Vor allem seiner meisterhaft-fortschrittlichen Druckgrafik verdankte der vor 550 Jahren geborene Albrecht Dürer schon zu Lebzeiten internationalen Ruhm. Doch er verstand sich selbst nicht nur als Künstler, sondern als vielseitig interessiertes Individuum mit Werken zur Mathematik, zum Festungsbau oder zur Proportionslehre.
Im das Jahr 1500 erlebte das Abendland im Zuge der das Mittealter ablösenden Renaissance einen frühen Siegeszug neuer Medien in Gestalt des von Johannes Gutenberg entwickelten Buchdrucks und neuer Drucktechniken auf den Gebieten des Holzschnitts und des Kupferstichs. Wie kaum ein anderer Künstler seiner Epoche hatte der Nürnberger Albrecht Dürer die aus den neuen Vervielfältigungstechniken erwachsenden, auch finanziell hochlukrativen Chancen schon frühzeitig erkannt. Und er hatte sich einen eigenen Verlag zugelegt, mit dessen Hilfe er seine druckgrafischen Werke auch in Buchform unters Volk bringen konnte. Daneben ließ er Abzüge seiner zum Ausschmücken bürgerlicher Haushalte hochbegehrten Holz- oder Kupferstiche über eigene Vertreter europaweit auf Messen oder Märkten verkaufen. Dadurch wurde sein künstlerisches Schaffen in Windeseile nicht nur weit über die Grenzen des Heiligen Römischen Reiches bekannt, sondern machte den cleveren Geschäftsmann Dürer, der als einer der ersten Kunstschaffenden seine Werke systematisch mit einer Signatur, dem berühmten AD-Monogramm, versah, auch zu einem wohlhabenden Mann.
Im Unterschied zu den meisten seiner Kollegen konnte sich Dürer dank seiner erfolgreichen Druckgrafik in Auftragsangelegenheiten von Kirche und Hochadel weitgehend befreien, was in Zeiten der heraufziehenden Reformation und des sie begleitenden Bildersturms für viele andere Künstler zu einem großen Problem werden sollte. Zudem eröffnete die Druckgrafik Dürer ein gewaltiges Maß an gestalterischer Selbstverwirklichung abseits frömmelnder Motivik. Der Holzschnitt ermöglichte wesentlich höhere Auflagen als der Kupferstich, von dem meist nur 1.000 Exemplare hergestellt wurden.
Begründer der Landschaftsmalerei
Während er in seinen Holzschnitten noch vornehmlich volkstümlich biblische Stoffe aufgegriffen hatte, nahm er sich in seinen Kupferstichen alle künstlerischen Freiheiten. Er setzte nach niederländischen Vorbildern wie Jan van Eyck oder Rogier van der Weyden auf eine neue, für die Renaissance in Anlehnung an die Antike typische detailgetreue, naturalistische Arbeitsweise, die sich häufig weltlichen, antikisch-mythologischen oder alltäglichen Sujets zuwandte. Mit seinem 1504 fertiggestellten Kupferstich „Adam und Eva" bewies Dürer zudem schon in frühen Jahren sein Interesse an kunsttheoretischen Überlegungen, handelte es sich doch um die erste jemals in deutschen Landen ausgearbeitete Proportionsstudie.
Dürers größter Verdienst war es fraglos, die Druckgrafik zu einem autonomen Kunstwerk zu erheben, sie aus ihrer untergeordneten Rolle zur reinen Buchillustration zu befreien und sie gleichberechtigt neben der Malerei zu positionieren. Über die folgenden Jahrhunderte hinweg kann Dürer als der mit Abstand größte Meister des gedruckten Bildes angesehen werden. Für Dürer war Kunst eine intellektuelle Disziplin, die er nicht mehr wie noch im Spätmittelalter üblich dem Handwerk zugeordnet sehen wollte. Ganz im Sinne der von den Humanisten propagierten Wiederentdeckung der Freiheit des Individuums verstand er sich als kreativer Schöpfer, als Herr der Künste.
Das gestiegene Selbstbewusstsein einer neuen Künstlergeneration demonstrierte er in seinen berühmten Selbstporträts, den ersten überhaupt in der gesamten Kunstgeschichte. Ein erstes Selbstbildnis erstellte er mit dem Silberstift schon als 13-Jähriger im Jahr 1484, 1498 malte er ein „Selbstbildnis mit Landschaft" betiteltes Selbstporträt. Doch am berühmtesten ist natürlich das „Selbstbildnis im Pelzrock" aus dem Jahr 1500, in dem sich Dürer in traditioneller Christus-Manier mit schulterlangem Haar und Bart verewigt hatte. Sein exaltiertes Äußeres hatte er in Öl auf die Leinwand gebannt. Dürer hatte sich einen ungewöhnlichen Boheme-Look zu eigen gemacht. Bart oder langes Haar galten damals gesellschaftlich als No-Go, der moderne Mann pflegte in Pagenschnitt und glattrasiert aufzutreten.
Ohne seine druckgrafischen Meisterwerke, alleine gestützt auf seine Malerei, würde Dürer wohl heute kaum als bedeutendster deutscher Künstler der Renaissance-Epoche angesehen werden. Natürlich hat er auch auf Leinwand einige Werke für die Ewigkeit geschaffen, beispielsweise „Das Rosenkranzfest" (1506), „Maria mit der Birnenschnitte" (1512) oder „Die vier Apostel" (1526). Aber in Sachen Malerei war er in einem häufig kaum beachteten Genre weitaus innovativer. Denn schon in seiner schöpferischen Frühzeit ab dem Jahr 1494 hatte er die Landschaftsmalerei für sich entdeckt. Die rund 30 Blätter in zarten Aquarellfarben, die er ohne Auftrag zum Privatvergnügen und geradezu revolutionär en plein air erarbeitet hatte, bedeuteten den Beginn der Landschaftsmalerei in deutschen Landen. Das Genre einer eigenen Landschaftsmalerei hatte es im Mittelalter nicht gegeben, jegliche Naturdarstellungen waren höchstens Beiwerk zu Motiven aus der christlichen Glaubenswelt.
„Die Apokalypse" brachte den Durchbruch
Keinesfalls unerwähnt dürfen die mehr als 1.100 Zeichnungen bleiben, die im Gesamtwerk Dürers neben rund 90 Gemälden, mehr als 100 Kupferstichen und rund 350 Holzschnitten zahlenmäßig die Mehrheit bilden. Dürer war ein ebenso leidenschaftlicher wie genialer Zeichner. Was sich mit Ikonen wie den „Betenden Händen" belegen lässt. Er nutzte die Zeichnungen in seinem Atelier zu Demonstrationszwecken, um jeden Besucher mit diesen Virtuosenstücken von seinen künstlerischen Fähigkeiten überzeugen zu können. Was Dürer über seine zeitgenössischen Kollegen jenseits der Alpen aber am meisten hinaushob und ihn an die Seite von italienischen Universalgenies wie Leonardo da Vinci oder Michelangelo gestellt hatte, war seine vor allem auch von den Humanisten gewürdigte Beschäftigung mit über das praktische Kunstschaffen hinausgehenden Themen.
Er interessierte sich für Astronomie, entwarf Globuskarten, verfasste 1525 das erste Mathematikbuch in deutscher Sprache, veröffentlichte 1527 ein Opus über Schutzmaßnahmen zur Stadtverteidigung und arbeitete bis zu seinem Tod an einem postum 1528 erschienenen Hauptwerk „Vier Bücher von menschlicher Proportion". Nach seiner 1509 erfolgten Aufnahme in den Nürnberger Großen Rat war er gelegentlich auch als Diplomat im Dienste der florierenden Reichsstadt unterwegs.
Albrecht Dürer wurde am 21. Mai 1471 in Nürnberg als drittes von insgesamt 18 Kindern des aus Ungarn eingewanderten und in der Reichsstadt als gut situierter Goldschmied tätigen Albrecht Dürer d. Älteren geboren. Nach dem Schulabschluss trat der Filius als 13-Jähriger in die Werkstatt seines Vaters ein, um auf dessen Wunsch hin in seine beruflichen Fußstapfen zu treten. Das Erlernen des Bearbeitens von Kupferplatten gehörte damals zur Goldschmiede-Standard-Ausbildung. Doch 1486 beschloss Dürer, seine diesbezüglichen Fertigkeiten künftig in künstlerischem Umfeld weiter zu verfeinern. Entsprechend nahm er eine Lehre beim angesehenen und in der direkten Nachbarschaft beheimateten Maler Michael Wolgemut auf.
In letzten Lebensjahren große Bücherwerke
Zwischen 1490 und 1494 begab er sich auf die Wanderschaft an den Oberrhein. Nach seiner Rückkehr heiratete er Agnes Frey aus einer patrizischen Bürgerfamilie und konnte dank deren Mitgift wenig später seine erste Werkstatt eröffnen. Ende 1494 brach er zu seiner ersten Italien-Reise auf, um dort die Werke der berühmtesten Quatrocento-Künstler zu studieren. Auf dem wohl 1495 entstandenen Kupferstich „Die heilige Familie mit der Libelle" tauchte erstmals das AD-Monogramm auf. Mit der 15-teiligen Holzschnitt-Folge „Apokalypse", auch als „Die Offenbarung des Johannes" bekannt, gelang ihm 1498 der Durchbruch. Bereits um 1496 konnte er den Kurfürsten von Sachsen, Friedrich III. der Weise, zu seinen adligen Kunden zählen. Und schon um 1500 wurde er vom Humanisten Conrad Celtis mit dem antiken Malerfürsten Apelles verglichen.
Zwischen 1505 und 1507 stand die zweite Italien-Reise an. Um 1510 wurde er Günstling von Kaiser Maximilian I., der ihm 1515 eine fürstliche Leibrente von jährlich 100 Gulden zusprach, nachdem er 1512 bei Dürer das monumentale Holzschnittwerk „Ehrenpforte Maximilians I." in Auftrag gegeben hatte. Auch mit seinen sogenannten Meisterstichen sollte Dürer 1513/1514 für reichlich Furore sorgen: „Ritter, Tod und Teufel", „Der heilige Hieronymus im Gehäus" und „Melencolia I". 1515 entstand die bekannte Holzschnitt-Kuriosität „Rhinocerus", bei der Dürer das Abbild des Tieres nur nach Hörensagen und daher wenig naturgetreu gestalten sollte. Der Tod Kaiser Maximilians I. machte 1520/1521 eine Reise in die Niederlande erforderlich, weil Dürer sich vom künftigen Kaiser Karl V. eine Bestätigung der bisherigen Leibrentenzahlungen erbitten wollte.
In seinen letzten Lebensjahren kümmerte sich Dürer vor allem um seine theoretischen Bücherwerke. Er starb am 6. April 1528 in Nürnberg im Alter von 56 Jahren. Die Todesursache ist ungeklärt. Früher wurde eine Malaria-Erkrankung angenommen, heute wird häufig von einer Lungenentzündung gesprochen.