen, um mehr von den fernen Welten zu erfahren. Aber allzu häufig waren auch diese von Autoren verfasst, die nie gereist waren, sich wiederum auf die Schilderungen anderer verlassen hatten und damit viele Klischees bedienten.
Der erste niederländische Künstler, der biblische Szenen orientalistisch darstellte, war der Amsterdamer Maler Pieter Lastman. Er hatte mehrere Jahre in Italien verbracht, wo er mit den Bildern des Orients in der italienischen Kunst in Berührung kam. Fasziniert von den leuchtenden Farben und exotischen Formen kleidete er nach seiner Rückkehr in die Niederlande seine biblischen Figuren in orientalische Gewänder. Lastman wurde Rembrandts Lehrer und beeinflusste ihn zeitlebens.
Auf der anderen Seite offenbart die üppige Pracht die Sehnsucht nach dem Außergewöhnlichen, dem Nichtalltäglichen. Der Orient war das Andere, eine Projektionsfläche für jene Bedürfnisse, für die das rationalistische Weltbild des Abendlandes, geprägt von der puritanischen Kargheit des Calvinismus und des Protestantismus, keinen Raum bot. „Um 1650 gab es in den Niederlanden keinen Haushalt ohne einen Hauch von Exotik. Wenn es nicht gerade ein türkischer Tischläufer war, dann vielleicht eine präsentierte Muschel, ein Schal aus indischem Chintz oder eine Schale aus chinesischem Porzellan", erzählt Gastkurator Schwarz.
Zu Rembrandts Zeit wurden der östliche Mittelmeerraum und Asien als Orient bezeichnet. Exotische Objekte und Kleidung waren damals in vielen Bürgerhäusern eine beliebte Dekoration. Das Fremde war „in", es wurde geschätzt und in den Lebensstil integriert. Aber das Interesse daran galt weniger anderen Kulturen als ihren materiellen Gegenständen, die aufgrund der Kostbarkeit und dem damit verbundenen Prestige begehrt waren. Dass der Reichtum der niederländischen Oberschicht auch durch Gewalt und Unterdrückung im Fernen Osten, durch Sklaverei und Handelskriege zustande kam, fand in den Kunstwerken kaum eine Erwähnung. Ausnahmen sind die allgemein gehaltenen Schlachtenszenen der Maler Jacques Muller, Johannes Lingelbach oder Philips Wouwerman, die ebenfalls in der Ausstellung „Rembrandts Orient" zu sehen sind.
Das Museum Barberini zeigt dabei 110 Exponate, darunter Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken sowie Bücher. Darunter sind 33 Werke von Rembrandt, zehn Gemälde, vier Zeichnungen und 19 Kupferstiche. Die übrigen sind Meisterwerke weiterer Maler und von Zeitgenossen Rembrandts.
Der Orient war in Mode, das Fremde „in"
In sieben Bereiche ist die Ausstellung gegliedert, von Porträts über Darstellungen zum Thema Handel, dem Orient als Schauplatz biblischer Szenen sowie einigen originalen Kunstwerken wie Miniaturen aus Indien oder Persien. Sie fanden in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts kaum Aufmerksamkeit. An einer authentischen Darstellung von Land und Leuten bestand damals offenbar kein Interesse. „Kunstwerke aus Persien und Indien galten damals als Kuriositäten, sie wurden nicht ernst genommen", erklärt Michael Philipp, der Chefkurator des Barberini Museum. Nur wenige niederländische Maler, darunter Rembrandt, setzten sich mit ihnen auseinander.
Kaum waren die Räume einheitlich in einem eleganten dunklen Grün gestrichen und die Kunstwerke aufgehängt, musste die Ausstellung wenige Tage nach der Eröffnung am 13. März wegen der Corona-Krise wieder schließen. Genau ein Jahr, nachdem eine Monet-Ausstellung wegen des ersten Lockdowns kurz nach der Eröffnung ebenfalls die Türen schloss. Mittlerweile ist die Sieben-Tage-Inzidenz allerdings in Potsdam so weit gesunken, dass das Museum seit einigen Tagen wieder geöffnet ist – man wird sehen müssen, wie lange das so bleibt. Aber längst haben sich die Kultureinrichtungen – so auch das Museum Barberini – auf die Schließphasen in Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen eingestellt und ein umfangreiches digitales Vermittlungsangebot aufgebaut, das „Rembrandts Orient" auch bei geschlossenen Museumstüren erlebbar macht. Die Barberini-App ist auch ohne Besuch vor Ort ein digitaler Begleiter durch die Ausstellung. Sie bietet Audiotouren für Erwachsene und Kinder. Der Barberini-Prolog gibt auf der multimedialen Webseite einen Überblick über die Themen und Werke. In zahlreichen Videos mit internationalen Rembrandt-Experten kann man sich darüber informieren, wie die Maler des niederländischen Goldenen Zeitalters sich mit dem Nahen, Mittleren und Fernen Osten auseinandersetzten, die durch den Handel und Reisebeschreibungen bekannt wurden. Und in der Reihe „Rembrandt aktuell" widmet sich eine fünfteilige Gesprächsreihe des Ausstellungskurators Michael Philipp aktuellen Aspekten. Jeweils ein Werk bildet den Ausgangspunkt, um heutige Fragen zu Orientalismus, Globalisierung oder Identität näher zu beleuchten.