Fredi Bobic ist seit 1. Juni neuer „Geschäftsführer Sport" bei Hertha BSC – und soll den Verein bereit für größere Aufgaben machen.
Es war beileibe keine Überraschung, als sich Hertha BSC im April als neuer Arbeitgeber von Fredi Bobic vorstellte. Nicht einmal, wie schnell der Abschluss vor sich ging – nachdem der bisherige Sportvorstand wochenlang mit seinem Arbeitgeber Eintracht Frankfurt um seine vorzeitige Freigabe verhandelt hatte. Kaum war die Trennung am 14. April perfekt, wurde nur Stunden später schon der Vollzug aus der Hauptstadt gemeldet. Bobics Spur aber hatte schon seit Anfang des Jahres mehr als deutlich nach Berlin geführt – seine Verbindung zur Hauptstadt und zum Verein war ohnehin seit seinem Engagement bei Hertha BSC als Spieler (2003 bis 2005) praktisch nie abgerissen. Mit Frau und Kindern bewohnte er damals ein Haus im Stadtteil Dahlem – für seine Familie blieb es auch der erste Wohnsitz, als Bobic seine aktive Karriere beendete, aber weiterhin beruflich in Sachen Fußball unterwegs war.
Über Ungarn und Stuttgart nach Frankfurt
Sein alter Weggefährte Krassimir Balakow, der mit ihm und Giovane Elber einst das berühmte „magische Dreieck" beim VfB Stuttgart bildete, lotste ihn im März 2009 zum bulgarischen Erstligisten FC Tschernomorez Burgas, wo er seine erste Stelle als Verantwortlicher übernahm: Geschäftsführer für Sport und Marketing. Die ursprünglich auf fünf Jahre festgelegte Zusammenarbeit an der Schwarzmeerküste endete aber schon im Sommer 2010. Eine für Bobic interessante Offerte sorgte bereits in diesem Fall für einen vorzeitigen Wechsel: Sein „Heimatverein" aus Stuttgart wollte ihn für den Posten des Sportdirektors. Sicher spielte also die persönliche Komponente bei seiner Entscheidung – wie auch jetzt im Fall von Hertha BSC – eine große Rolle. Bobic übernahm den Posten beim VfB allerdings in finanziell schwierigen Zeiten, musste mit dem Geld haushalten und erwirtschaftete in den ersten drei Spielzeiten ein Transferplus von jeweils um die sieben Millionen Euro. Im zweiten Jahr war dabei sogar Platz sechs in der Bundesliga herausgekommen, ansonsten siedelten sich die Schwaben in der zweiten Tabellenhälfte an. Dennoch war man am Neckar mit Bobics Arbeit zufrieden, im April 2013 wurde er wegen eines Abgangs auf Führungsebene sogar zum Vorstand Sport befördert. Nach Platz 14 in der folgenden Spielzeit und einem missratenen Start in die Saison 2014/15 trennte sich der VfB Stuttgart dann jedoch von ihm – und um Fredi Bobic sollte es zunächst etwas ruhiger werden.
Erst zum Juni 2016 begann für ihn ein neues Kapitel – Eintracht Frankfurt verpflichtete den früheren Nationalspieler für den sportlichen Bereich im Vorstand. Es sollte eine echte Erfolgsgeschichte werden: Zweimal nahmen die „Adler" am DFB-Pokalendspiel teil, 2018 holten sie die Trophäe sogar durch einen denkwürdigen Sieg gegen Bayern München. Als Erfolgstrainer Niko Kovac die Hessen dann in Richtung Rekordmeister verließ, holte Bobic den Österreicher Adi Hütter an den Main – ein echter Glücksgriff. Ein großartiges Händchen bewies er auch bei Verpflichtungen von Spielern wie Sébastien Haller oder Luka Jovic, die mit gewaltigem Gewinn weiterveräußert werden konnten. Der zunächst ausgeliehene und dann für drei Millionen Euro vom AC Mailand verpflichtete André Silva, diese Saison mit 28 Treffern zweitbester Schütze der Bundesliga, dürfte der nächste Profi in dieser Reihe sein. Die beiden Teilnahmen an der Europa League elektrisierten außerdem Verein und Fans der Eintracht geradezu – schon im August 2018 wurde Bobics Vertrag in Frankfurt daher vorzeitig um weitere vier Jahre verlängert. Eine Abmachung jedoch, die für Frankfurts Sportvorstand zum Hemmschuh werden sollte, als bei Hertha BSC Ende 2020 die Dinge erst langsam und dann ganz schnell in Bewegung geraten sollten. Mit der Einstellung von Carsten Schmidt zum 1. Dezember als Vorsitzendem der Geschäftsführung hatten sich in der Hauptstadt jedenfalls die langjährigen Machtverhältnisse geändert. Der anhaltende sportliche Abwärtstrend unter Bruno Labbadia löste letztlich dann Ende Januar einen Erdrutsch aus, der nicht nur zur Trennung vom Trainer, sondern gleichzeitig auch vom Geschäftsführer Sport Michael Preetz führen sollte. Fredi Bobic war dabei von Anfang an Nachfolgekandidat Nummer eins auf der Liste bei Hertha: Seine Referenzen aus Frankfurt, aber auch seine Verbindung zu Berlin und dem Verein machten den 49-Jährigen schlicht zur Idealbesetzung.
Hertha BSC zahlt eine Ablöse von 2,5 Millionen Euro
Die Gerüchte verdichteten sich bald, dass Bobic die Eintracht-Verantwortlichen von seinen Absichten in Kenntnis gesetzt habe. Im März verkündete er dann öffentlich, seine Tätigkeit in Frankfurt zum Sommer beenden zu wollen. Trotz Kritik an seinem Vorgehen hielt Fredi Bobic an seinem Entschluss fest und begründete ihn damit, dass manchmal eben auch persönliche Gründe ein starkes Argument für eine Veränderung seien. Einfach freigeben wollte die Eintracht ihren erfolgreichen Vorstand Sport jedoch nicht – so muss Hertha BSC für seinen neuen Funktionsträger eine Ablösesumme von kolportierten 2,5 Millionen Euro nach Frankfurt überweisen. Die Aufgabe, die Bobic an der Spree erwartet, gestaltet sich dabei anders als die bisherigen. Zwar soll der neue sportliche Leiter dafür Sorge tragen, dass die Blau-Weißen eher früher als später dahin kommen, wo er die Frankfurter verlassen hat – als Kandidat für die Europa-, ja sogar Champions League beziehungsweise Aspiranten auf den nationalen Pokal. Transferüberschüsse genießen dank der millionenschweren Investitionen von Lars Windhorst in Berlin jedoch nicht oberste Priorität – ein bisschen in die Tasche greifen darf Fredi Bobic für den Erfolg also schon. Aber auch dafür muss er ein gutes Händchen beweisen, schließlich wurde bei der „Alten Dame" zuletzt bereits viel Geld ohne bislang nennenswerten Ertrag ausgegeben. Die Weichen endlich für eine erfolgreichere Zukunft zu stellen, ist dem Neuen auf der Kommandobrücke dabei zuzutrauen – bleibt aber aufgrund jahrelangen sportlichen Darbens bei Hertha BSC auch eine Aufgabe mit hoher Erwartungshaltung und dadurch großer Fallhöhe. Für den „Bauchmenschen" Bobic war das bei seiner Entscheidung jedoch nachrangig. „Ich freue mich", so seine erste Stellungnahme, „ab Sommer wieder Teil der Hertha-Familie zu sein." Mit dem inzwischen gelungenen Klassenerhalt hat ihm das Team dabei schon mal einen „Fehlstart" erspart – denn Bobics Vertrag wäre auch für die Zweite Liga gültig gewesen.