Mit ihrem nachhaltigen Label „Attire The Studio" setzt Xenia Adonts neue Mode-Maßstäbe. Aber auch Teile anderer Brands kann die gebürtige Russin stilsicher umsetzen.
Die Kalkulation ist einfach: Seide für 39,26 englische Pfund, Garn und weiteres Nähzubehör für zwei Pfund, Herstellung 63 Pfund, Transport 1,80 Pfund. Das macht um die 100 Pfund Gesamtkosten für die cremeweiße Seidenbluse. Ein edles Stück, das normalerweise mit 502 Pfund ausgepreist werden würde. Bei Xenia Adonts sind es jedoch nur 260 Pfund – ebenfalls kein Schnäppchen, aber eine textile Kreation, für die alle Beteiligten fair bezahlt werden. Die 30-Jährige könnte darüber eine Vorlesung vor BWL-Studierenden halten. Weil sie eben genau diese Rechnung aufmacht und nicht, wie bei anderen Luxuslabels, ein Vielfaches aufschlägt. Ihr Modelabel Attire The Studio ist ein Vorreiter in Sachen Mode, Ökologie und Ökonomie: Tatsächlich in der gesamten Schöpfungskette nachhaltig und mit transparenter Preisgestaltung, die auf der Homepage bei jedem Stück aufgeschlüsselt ist. Kein Plastik oder Polyester – nicht einmal bei einem Faden oder Knopf – findet den Weg in ihre Kollektionen. Statt Etiketten gibt es eingenähte QR-Codes. Sie setzt auf Seide und Wolle. Mit Baumwolle hat sie schon Probleme, da der Anbau viel Wasser verbraucht. Sie hat bereits viel Energie darauf verwendet, gangbare Wege zu finden. Bei den Betrieben, mit denen sie zusammenarbeitet, handelt es sich meist um kleine, familiäre Unternehmen. Ebenso will sie mit Attire schöne Mode machen, was wiederum nicht jedes nachhaltige Label fertigbringt. Vor zwei Jahren ist Xenia Adonts, Spitzname Xenia van der Woodsen, mit ihrem Modelabel durchgestartet, als eine der bekanntesten High-Fashion-Influencerinnen Deutschlands kennen ihre 1,6 Millionen Follower sie schon seit Mitte der 2000er-Jahre.
Dennoch sind ihre Biografie und vor allem ihre Person so spannend und authentisch, dass man sie sich immer wieder gern vergegenwärtigt. Geboren in St. Petersburg und in der Nähe von Hamburg als Tochter eines Vaters aus der Finanz- und Consultingbranche und einer Mathematiklehrerin mit einer jüngeren und einer älteren Halbschwester aufgewachsen, waren Mode und soziale Medien nichts, wovon sie als Kind geträumt hat. Vielmehr hat sie sich beruflich als Astronautin, Tierärztin, Anwältin oder Investmentbankerin gesehen. Ein Auslandsjahr in Amerika mit 16 Jahren wie auch ihr duales Studium an der Hamburg School of Business Administration mit dem Schwerpunkt Finanzen waren darauf nicht angelegt. Allerdings habe sie in Übersee gemerkt, dass jeder Moment auf einem Foto festgehalten werde. Als sie anfangs auf Insta, was sie eigentlich nur als persönliche Bearbeitungs-App genutzt hatte, Bilder von sich hochgeladen hatte und die Likes sich mehr und mehr häuften, war der Grundstein für Social Media gelegt. Es folgten Mode-, Reise-, Lifestyle- und Fitness-Tipps.
Mode war kein Berufswunsch
Die Eltern, relative Normalverdiener, gaben ihrer Tochter nur Taschengeld, wenn sie für die Schule gelernt hatte. Kein Problem, Xenia Adonts war eine sehr gute Schülerin, ehrgeizig und diszipliniert – auch heute ist sie das noch. Der Spruch ihrer Mutter, sie sei zu arm, um billig zu kaufen, hat ihr Qualitätsbewusstsein eingeschärft.
Sich richtig zu positionieren wurde ihr schon früh klargemacht. Nachdem sie für einen Gemüsechip-Post auf Instagram stolze 500 Euro bekommen hatte, machte sie eine Freundin darauf aufmerksam, dass sie sich eben darüber Gedanken machen müsse. Mit dem richtigen, sprich Xenia-transportierenden Branding, wuchs auf einmal ihre Fangemeinde enorm. 2016 waren es täglich rund 3.000 neue Follower und Followerinnen. Ein Jahr später machte sie den nächsten wichtigen Schritt. Sie wollte in die High-Fashion-Branche, besuchte Fashion Weeks und bekam über einen Bekannten einen Fuß in die Tür zu Chloé. Bis heute arbeitet sie mit dem Label zusammen. Als Fashion-Influencerin hat sie Kampagnen für Hunkemöller und Intimissimi gemacht, kooperiert mit Prada, Hermès, Gucci, Fendi oder Boss. Es gab zahlreiche, sehr gut dotierte Angebote, mit Fast-Fashion-Unternehmen zu kooperieren und für diese zu entwerfen. Dies lehnte sie jedoch immer ab, weil Materialien und Produktionsbedingungen nicht ihren Anforderungen nach grüner Mode entsprachen und auch der Kreativprozess eher von anderen gesteuert werden sollte, denn tatsächlich von ihr.
Die schöne, blauäugige Blondine – 173 Zentimeter groß, 58 Kilo leicht – gehört nicht der seichten Spezies ihrer Gattung an. Sie liefert keine Plattitüden, ihre Botschaften sind Ratschläge fürs Leben, auch wenn sie diese direkt aus der schillernden, inszenierten Modewelt postet: So steht sie für Individualität, eine positive Ausstrahlung, Mitmenschlichkeit, Authentizität und schätzt auch die kleinen Dinge im Leben. Mädchen und Frauen sollten sich nicht ständig darüber Gedanken machen, was andere über sie denken. Sie wünscht sich eine bessere Bildung in der dritten Welt und will eines Tages eine Wohltätigkeitsorganisation gründen. Sie kommuniziert aber auch eine taffe Arbeitsethik. Erfolg falle nicht vom Himmel, dafür müsse man diszipliniert arbeiten und immer 100 Prozent geben. Inzwischen lebt sie in ihrer Lieblingsstadt Paris, zusammen mit ihrem Freund Jürgen Mathies, mit dem sie bereits seit 2011 liiert ist. Er ist ihr Chief Financial Manager, übernimmt auf gemeinsamen Reisen aber häufig auch den Job als Fotograf der Lifestyle-, Reise- und Modemarke Xenia Adonts. Es ist kein ausschließlich glamouröses Bilderbuch, das so entsteht. Dinge schönreden lehnt sie ab, ein tolles Fashionfoto wird durch eine kleine Story auf den Boden der Tatsache gerückt. So sind ihre Empfehlungen glaubhaft und ihre Follower vertrauen ihr.
Giselle Bündchen als Vorbild
Sie gibt Einblicke in ihr Privatleben, jedoch bewusst ausgewählt. Sie verrät, dass sie früher sehr unsicher war, dass sie sich für einen positiven, neugierigen und hingebungsvollen Menschen hält und ein absoluter Sportfan ist. Ihre großen Vorbilder sind ihre Mutter sowie Model-Ikone Giselle Bündchen, seit sie deren Autobiografie „Lessons: Mein Weg zu einem sinnerfüllten Leben" gelesen hat. Lesen, das ist eines ihrer größten Hobbys. Obwohl sie von Instagram lebt, sei sie der Meinung, dass das Internet mit einer Leere daherkomme. Beschäftige sie sich zu viel damit, fühle sie sich leer. Was ihr hilft? Ein gutes Buch zu lesen. Das, gibt sie preis, erfülle sie sehr. Dies hat sie in einem spannenden TV-Interview vor zwei Jahren, bei dem sie und der Schriftsteller Ferdinand von Schirach zu Gast waren, gesagt. Paris als Wahlheimat, wie Hamburg als Stadt, wo ihre Familie und Freunde leben und ihr Modelabel seinen Sitz hat, sind ihre beiden Lebenswelten.