Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt könnte die politische Landschaft in Bewegung geraten. Die SPD schwächelt bei zehn, die CDU zittert um die 20 Prozent, und die FDP spielt wieder mit. Die Grünen dagegen sind im Aufwind, die AfD bleibt stabil.
Es ist der letzte Test vor der Bundestagswahl. Am 6. Juni wird der neue Magdeburger Landtag gewählt – in dem einzigen Bundesland mit einer sogenannten Kenia-Koalition aus CDU, Grünen und SPD. Glaubt man den Wahlumfragen, hätte sie wieder eine Mehrheit – aber nur dank der Grünen, die ihr Ergebnis verdoppeln könnten. Ein Unsicherheitsfaktor ist die FDP. Sie könnte alle Koalitionspläne durcheinanderbringen.
Die CDU
CDU-Spitzenkandidat ist auch diesmal Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), der seit zehn Jahren in Magdeburg regiert. Er ist bei Wittenberg geboren und Diplom-Physiker. Haseloff (67) steht für Stabilität, aber seine Partei ist in sich zerrissen. Im Streit um die Lockdown-Maßnahmen wandte sich die CDU Sachsen-Anhalt gegen die Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes, setzte sich aber nicht durch. Auch bei der Wahl des Parteivorsitzenden wurde nicht ihr Wunschkandidat Friedrich Merz, sondern Armin Laschet gekürt. Und als es um die Kanzlerkandidatur ging, war die Mehrheit für Markus Söder, nicht für Laschet. Dass es in der Partei in Sachen Abgrenzung von der (noch) zweitstärksten AfD brodelt, zeigt sich in der Tatsache, dass Haseloff vor einem halben Jahr Knall auf Fall den Fraktionschef Holger Stahlknecht, seinen designierten Nachfolger, entließ, als der sich im Zuge der Affäre um die Erhöhung der Rundfunkbeiträge für eine Minderheitsregierung unter Tolerierung durch die AfD einsetzte. Kommt noch die Wählerenttäuschung nach dem Maskenbeschaffungsskandal dazu, könnte die CDU so viele Stimmen einbüßen, dass die AfD zur stärksten Partei wird. In der letzten Forsa-Umfrage lag die CDU bei 26, die AfD bei 24 Prozent. Das wäre bundesweit ein Novum und würde die Landes-CDU schwer erschüttern.
Die AfD
Die AfD Sachsen-Anhalt tritt mit ihrem Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Oliver Kirchner, an. Ihr Hauptanliegen ist: Lockdown beenden und zwar sofort – trotz hoher Infektionsrisiken. Die Umfragen deuteten zunächst darauf hin, dass die AfD mit dieser Strategie Pluspunkte sammelt und in Befragungen auf 23 bis 25 Prozent kam. Die letzte Infratest Dimap-Umfrage sah die Partei bei 20 Prozent. Das könnte bedeuten, je besser die Pandemie-Lage, desto weniger Stimmen für die AfD. Oliver Kirchner (55), geboren in Magdeburg, ist von Beruf Autohändler und gelernter Kfz-Mechaniker. Im Landtag hat er sich mehrfach für die Wiederaufnahme des geschassten Rechtsextremisten Andreas Kalbitz in die AfD starkgemacht. Er wird als Rechtsaußen eingeordnet und gehört zu dem offiziell aufgelösten „Flügel“. Das ist mit ein Grund, warum die AfD Sachsen-Anhalt vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Alle im Landtag vertretenen Parteien haben eine Zusammenarbeit mit ihr in der Vergangenheit immer wieder abgelehnt. Auch Kirchner sieht vorerst keine Koalitionsmöglichkeiten für seine Partei, auch nicht mit der CDU: „Ich kann mir eine Koalition mit dieser CDU unter den führenden Köpfen nicht vorstellen“, betont er.
Die SPD
Katja Pähle (44) heißt die Spitzenkandidatin der SPD Sachsen-Anhalt für die Landtagswahl. Pähle hat in Halle Soziologie und Psychologie studiert und stammt aus dem Mansfelder Land. Die SPD regiert seit Sommer 2016 gemeinsam mit der CDU und den Grünen. Diese Kenia-Koalition war von Beginn an nicht als Bündnis auf Dauer ausgelegt. Vielmehr ging es darum, dem Erstarken der AfD ein „Bündnis der Mitte“ entgegenzusetzen. Dass die SPD nach der Wahl eher neue Bündnisse eingehen möchte, hat sie nicht verhehlt. Innerhalb des Landesverbands ist der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby aus Halle besonderen Bedrohungen ausgesetzt. Im Januar wurde auf sein Büro geschossen. Für die SPD steht Sachsen-Anhalt 2021 vor einer „Richtungsentscheidung“, ob künftig „Anstand und Vernunft“ im Vordergrund stünden oder das erste Regierungsprojekt von CDU und AfD installiert werde, schreibt der Landesvorstand. In den Umfragen liegt die SPD bei zehn Prozent.
Bündnis 90/Die Grünen
Cornelia Lüddemann, Fraktionsvorsitzende der Grünen, kann sich offenbar über den Rückenwind aus Berlin freuen. Laut einer repräsentativen Umfrage von Forsa würden zwölf Prozent der Sachsen-Anhaltiner grün wählen. Das ist mehr als das Doppelte im Vergleich zu den Ergebnissen der Wahl 2016. Nach eigener Aussage ist die Partei bereit, nach den Wahlen im Juni Regierungsverantwortung zu übernehmen. Dass es wieder nur mit der CDU gelingen könnte, eine regierungsfähige Koalition zustande zu bekommen, finden nicht alle amüsant. Erst kürzlich sorgte eine hämische Karikatur von Claudia Roth, die Justizministerin Anne-Marie Keding auf Facebook veröffentlichte, für erheblichen Ärger. Cornelia Lüddemann (53), geboren in Dessau, ist von Beruf Bibliothekarin. Sie engagiert sich als Katholikin 1989 im Neuen Forum und trat 1992 in die Partei Bündnis 90/Die Grünen ein. Seit 2011 ist sie im Landtag von Sachsen-Anhalt vertreten.
Die Linke
Die Linke in Sachsen-Anhalt ist kürzlich aufgefallen mit einem Wahlplakat, auf dem stand: „Nehmt den Wessis das Kommando“. Landeschef Stefan Gebhardt und Spitzenkandidatin Eva von Angern hatten bei ihrer Kampagnenvorstellung auch dieses Plakat gezeigt. Nicht nur die anderen Parteien haben sich anschließend aufgeregt, sondern auch Mitglieder der eigenen Partei. Man hatte zwar nie vor, das Plakat wirklich aufzuhängen, aber so brachte die Aktion die gewünschte Aufmerksamkeit. Eva von Angern (42) hat seit 2002 ein Mandat im Landtag. Die Rechtsanwältin ist seit dem 1. Dezember 2020 Co-Vorsitzende der Linken-Fraktion. Die Linke in Sachsen-Anhalt liegt laut Umfragen bei 13 Prozent (zum Vergleich: 2011 lag die Partei noch bei 24 Prozent). Eine rot-rot-grüne Koalition bleibt allerdings eine Wunschvorstellung, die Stimmenanteile würden nicht reichen.
Die FDP
Der FDP könnte mit prognostizierten sieben Prozent nach zehn Jahren der Wiedereinzug in den Landtag gelingen. Ihre Spitzenkandidatin Lydia Hüskens (57), die stellvertretende Landesvorsitzende, ist promovierte PR-Beraterin und kommt aus Geldern bei Münster. Damit ist sie die einzige im Westen geborene Spitzenkandidatin. Ihr Wahl-slogan lautet: „Ein Land fährt hoch“. Lydia Hüskens sieht ihre Partei durch die Corona-Krise im Aufwind. Sie betont, die FDP vertrete eine Politik, die auf die Freiheit, auf die Verantwortung der Menschen setzt. Acht Prozent will sie bei der Landtagswahl erreichen und setzt dabei auf den Bundestrend. Wenn der hilft, könnte eine Koalition aus CDU, SPD und FDP zustande kommen – die ungeliebten Grünen wären in der Opposition. Nicht unwahrscheinlich wäre auch ein Jamaika-Bündnis aus CDU, FPD und Grünen. Das passt nicht ganz zu der Kritik von Parteichef Christian Lindner an Ministerpräsident Haseloff. Weil er nichts gegen die Bundesnotbremse unternommen habe, warf Lindner ihm vor, keine eigenen Ziele zu verfolgen und nur nach Macht zu streben.