Den Start ins Leben hätte sich Christiane selbst sicherlich anders gewünscht. Stattdessen ist ihre heimliche Geburt im Stuttgart von 1804 gerade erst der Beginn eines seltsamen und teils auch rabiaten Erziehungsexperiments.
Ihrer adeligen Mutter wird sie gleich nach der Geburt entrissen, und so landet sie auf Geheiß des Stadtmedicus zunächst bei einer Amme. Und dann ist da auch noch die Schwester des Medicus, die seit jeher ein Problem mit ihrer gefühlten Schattenrolle gegenüber ihrem Bruder hat und sich nicht damit abfinden kann, dass er ihr dieses Kind nicht anvertraut. Durch Intrigen beeinflusst sie das Weiterreichen von Christiane an sich selbst und sorgt damit für eigene Genugtuung. Ein Aufwachsen in Liebe gönnt sie dem Kind nicht und so wird Christiane im Laufe ihres Lebens wie ein Spielball immer hin- und hergeworfen.
„Das Mündel des Hofmedicus" ist nicht nur einfach ein historischer Roman; er zeigt auch ein Erziehungsexperiment, bei dem immer wieder zwei Spielkarten eine Rolle spielen. Ein Streifzug durch das Aufwachsen im frühen 19. Jahrhundert mit seinen ganz eigenen Passagen von der Amme über die Pfarrersfamilie, von Ruteschlägen und Momenten der Geborgenheit bis hin zur Mädchenanstalt und dem Erfahren der ersten Liebe als junge Heranwachsende. Wie entwickelt sich ein Kind, das so vielen Gegensätzen ausgesetzt ist? Und wird es überhaupt überleben?
Interessant ist „Das Mündel des Hofmedicus" und spannend obendrein – will man stets erfahren, wie die Lebensreise von Christiane weitergeht. Noch spannender macht die Geschichte die Tatsache, dass gewisse Stationen tatsächlichen Begebenheiten entsprechen. Autorin Jutta Weber-Bock lebt nicht nur in Stuttgart und unterrichtet dort neben ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin auch im kreativen Schreiben, sie stieß bei Recherchen im Hauptstaatsarchiv auf das Schicksal des Mädchens Christiane, das sie auch um fiktive Elemente ergänzte, möglichst an den geschichtlichen Fakten orientiert.