Wasser ist nur ein Stein des Anstoßes in Überherrn, aber ein wichtiger. Denn das Werk des Batterieherstellers SVolt soll buchstäblich auf die grüne Wiese in ein Schutzgebiet.
Keine Großansiedlung ohne Skepsis – so verhält es sich ebenfalls mit der Ansiedlung des Batterieherstellers SVolt in Überherrn. Einer der Hauptkritikpunkte: das Wasser. Denn die neue europäische Produktionsanlage des chinesischen Unternehmens steht in einem Wasserschutzgebiet, grenzt an ein Naturschutzgebiet an. Zwei Bürgerinitiativen, in Friedrichweiler wie in Überherrn, hinterfragen kritisch unter anderem den Emissionsschutz, die Zahl der geplanten Arbeitsplätze, den Abstand der Fabrikgebäude zu Wohnsiedlungen sowie den Wasserverbrauch der geplanten Batterieproduktion.
SVolt plant den Bau in einem Wasserschutzgebiet der Stufe drei, wobei Stufe eins die höchste Schutzstufe zum Beispiel für Grundwasserbrunnen bedeutet. Rechtlich heißt dies zwar, dass das Land bebaut werden darf. Allerdings sind die Auflagen hoch, zum Beispiel müssen chemische Verunreinigungen des Bodens vermieden werden.
Bereits im Vorfeld einer ersten Informationsveranstaltung für die Bürger von Überherrn und Umgebung versicherten Maxim Hansch-Kramskoj und Kai-Uwe Wollenhaupt von SVolt, dass das Unternehmen bereits in der Planungsphase hohen Wert auf Umweltschutz lege. Chemisch belastete Abwässer gebe es keine. Außerdem soll der Wasserverbrauch so gering wie möglich gehalten werden. Zur Finanzierungssicherheit der von der landeseigenen SHS zu errichtenden Gebäude sagte Hansch-Kramskoj, dass diese nur errichtet werden, wenn eine Abnahme klar ist. Ob durch Miete oder Kauf werde gerade geprüft. „Die Absicherung ist dann gegeben, wenn die Parteien sich geeinigt haben."
Verfahren zum Bau kommt nun in Gang
Das finanzielle Polster von SVolt beträgt nach einer ersten Finanzierungsrunde mittlerweile 450 Millionen Euro. An dem noch jungen Unternehmen ist der chinesische Autohersteller Great Wall als ehemaliger Mutterkonzern zu 65 Prozent beteiligt. Den Kritikern reicht dies nicht. Sie wollen mehr Transparenz und in den Prozess miteinbezogen werden – wie am benachbarten Lisdorfer Berg jüngst geschehen. Eine Bürgerinitiative in Friedrichweiler sorgt sich vor allem um den Abstand zu Wohnhäusern. Siegfried Theobald (Foto) von der Bürgerinitiative „Freunde des Linslerfelds" in Überherrn lehnt die Ansiedlung an diesem Standort rundweg ab. Die Argumente der Initiative: Die Ansiedlung sei finanziell unsicher, ökologisch und sicherheitstechnisch eine Katastrophe. Es mangele für eine Entscheidungsgrundlage der Gemeinde an belastbaren Informationen. „Insbesondere die Tatsache, dass SVolt im laufenden Prozess einfach mal so Angaben zu ihren Wasserverbräuchen um 78 Prozent geändert hat, ist ein Vertrauensbruch", erklärt Theobald, der als Digitalisierungsberater arbeitet. Er hat nachgerechnet und kommt zu einem um drei Prozent abweichenden Ergebnis, anders als SVolt, die von 75 Prozent Einsparungen ausgehen. Die Bürgerinitiative hat per App, Webseiten-Formular und Briefpost ein Stimmungsbild in der Bevölkerung erhoben. „77 Prozent der abgegebenen Stimmen haben sich dafür ausgesprochen, aufgrund der bestehenden Risiken kein Baurecht zu schaffen. Aufgrund der Verwendung von Einmalpasswörtern zur Abstimmung und der Möglichkeit auch Personen teilnehmen zu lassen, die über keinen Internetzugang verfügen, lässt sich das Ergebnis meines Erachtens hochrechnen", so Theobald. An der Umfrage nahmen 1.337 Personen von 11.379 Einwohnern der Gemeinde teil.
SVolt gibt an, dass für die Anlage im Saarland ein Werk in China Pate stand. Im Gegensatz zu den chinesischen Breitengraden ist das Klima hier jedoch ein völlig anderes, sodass Vergleichsdaten für den Wasser- und Stromverbrauch in Überherrn verringert werden müssten. „Aktuell zeichnet sich ab, dass der Wasserverbrauch der Batteriefabrik wesentlich geringer sein wird als angenommen" heißt es in einer Presseveröffentlichung. „So wird bei einer Kapazität von zwölf Gigawattstunden von einem täglichen Wasserverbrauch von 1.600 Kubikmeter sowie einem Verbrauch von 2.770 Kubikmeter pro Tag in der finalen Ausbaustufe mit einer Kapazität von 24 Gigawattstunden ausgegangen." Dies entspricht knapp einer Million Kubikmeter pro Jahr, die jedoch nach Aussage des Unternehmens nicht komplett aus dem Reservoir vor Ort übernommen werden. Denn Überherrn besitzt nur Wasserrechte für 1,8 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Zum Vergleich: Das Saarland besitzt insgesamt eine jährliche Grundwasserkapazität von 130 Millionen Kubikmetern, von denen 100 Millionen abgepumpt werden dürfen. 70 Millionen davon wiederum werden von den saarländischen Haushalten und der Industrie verbraucht – wobei Grundwasser nicht gleich Trinkwasser ist. Nur etwa 65 Prozent des deutschen Trinkwassers stammt aus aufbereitetem Grundwasser, der Rest aus Oberflächenwasser, also Flüsse oder Seen, und Quellen.
Bürger besorgt um Emissionen und Wasser
Vom Bedarf von SVolt sind zudem rund 35 Prozent als Sicherheitsreserve vorgesehen. Um den Frischwasseranteil weiter zu reduzieren, plant SVolt unter anderem geschlossene Kreisläufe, optimierte Kühltechnik sowie den Einsatz von Brauch- und Regenwasser für Hydranten, WC-Spülungen oder die Vorkühlung des Kühlwassers. Außerdem arbeite SVolt an der Weiterentwicklung der Produktionstechnologie, so Hansch-Kramskoj: Trockenbeschichtungssysteme sollen den Einsatz von Lösungsmitteln und damit den Wasserverbrauch weiter senken. Abwässer der Fabrik sollen nach Firmenangaben einer zentralen, werksinternen Kläranlage zugeführt werden. Somit werde das Kanalsystem nicht zusätzlich belastet; ein weiterer Ausbau sei nicht erforderlich, heißt es. Inwieweit sich die Ansiedlung auf Trink- und Grundwasser auswirken wird, ist nun Gegenstand geplanter hydrogeologischer Gutachten.
Diese sind nach Meinung des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) Saarland auch dringend notwendig. „Eine Abschätzung dieser Wasserförderung auf den Landschaftswasserhaushalt gibt es überhaupt nicht", so der St. Ingberter BUND-Regionalgruppengründer Adam Schmitt. „Das heißt, im Umweltministerium sind die Hausaufgaben nicht gemacht worden. Die Gemeinde Überherrn will ein Vorrangebiet Landwirtschaft auf dem Linslerfeld in Industriefläche für SVolt umwandeln, weil sie Gewerbesteuern erwarten. Aber es fehlt ein neuer und abgestimmter Landesentwicklungsplan, der Vorrangebiete für die Landwirtschaft oder Industrieflächen festlegt. " Das Land habe eine Koordinationsfunktion mit dem Landesentwicklungsplan, der unter dem Aspekt Klimawandel bereits längst erneuert sein sollte. „Das derzeitige Problem beim Ausweisen von neuen Gewerbeflächen ist, dass die ökologischen Planungsgrundlagen für eine Beurteilung dieser Ansiedlung fehlen und nun erst im laufenden Verfahren unter Zeitdruck erhoben werden sollen."
Das Wasser in Überherrn reiche aus, um den von SVolt nun dargestellten Bedarf zu decken, „einschließlich der Versorgung von Überherrn mit Trinkwasser und dafür vorgesehene Reserven", versichert dagegen die Bürgermeisterin von Überherrn, Anne Yliniva-Hoffmann (SPD). Die unterschiedlichen Angaben des Unternehmens bezüglich der Wasserverbräuche kämen, so vermutet die Bürgermeisterin, nicht nur durch unterschiedliche klimatische Bedingungen, sondern auch durch einen möglicherweise anderen Umgang mit der Ressource Wasser am Standort des Vergleichswerks in China zustande.
„Die Ansiedlung bringt riesige Veränderungen – Arbeitsplätze für die gesamte Region, die im Moment geprägt ist durch den Stellenabbau in der Industrie", so Yliniva-Hoffmann. Außerdem bringe das Unternehmen Gewerbesteuern für den verschuldeten kommunalen Haushalt und habe Anziehungswirkung auch für andere Firmen. „Ja, eine Ansiedlung dieser Größenordnung ist ein Eingriff in das Landschaftsbild. In den baurechtlichen Verfahren in den kommunalen Gremien werden die erforderlichen fachlichen Stellungnahmen und Gutachten zum Ob und Wie ihrer Genehmigungsfähigkeit eingeholt." Sie verstehe die Sorgen der Bürger und ihre Kritik und stehe mit den Bürgerinitiativen im Kontakt.
Orts- und Gemeinderat votierten im April bereits für den Beginn des Ansiedlungsverfahrens. Die Bürgerinitiative will weiter dagegen ankämpfen.