Einige Spieler, die die Bundesliga im vergangenen Jahrzehnt prägten, werden sich in diesem Sommer von der wöchentlichen deutschen Fußball-Bühne verabschieden. Manche, zumindest als Spieler, unwiderruflich. Und sogar einen Schiedsrichter werden viele vermissen.
Lars und Sven Bender, Lukasz Piszczek, David Alaba und Jérôme Boateng: fünf Spieler, die in den vergangenen Jahren in der Bundesliga allgegenwärtig waren. Zusammen haben sie 64 Saisons in der Fußball-Bundesliga absolviert, also durchschnittlich fast 13. Und sie haben unglaubliche 1.453 Spiele in der deutschen Eliteklasse absolviert, 290 im Schnitt. Doch wenn die Saison 2021/22 am
13. August startet, werden sie alle nicht mehr dabei sein. Und der Bundesliga wird etwas fehlen. FORUM beleuchtet diese fünf Fälle und nennt noch andere Namen, von denen sich die Fans im Sommer (wahrscheinlich) werden verabschieden müssen.
Lars Bender und Sven Bender (32): Die Zwillinge gelten abseits des Platzes als eloquente und wohlerzogene junge Männer. Auf dem Platz aber sind sie ein Vorbild an Einsatzbereitschaft, schonen weder sich noch andere. Trainer Jürgen Klopp prägte einst den schönen Satz: „Ich bin echt froh, dass ich weder Vater noch Mutter von den Benders bin. Wenn ich vor dem Fernseher sitze und die Kinder blutend vom Platz kommen, das braucht ja kein Mensch." Nuri Sahin, Mitspieler von Sven Bender in Dortmund, stellte einst anerkennend fest: „Er geht mit dem Kopf in Zweikämpfe, in die ich nicht mal mit dem Fuß gehen würde." Und Sven Bender selbst sagte einmal: „Meine Freundin ist froh, wenn sie mich erkennt, wenn ich abends nach Hause komme."
Bender-Zwillinge waren Vorbild an Einsatz
Ihre Verletzungsakte sorgte auch dafür, dass die beiden bei Bayer Leverkusen seit vier Jahren wie in der Jugend bei 1860 München vereinten Zwillinge nicht den Abschied bekommen, den sie verdient hätten. Früh hatten sich beide auf ein gemeinsames Karriereende nach dieser Saison festgelegt. Doch in der Rückrunde stand kaum mal einer von ihnen auf dem Platz. Das Portal „transfermarkt.de" listet bei beiden insgesamt 60 Verletzungspausen in ihrer Karriere auf.
Gerade in einer Phase, in der ihr Verein sich auf die Fahnen geschrieben hat, endlich Titel zu gewinnen, werden die vorbildlichen Benders, die 2016 auch gemeinsam Olympia-Silber gewannen, Bayer Leverkusen gehörig fehlen. Und auch der Bundesliga im Ganzen. Grundsätzlich trauen viele den beiden auch Karrieren als Trainer oder Funktionäre zu. Ob die eher stillen Brüder diese anstreben, ist bisher aber nicht bekannt.
Lukasz Piszczek (35): Oft war der Pole schon abgeschrieben, doch immer wieder eroberte er sich bei Borussia Dortmund seinen Platz rechts hinten. Gerade jetzt wieder, im Endspurt seiner definitiv letzten Saison in Deutschland. Das ist bemerkenswert, denn schließlich wurde bei Piszczek schon 2013 ein Knorpelschaden an der Hüfte festgestellt. Die Schmerzen verfolgten ihn nahezu die gesamte Karriere. „Es gibt nur wenige Spieler, die ab und zu keine Schmerzen haben", sagt er lapidar: „Das ist im Profisport ganz normal."
2010 kam er als Stürmer von Hertha BSC zum BVB, doch Trainer Klopp schulte ihn schnell zum Rechtsverteidiger um. Das gab der Karriere des sympathischen Dauerläufers den entscheidenden Kick. Bei Dortmunds Meisterschaft 2011, dem Double 2012 und dem Final-Einzug in der Champions League 2013 war Piszczek ein prägendes Element. In Polen wurde er in die Jahrhundert-Elf der Nationalmannschaft gewählt.
Klopp sagte damals über ihn: „Pischu ist unser Königstransfer der letzten Jahre. Ich kenne wirklich keinen anderen Abwehrspieler auf der Welt, der so spielt wie er." Dass er auch ein außergewöhnlicher Charakter ist, zeigt die Tatsache, dass er nun noch mal für seinen Heimatverein LKS Goczalkowice spielen will. In der vierten polnischen Liga.
Piszczek wurde zum Verteidiger umgeschult
David Alaba (28): Beim FC Bayern München gehört David Alaba zum Inventar. Mit 16 wechselte er von Austria Wien in die Nachwuchs-Abteilung der Münchner, bei seinem Profi-Debüt war er der bis dahin jüngste in einem Pflichtspiel eingesetzte Bayern-Spieler. Seitdem war er eigentlich immer Leistungsträger, die Deutsche Meisterschaft in diesem Jahr wird sein 28. Titel mit dem FC Bayern sein. Für viele war es unvorstellbar, dass Alaba jemals für einen anderen Verein auflaufen wird. Doch bei den Verhandlungen über seine Vertragsverlängerungen wurden sich beide Seiten nicht einig und trugen ihren Zwist sogar öffentlich aus.
Hansi Flick, der Trainer und ebenfalls scheidende Alles-Gewinner, hatte Alaba vom Linksverteidiger zum Innenverteidiger umgeschult, dort überzeugte er fast noch mehr. Offenbar wollte der Österreicher in Gehaltsklassen von Robert Lewandowski oder Manuel Neuer aufsteigen. Der Ausbruch von Ehrenpräsident Uli Hoeneß, Alaba habe einen „geldgierigen Piranha" als Berater, erschwerte die Verhandlungen.
Halb Europa buhlte in der Folge um den 28-Jährigen. Als heißeste Kandidaten galten Paris Saint-Germain und Real Madrid, das offenbar den Zuschlag erhielt. Ob Alaba je in die Bundesliga zurückkehrt, ist fraglich. Mit den Bayern müsste er sich aussöhnen, den Schritt zu einem kleineren Verein wird er kaum gehen, zudem ist er mit München zu sehr verwurzelt.
Jérôme Boateng (32): Der Weltmeister von 2014 hat von allen Erwähnten am längsten in der Bundesliga gespielt. Am 31. Januar 2007 gab er für die Hertha sein Bundesliga-Debüt, über den Hamburger SV und ein Jahr bei Manchester City kam er 2011 zum FC Bayern. Als er unter Ex-Trainer Niko Kovac kein Stammspieler mehr war, empfahl ihm Hoeneß „als Freund, den Verein zu verlassen". Ein Wechsel zu Juventus Turin scheiterte, Kovac wurde beurlaubt und unter Flick wurde Boateng wieder Stammspieler. Seine Leistungen in diesem Jahr hätten zweifellos eine Vertragsverlängerung gerechtfertigt, zumal er meist an der Seite von Alaba spielte und die Bayern nun nach der Genesung von Niklas Süle ihr häufigstes Innenverteidiger-Pärchen der Saison abgeben. Doch die Entscheidung stand. Boateng muss gehen und ist darüber offenbar sehr enttäuscht. Über eine Rückkehr zur Hertha wurde gemunkelt, sie scheint jedoch unwahrscheinlich. Ein Wechsel ins Ausland ist die wahrscheinlichere Variante. Als Kandidaten gelten PSG, Manchester United oder der FC Arsenal. Auch ein Wechsel in die USA steht im Raum, könnte Boateng aber wohl zu früh kommen.
Viele Leihspieler mit ungeklärter Zukunft
Manuel Gräfe (47): Am Anfang seiner Karriere wurde Manuel Gräfe das ein oder andere Mal kritisch gesehen. Inzwischen gilt er bei Spielern wie Experten neben Deniz Aytekin und vereinzelt Felix Brych als Aushängeschild der deutschen Schiedsrichter. Weil er mit 47 die Altersgrenze erreicht, muss er wie Markus Schmidt und Guido Winkmann dennoch aufhören. Gräfe fühlt sich noch fit, seine Leistungen stimmen, deshalb regte er offen an, weiter pfeifen zu dürfen. Spieler, Trainer und Manager sprangen dem Berliner zur Seite, der seit 2004 insgesamt 287 Bundesliga-Spiele leitete. Kollege Winkmann soll sogar angeboten haben, bis zum Winter ohne Entlohnung weiterzupfeifen. Weil er sich nicht in einem leeren Stadion, sondern vor Zuschauern verabschieden will. Doch an der Altersgrenze wird letztlich wohl nicht gerüttelt.
Wen die Bundesliga darüber hinaus an Stars und Sternchen, an Charakter-Köpfen und Publikums-Lieblingen verlieren wird, bleibt abzuwarten. Normalerweise müssten nach Ablauf ihrer Leihen Luka Jovic (Eintracht Frankfurt/Real Madrid), Justin Kluivert (Leipzig/AS Rom), Douglas Costa (Bayern/Juventus Turin), Matteo Guendouzi (Hertha/FC Arsenal), Loris Karius, Taiwo Awoniyi (beide Union Berlin/FC Liverpool) oder die überzeugenden Bielefelder Japaner Ritsu Doan (PSV Eindhoven) und Masaya Okugawa (FC Salzburg) zurück zu ihren ausländischen Vereinen. Im Fall von Jovic soll es Verhandlungen geben, bei Kluivert erwägt Leipzig noch eine Weiterverpflichtung. Bei Spielern wie Guendouzi oder Doan erscheint die Zukunft offen. Vielleicht verlassen sie auch die aktuellen Vereine, und ein anderer Bundesligist greift zu.
Doch obwohl viele Fans – die der jeweiligen Vereine und in vielen Fällen sicher auch einige unparteiische – beim Gedanken an den Abschied dieser Stars eine Träne im Knopfloch verdrücken werden, scheint ebenso klar: Die Bundesliga wird neue Stars finden und in die Liga holen.