Marton Dardai ist schon der zweite Sohn von Herthas Trainer, dem der Sprung in den Profifußball gelingt – auch wenn Vater Pal das Thema in dieser Form nicht besonders gefällt.
Dass dem Trainer von Hertha BSC gegenüber Medienvertretern hin und wieder mal der Kragen platzt, ist bekannt. Besonders ungewöhnlich jedoch war es vor sieben Wochen – denn sind Übungsleiter meist nach den Spielen noch so in Fahrt, dass sie leichter einmal aus der Haut fahren, so wurde es Pal Dardai bereits im Vorgespräch zum Heimspiel gegen Bayer Leverkusen zu bunt. Was war der Auslöser? Nun: Die Fernsehmacher hatten für die Partie auf Berliner Seite Marton Dardai als thematischen Aufhänger ausgewählt – der Verteidiger hatte erst vier Spiele zuvor sein Startelfdebüt für die Blau-Weißen gegeben und seitdem immerhin keine Einsatzminute verpasst. So weit, so gut – doch der Reporter brachte diese positive Bilanz in Zusammenhang mit der Frage, inwiefern es für den Coach Dardai eine besondere Situation sei, den Sohn in der Mannschaft spielen zu lassen. Schon während der Formulierung des Journalisten verfinsterte sich darauf die Miene des Ungarn: „Er ist kein Trainersohn, er heißt Marton Dardai und wird bewertet nach seinem Spiel", wies der 45-Jährige den Fragesteller zurecht – und seine emotionale Reaktion verriet dabei eben doch, dass es nicht um irgendeinen Hertha-Profi ging. Schließlich hatte der Reporter zuvor deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sich der Stammplatz des Filius nicht als Verwandtschaftsbonus ergeben hat und dies nach der ersten Reaktion Dardais auch noch mal wiederholt. Doch mit dem Ungarn – der offenbar gegenüber Medienvertretern schon des Öfteren darum gebeten hat, besagte Personalie nicht auf diese Weise anzugehen – war nicht mehr zu verhandeln. „Bei uns ist er nur ein Spieler, und er wird von der Diskussion nicht besser", erklärte Dardai seine Sichtweise als Trainer und unterstrich: „In der Kabine macht keiner diesen Unterschied – warum fragt Ihr immer danach?"
Wie Pal Dardai mit der Vater-Sohn-Konstellation umgeht, war dabei natürlich auch bereits hinlänglich bekannt – schließlich hatte schon sein Ältester Ende 2017 sein Profidebüt im Hertha-Dress absolviert. „Palko hat sich den Einsatz verdient", wurde damals schon betont, als der 18-Jährige in einem Spiel der Europa League zum Einsatz kam. „Wenn ich im Training gefoult werde, lässt er gerne weiterspielen", verdeutlichte Palko schon seinerzeit aber, dass die vermeintliche „Sonderbehandlung" eher in negativer Hinsicht stattfindet. Da gibt der Papa nur das weiter, was er selbst lernen musste. „Auch ich habe unter meinem Vater Fußball gespielt – und ich musste immer mehr zeigen als die anderen Spieler", erläutert der heutige Trainer die altbekannte Crux, die sich aus familiärer Zusammenarbeit im Verein ergibt. Durchsetzen konnte sich Palko Dardai bei Hertha BSC dann letztlich nicht – und hat mittlerweile einen Karriereschnitt vollzogen: Seit Anfang des Jahres tritt der Flügelflitzer für den ungarischen Erstligisten MOL Fehervar an. Bei Bruder Marton jedoch zeigt die Entwicklung positivere Ansätze. Schon unter Dardais Vorgänger Bruno Labbadia („Marton ist ein sehr klarer Junge") trainierte der noch 18-Jährige bei den Profis, stand dort regelmäßig im Kader und kam zu seinen ersten Einsatzminuten in der Bundesliga. Sein Startelfdebüt gegen RB Leipzig (0:3-Heimniederlage) im Februar 2021 unter Leitung seines Vaters wurde dann noch durch zwei Faktoren begünstigt: einerseits die Ausfälle der Abwehrspieler Dedryck Boyata und Jordan Torunarigha, andererseits die Unzufriedenheit Pal Dardais mit Omar Alderete. Der noch unter Labbadia geholte Innenverteidiger vermochte die taktischen Vorgaben des Ungarn nicht konsequent umzusetzen – und bekam, quasi zunächst als Denkzettel, den weit unerfahreneren Marton Dardai vor die Nase gesetzt. Hinzu kam eine Änderung im defensiven System: Herthas Trainer baut seit dem Leipzig-Spiel auf eine Dreierkette, in der sein Sohn den Posten links neben Niklas Stark in der Zentrale einnimmt. Mittlerweile trägt diese Umstellung Früchte – und da der 19-Jährige obendrein stets solide Leistungen abliefert (Noten im Fachmagazin „Kicker" zwischen 2,5 und 3,5), besteht auch in der Personalie Marton Dardai vorerst kein Grund zur Änderung.
„Schon im Nachwuchs wirkte er so, als wäre er 30"
So gehört der Junior letztlich schneller als gedacht zur Kategorie „Stammspieler" (nur im Derby gegen Union fehlte er wegen Knieproblemen), bei Hertha BSC aber sieht man sich nur bestätigt: „Das ist die Leistung, die ich von Marton erwartet habe", sagt Vater Pal, „aber auch in der Akademie ist davon kein Mensch überrascht." Der 1,88 Meter große Verteidiger bringt dabei einige Qualitäten mit. „Schon im Nachwuchs wirkte er so, als wäre er 30 Jahre alt", umschreibt Dardai Senior die Ruhe des Sohns auf dem Platz. Diese Fähigkeit führt etwa dazu, dass der „Anfänger" in den ersten sechs Bundesligaeinsätzen von Beginn an ohne Verwarnung blieb. Eine Ruhe, die aber nichts mit Behäbigkeit zu tun hat. „Er läuft 30 Meter unter vier Sekunden", weiß Herthas Coach zu berichten und lobt dazu seine langen Bälle aus der Verteidigung als „Waffe": „Die gehen dahin, wo sie hin sollen und mit Schärfe." Zu bestaunen etwa jüngst beim 2:2 gegen Borussia Mönchengladbach, als Marton Dardai mit einem perfekt getimten, langen Schlag Jhon Cordoba bediente und dieser nur noch rotwürdig vom gegnerischen Torwart gebremst werden konnte. Dazu hat er körperlich noch zugelegt, wächst also auch von der Statur her in die Position als Abwehrspieler im Männerbereich. „Wir wollen junge Spieler, die Leistung zeigen, bestmöglich an unseren Verein binden", bringt dann auch Herthas Sportdirektor Arne Friedrich den Wunsch des Vereins auf eine vorzeitige Vertragsverlängerung mit Marton Dardai zum Ausdruck. Der arbeitet parallel zum Training derzeit aber auch noch an seinem Abitur. Mit dem Ehrgeiz, den er auch hier an den Tag legt, sowie seiner Bescheidenheit kommt er dabei ganz nach seinem Vater. Der hat natürlich bei Hertha BSC große Fußstapfen hinterlassen: Bis heute ist er Rekordspieler der Blau-Weißen – und dank Martons Qualitäten nun der einzige Übungsleiter der Bundesligageschichte, der gleich zwei seiner Söhne im Oberhaus trainiert hat. Und auch dem dritten Spross im Bunde, dem in der B-Jugend aktiven Bence Dardai, wird der Sprung in den Herrenbereich zugetraut. Die jetzt schon besondere Erfolgsgeschichte der Dardais bei Hertha BSC, sie steht also vor ihrer Fortsetzung – nur Vater Pal sollte man tunlichst nicht mehr mit ihr behelligen.