Die Super League hielt sich genau drei Tage. Die Erschütterung innerhalb des Fußballs ist aber groß – und wird bleiben. Auch wegen der neuen Champions-League-Reform. Wie es zur Super League kommen konnte, muss nun umfassend geklärt werden.
Es waren große Wort:e „Es gibt eine Blutsbrüderschaft, die unsere Clubs zusammenhält. Das Super-League-Projekt hat eine hundertprozentige Erfolgswahrscheinlichkeit. Wir bewegen uns vorwärts." Das waren die Sätze von Andrea Agnelli gegenüber dem Blatt „Repubblica". Agnelli ist Präsident von Juventus Turin sowie Erbe und Vorstand beim Auto-Konzern Fiat. An seine Überzeugung glaubte er sogar noch, als er in der Nacht nach der Absage diese Aussage traf – während das Aus der Super League faktisch schon besiegelt war. Agnelli war gemeinsam mit dem Spanier Florentino Perez einer der Hauptantreiber dieser Pläne. Der Glaube bei diesen beiden Herren war sehr groß – auch wenn alles schon aussichtslos schien.
Parallel zur Blutsbrüderschaft-Aussage von Agnelli ging das Projekt schon längst den Bach hinunter – scheinbar hielten es nicht alle für eine Blutsbrüderschaft. Vor allem in England nicht, wo die sechs beteiligten Vereine – Manchester City, Manchester United, Liverpool, Chelsea, Arsenal und Tottenham – sehr schnell ankündigten, doch nicht mitzumachen. In diesen Momenten gab diese Super League schon ein groteskes Bild ab: Während ein Statement kursierte, indem die Initiatoren von ihrem weiteren gemeinsamen Weg sprachen, meldete sich Blutsbruder Agnelli dann mit einer Rolle rückwärts zu Wort: Die Super League sei nicht mehr umsetzbar, das Projekt endgültig tot.
Die Proteste eskalierten vor allem in England
Für den modernen Fußball glichen diese drei Tage einem Erdrutsch, den er so noch nie erlebte: die Verkündung der Super League als Gegenentwurf zur Champions League, der enorme Druck von Fans, Politik und der allgemeinen Öffentlichkeit und die harte Reaktion der Uefa, die eine Drohung enthielt, Klubs und Spieler aus den regulären Wettbewerben zu streichen. Während aber alle rebellierten, zeigte auch die Uefa ihr wahres Gesicht: Denn eigentlich hatte der Verband nur Angst, dass die neue Champions-League-Reform damit nicht über die Bühne gehen kann. Das Ganze soll 2024 starten, es geht um sechs Milliarden Euro pro Jahr. Währenddessen eskalierten die Proteste vor allem in England. Von den Fans über die Star-Trainer Jürgen Klopp und Pep Guardiola sogar bis zu Prinz William und Premierminister Boris Johnson. Die Party der Fußballmilliardäre war zu Ende, bevor sie angefangen hat. Den letzten Kämpfer der ehemals zwölf Vereine, Real Madrid, hieß die UEFA dann nach drei Tagen auch wieder Willkommen in ihren Reihen – ohne Sanktionen.
Jahrelang wurde die Super League angedroht, schon oft geisterten solche Pläne durch die Medien. Im ersten Anlauf sind die Pläne krachend gescheitert, ein schneller erneuter Versuch ist zudem nicht zu erwarten. Boris Johnson will in England solche Pläne mit einer überparteilichen Regelung künftig verhindern. Selbsterklärend: Ohne England kann es keine Super League geben. Die Auswirkungen sind trotz des schnellen Abbruchs verheerend. Innerhalb weniger Tage hat der Fußball sich neu aufgestellt. Die Macht hat sich von den zwölf großen Clubs verschoben nach Katar und deren gesponsorten Vereinen: FC Bayern München und Paris Saint-Germain.
Dass die Fans erzürnt waren und auch immer noch sind, ist klar. Doch womöglich haben viele Traditionsmarken irreparable Schäden davongetragen, besonders im Bereich von Sponsorendeals und zukünftigen Transfers. Die Aktie von Juventus fiel nach dieser Chose um zehn Prozent, Manchester United traf es ebenfalls hart, schreibt die „Süddeutsche Zeitung". Den Clubs drohen gegenüber ihren Finanziers scheinbar Strafzahlungen bis in den dreistelligen Millionenbereich – das konterkariert die Vorstellung des eigentlichen Nutzens der Super League für die großen Vereine. Denn eigentlich sollte diese Liga den hochverschuldeten Clubs wieder einen finanziellen Reigen bescheren.
Pläne nur in der Schublade?
Es gibt selbsterklärend finanziell nun viel zu regeln, auch deshalb war nach den Austritts-Statements nicht mehr viel zu hören von den gescheiterten Rebellen. Vom Tisch ist die Super League aber leider noch nicht: Nun muss eine Aufarbeitung folgen, wie es zu dem Projekt kommen konnte, welche Akteure aus dem organisierten Fußball mitgemischt hatten und wer sich warum und wie positioniert hat. Einfach gesagt: Wie sah die Strategie hinter den Kulissen aus? Denn an der Gründung war vor allem der Zeitpunkt überraschend und auch der überfallartige Prozess. Schon im Januar dieses Jahres war ein Arbeitspapier publik geworden. 15 Teilnehmer sollten es sein, die immer dabei sein sollen. Dazu sollten fünf wechselnde Gäste kommen. Modus und Budget waren klar, es sollten vier Milliarden pro Saison fließen. Hauptfinanzier sollte die US-Investmentbank JP Morgan sein und das Teilnehmerfeld aus den großen Clubs aus England, Spanien und Italien plus FC Bayern, Borussia Dortmund und Paris Saint-Germain gehören. Interessant auch, welche Figuren bei dieser Posse im Hintergrund die Fäden zogen. Ein Name, der immer fällt, ist Borja Prado, der ganz eng mit Reals Boss Perez verbunden ist. Diese zwei mächtigen Männer kooperierten schon beim Umbau des Bernabeu-Stadions, wo auch JP Morgan wieder als Hauptfinanzier auftrat. Prado ist auch in Italien bestens vernetzt. Dort war er leitender Gesellschafter des Medienimperiums Mediaset, dass Silvio Berlusconi gehörte. Während die Uefa dann mit harter Ablehnung gegen die Super League vorging, war der Weltverband Fifa gezwungen, diese Meinung auch zu teilen. Das hielt die Separatisten aber nicht davon ab, still weiter an ihrer Super League zu werkeln. Am Freitag vor dem berüchtigten Montag der Verkündung der Super League beschloss die von Agnelli angeführte Klubvereinigung ECA einstimmig das neue Format in der Champions League. Das Teilnehmerfeld wird aufgestockt auf 36 Mannschaften, zwei Wildcards für große Klubs inklusive. Und am darauffolgenden Samstag versicherte Agnelli gegenüber der Uefa, dass nichts dran sei an den Super-League-Gerüchten. Inmitten der eigentlichen Gründung der Super League. Ein großes Fragezeichen steht weiterhin dahinter, was die Clubs dazu brachte, so rigoros vorzugehen. Grundsätzlich müssen die Initiatoren mit einer großen Ablehnung von Seiten der Fans gerechnet haben. Dass der Angriff aus dem Hinterhalt kam, hat das Ganze nicht leichter gemacht. Die zwölf Vereine bauten darauf, dass sich nach kurzer Bedenkzeit auch die zwei deutschen Clubs aus München und Dortmund sowie Paris anschließen werden. Das hätte das Momentum sicherlich verschoben – doch dazu kam es nicht. Zwar kamen nicht sofort ganz klare Erklärungen, doch aus München und Paris übernahmen Vertreter die freigewordenen Posten bei der Uefa – damit war die Antwort klar. Abseits von der Uefa muss auch die Reaktion von der Fifa ins Auge gefasst werden. Denn Gianni Infantino, Präsident der Fifa, ließ eine klare Positionierung ausbleiben – wie schon so oft in seiner Karriere.
Deutsche Clubs im Hintergrund
Es kursierte das Gerücht, Infantinos Vertrauter Mattias Grafström sei in Gesprächskreisen zur Superliga dabei gewesen. Zur konkreten Anfrage, ob dies zutreffe, schwieg die Fifa laut der „Süddeutschen Zeitung". Im Arbeitspapier waren auch Qualifikationsmöglichkeiten für Infantinos Herzensprojekt der Klub-WM ausgeführt. Zudem gab es ein Kürzel in dem Papier: „W01". Dabei ging es um Solidaritätszahlungen. Für viele war klar, dass hinter diesem Kürzel die Fifa oder ein hoher Vertreter stecken würde. Denn Solidaritätszahlungen wären für die Super League von existentieller Bedeutung.
Alle Umstände und Hintergründe sind noch lange nicht aufgearbeitet. Das wird auch noch länger dauern – dafür sind zu viele Personen verstrickt und zu viele Dinge weiterhin im Dunkeln. Zudem ist unklar, ob die Initiatoren erneut einen Versuch starten werden, diese Super League zu gründen. Derzeit scheint sie gestorben, beschäftigen wird sie den Fußball aber noch lange.