Bei den „Geißböcken" zeigen sich seit einiger Zeit viele Probleme. Im sportlichen Bereich kosteten Markus Gisdol eine harmlose Offensive, taktische und individuelle Fehler sowie fehlende Weiterentwicklung der Spieler seinen Job. Die Probleme greifen aber tiefer.
Nach der niederschmetternden Niederlage gegen den FSV Mainz 05 gab es einige fassungslose Gesichter im Rhein-Energie-Stadion. In wohl jeden Jahresrückblick wird es die Szene schaffen, in der Jonas Hector niedergeschlagen an einer Bande sitzt und Danny Da Costa von den siegreichen Mainzern neben ihm Platz nimmt – und das Leid einfach mit ihm teilte und Mut zusprach. Die gleiche Aufgabe hatte auch Markus Gisdol, der nach und nach zu seinen völlig enttäuschten Spielern ging und sie teilweise einfach nur in den Arm nahm. Dabei wird auch Gisdol gewusst haben, dass nun die fußballtypischen Mechanismen bei ihm greifen würden. „Ich bin mit der Mannschaft so umgegangen, wie man mit einer Mannschaft umgeht, die enttäuscht ist, weil sie ein Spiel verloren hat. Und was morgen ist, das werden wir sehen", sagte Gisdol auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. Schon kurz danach – oder vielleicht auch schon währenddessen – stand sein Aus als Trainer des 1. FC Köln fest. Die nackten Zahlen zeigen auch, warum dieser Schritt unvermeidlich war: In 51 Bundesligaspielen als verantwortlicher Coach hagelte es 25 Niederlagen – die Bilanz des Schwaben zählt zu den schlechtesten in der langen Vereinsgeschichte des FC.
Glaube an die Wende mit Gisdol
Bis zuletzt wollten die Verantwortlichen des FC glauben, dass die Wende und der Klassenerhalt mit Gisdol, der mit einem Vertrag bis 2023 ausgestattet wurde, gelingen könne. Doch dafür waren die Probleme der Kölner schon zu Beginn dieser Saison viel zu groß. Daran ist nicht nur der Trainer schuld. Als ein großer Faktor hat die Stürmer-Problematik hier ihren Platz. Auf die Abgänge von Simon Terodde, der in der Zweiten Liga erneut über 20 Tore erzielt hat und Jhon Cordoba, der für Hertha BSC stürmt, wurde nicht reagiert. Anthony Modeste verletzte sich früh, wurde mit Gisdol nicht warm und wurde nach langem Hin und Her in seine Heimat nach Frankreich verliehen. Die wenigen Neuzugänge, die es dann in der Offensive zu integrieren galt, hatten dann schlicht zu wenig Zeit. Allen voran waren es Ondrej Duda und Sebastian Andersson, die ins kalte Wasser geworfen wurden. Hinzu kam, dass Andersson sich früh in der Saison schwer am Knie verletzte und erst vor ein paar Wochen wieder ein Thema wurde. Neben dem Schweden fehlten auch Florian Kainz und Kapitän Jonas Hector monatelang.
Ohne eine vorhandene Offensive blieb die von Gisdol anvisierte spielerische und taktische Weiterentwicklung weitestgehend auf der Strecke, letztlich blieben die Erfolge in dieser Hinsicht sogar komplett aus. Diese immer größer werdende Harmlosigkeit konnte Gisdol seiner Mannschaft nie vollständig austreiben. Zwar wurde versucht, mit der Verpflichtung von Emmanuell Dennis im Winter dagegen zu steuern, doch der Ruf, der dem Nigerianer vorausgeeilt war, bewahrheitete sich: Vor dem Spiel gegen den FSV flog er sogar aus dem Kader. In Zahlen wird das Problem der Offensive erst richtig deutlich: In 28 absolvierten Spielen unter Gisdol erzielten die Kölner gerade einmal 27 Treffer. Bei Gisdols Endspiel gegen den FSV fielen die beiden erzielten Tore exemplarisch nicht aus dem Spiel heraus, sondern nach zwei Standardsituationen. Doch wie so oft ist es nicht nur die Offensive, die bei Abstiegskandidaten wackelt. Die Defensive steht dem Angriff nämlich in nichts nach. Denn der FC führte durch das Tor von Ellyes Skhiri sogar, viele Fans hofften auf den ersten Sieg nach einem Rückstand. Doch wie so oft kassierte die Mannschaft dann postwendend ein zu einfaches Gegentor zum Ausgleich. Und wie bereits bestens bekannt, setzte es dann in der Nachspielzeit den Todesstoß. Erneut nach eher hanebüchenem Abwehrverhalten.
Die mangelnde Torgefahr und die oftmals individuellen Fehler sind zusammen mit einigen taktischen Fehlgriffen und der fehlenden Weiterentwicklung der Spieler der Grund für die Entlassung von Gisdol. Doch diese Probleme sind keinesfalls neu und seit Saisonbeginn zu beobachten. Kaschiert wurde das meist von den wenigen hoffnungsvollen Auftritten in den schon oft ausgerufenen Endspielen von Markus Gisdol. Auch deshalb müssen sich der Vorstand und der Sport-Geschäftsführer Horst Heldt der Kritik stellen, vielleicht zu spät reagiert und so den drohenden Abstieg mitverschuldet zu haben. Diesem Ärger machten sich nun auch die Fans ein wenig Luft. Ein Plakat mit der Aufschrift „FC spürbar planlos. Vorstand und sportliche Leitung raus!" veranschaulichte am vergangenen Montag am Geißbockheim die Gemütslage vieler FC-Fans.
Den Karren aus dem Dreck ziehen soll nun Friedhelm Funkel. Von den ganzen Problemen muss sich der eigentlich zurückgetretene Fußballlehrer nun frei machen und um sich ein Team aufbauen, das die nötigen Entscheidungen trifft und vor allem in einer bestmöglichen Ruhe arbeiten kann. An Erfahrung mangelt es dem 67-jährigen nicht. Ganz interessant: Seit Wochen geisterte der Name Funkel durch die Zeitungen. Auch Funkel selbst rechnete wohl mit seiner Einstellung und seiner Rückkehr. Seine regelmäßigen Corona-Tests, um schnellstmöglich das Training leiten zu können, belegen das. Und als er dann seine wirklich letzte Episode im deutschen Profifußball antrat, hatte er für seinen Vorgänger doch ein kleines Lob parat: „Die Mannschaft hat zuletzt gute Leistungen gezeigt." Auch Heldt wollte noch ein positives Statement zu seinem ehemaligen Trainer abgeben. Gisdol habe „immer alles gegeben, die Ruhe bewahrt, nie seine Linie verloren und bis zum heutigen Tag mit seiner Arbeit überzeugt", sagte Heldt. Seinen Job verlor er trotzdem. Auch das kennt man aus dem Profifußball.
Funkel eigentlich schon in Rente
Funkel war durchaus bemüht, bei seinem ersten Auftritt eine gewisse Vorfreude und Zuversichtlichkeit auszustrahlen: „Nun gilt es, „mit dem gleichen Einsatz die notwendigen Punkte zu holen, um in der Liga zu bleiben", sagte Funkel und verkündete: „Ich bin überzeugt davon, dass wir das schaffen können." Das Problem an diesem Trainerwechsel ist dennoch nicht von der Hand zu weisen: Auch zwischen Gisdol und der Mannschaft passte es. Funkel muss es nun schaffen, die Mannschaft mit fachlichen Impulsen, schlauen Strategien, klugen Personalentscheidungen und vor allem durch seine Erfahrung auf seine Seite zu ziehen – und die vielen Kleinigkeiten auszumerzen, die zu dieser Krise geführt haben. „Ich hoffe, dass die Spieler durch den Trainerwechsel vielleicht noch einmal einen Schritt mehr gehen und einen Tick besser verteidigen", sagte Funkel.
Die Trainerentlassung ist im Allgemeinen die Folge einer langen Fehlerkette, wobei Funkel die wohl beste Lösung für das Engagement bis zum Saisonende ist. „Friedhelm hat nicht nur große Erfahrung, sondern ist auch mit solchen Situationen absolut vertraut", sagte Heldt über den neuen Chefcoach, der nach seiner Entlassung bei Fortuna Düsseldorf im Januar 2019 eigentlich endgültig aus dem Betrieb aussteigen und mit seiner Frau um die Welt reisen wollte. Das war unter den pandemischen Bedingungen nicht möglich, woraufhin im Herbst die Idee entstand, vielleicht doch noch einmal zu arbeiten.
Doch wie soll es nun ungeachtet des Ausgangs der aktuellen Saison personaltechnisch bei den Kölnern weitergehen? Viele Namen sind schon durch die Zeitungen gegeistert. Steffen Baumgart, der derzeit noch den SC Paderborn trainiert, dementierte die Gerüchte um seine Person. Torsten Fink hingegen soll jetzt schon ein Thema gewesen sein. Auch die Personalie Peter Stöger flammte im Umfeld wieder auf. Horst Heldt hingegen scheint fest im Sattel zu sitzen. Zwar werde nach der Saison die obligatorische Bestandsaufnahme stattfinden, von einer Entlassung wäre er aber beim Klassenerhalt weit entfernt. Bei einem Abstieg wäre ein kompletter Kahlschlag mit neuem Trainer und neuem Sportdirektor eher ein Risiko, vielleicht aber auch eine Chance.