Hans-Dieter – genannt Hansi – Flick wird nach der EM neuer Bundestrainer. Sein Vertrag läuft bis nach der Heim-EM 2024. Und seine Wahl war so logisch, dass sie niemanden überraschte.
Ein Twitterer hatte die Logik hinter den Bundestrainern schnell entschlüsselt. „Berti, Rudi, Klinsi, Jogi, Hansi." Abgesehen davon, dass diese Serie durch die von vielen verdrängte Amtszeit von Erich Ribbeck unterbrochen wurde, eine durchaus logische Reihenfolge. Wobei das Verniedlichungs-I, das alle Welt bei Hans-Dieter Flick nutzt, sicher bei den Kriterien, die ihn zum neuen Fußball-Bundestrainer machen, die geringste Rolle gespielt hat.
Wobei Flicks Biograf Günter Klein festgestellt hat, dass es dem Trainer, der mit dem FC Bayern München gerade in knapp zwei Jahren sieben Titel gewonnen hat, durchaus eher nützlich als schädlich war. „Es trägt sicher zu seiner Beliebtheit bei", sagte Klein. Und stellte gleich im Einstieg seines Buches die Frage, ob man einen über 50-Jährigen, der so viel gewonnen hat, „Hansi" nennen darf. „Hansi heißen in Deutschland Wellensittiche – so wie Hunde Bello heißen", schrieb Klein. Kam aber bei seinen Recherchen zu dem Schluss, dass Flick auf das „I" besteht: „Es ist sein Markenzeichen. Er will Hansi sein." Entstanden ist der Name schon in frühen Jahren. Denn Flicks Vater hieß ebenfalls Hans. Und der Sohn von Hans war dann eben der Hansi.
Wie dem auch sei. Egal, ob Hans, Hans-Dieter oder Hansi Flick. Der Mann wird neuer Bundestrainer. Er darf die deutsche Nationalmannschaft bei der mindestens seltsamen Winter-WM in Katar betreuen und nach jetziger Vertrags-Lage auch bei der Heim-EM im Jahr 2024. Und das Besondere an seiner Geschichte ist, dass der Hansi – vielleicht wegen seines Spitznamens, vielleicht aber auch wegen seiner meist netten, zuvorkommenden Art – jahrelang komplett unterschätzt wurde.
Flicks Vorteil: Er genießt viele Sympathien
Acht Jahre lang, von 2006 bis 2014, war er treuer und unaufdringlicher Co-Trainer des nun scheidenden Bundestrainers Joachim Löw. Immer brav im Schatten. Löw hatte sich neben Motivator Jürgen Klinsmann schnell als Taktik-Tüftler emanzipiert. Eine Rolle, die es ihm ermöglichte, nach dem Rücktritt seines Chefs nach zwei Jahren zu dessen Nachfolger zu werden. Flick galt als jemand mit einem guten Gesamtpaket. Doch ein klares Bild als Motivator, Taktiker oder Schleifer gab man ihm damals in der zweiten Reihe nicht.
Im Rückblick sagen viele, dass es für alle das Beste gewesen wäre, wenn auch Flick 2014, nach dem Höhepunkt des WM-Titels von Rio, seinen Chef beerbt hätte. Doch Löw wollte unbedingt weitermachen, ohne jemals wieder an den Erfolg anknüpfen zu können. Und Flick tauchte nicht plötzlich irgendwo anders auf dem Trainermarkt auf. Er wurde Sportdirektor beim DFB, warf dort nach zweieinhalb Jahren hin. Als Geschäftsführer bei 1899 Hoffenheim danach sogar nach acht Monaten. 2019 holte ihn dann der FC Bayern. Der erfahrene Co-Trainer Peter Hermann hatte den Verein verlassen und man wollte Niko Kovac neben dessen Bruder Robert nach einem nicht ganz einfachen ersten Jahr noch einen erfahrenen Assistenten zur Seite stellen. Flick übernahm ganz uneitel.
Heute sagen sie beim FC Bayern, dass sie damals ja schon im Hinterkopf hatten, dass Flick im Fall der Fälle auch als Chef einspringen könne. Doch damals war er schon 54, und er war zuletzt 14 Jahre zuvor Cheftrainer gewesen. In der 3. Liga in Hoffenheim. Dennoch wurde Flick befördert, als Kovac im November 2019 gehen musste. Zunächst war er Interimslösung, dann bekam er bald einen Vertrag als Chefcoach und noch eine Vertragsverlängerung bis 2023 obendrauf. Denn nachdem Flick vom nationalen Double bis zum Champions-League-Titel und der Club-WM jeden Titel abgeräumt hatte, den es abzuräumen gab, hofften die Bayern, endlich mal wieder einen Trainer gefunden zu haben, mit dem man eine echte Ära prägen würde. Dem war nicht so. Warum haben wir kürzlich an dieser Stelle ausführlich thematisiert. Da ist zum einen eben dieser ganz eigene Kopf Flick, der schon mehrfach selbst in nach außen guten Lagen von selbst ging, wenn er es für die richtige Entscheidung hielt. Da war das belastete Verhältnis mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic und wahrscheinlich auch eine leise Enttäuschung darüber, dass sich die Bosse in diesem nicht klar zu Flick positionierten. Und da war plötzlich dieser Posten des Bundestrainers, der nach der EM frei werden würde, weil Löw nach 15 Jahren den Weg frei macht.
Die Lösung mit Flick war für alle Seiten naheliegend
In der Bevölkerung und unter den Experten hatte Flick sich inzwischen einen solchen Ruf erarbeitet, dass sich das komplette Stimmungsbild in zwei klaren Sätzen zusammenfassen ließ. „Wenn Jürgen Klopp zu kriegen ist, muss es Jürgen Klopp werden. Und wenn nicht, dann kann es nur Hansi Flick werden." Und Klopp, das machte er schnell klar, war nicht zu kriegen. Zwar wurden zahlreiche andere Kandidaten genannt. Von internen Lösungen wie Marcus Sorg und Stefan Kuntz über Alt-Internationale wie Lothar Matthäus und erfahrene Trainer wie Ralf Rangnick. Doch die Lösung Flick war für alle Seiten so naheliegend und logisch, dass man sich auf den ersten Blick fragt, wieso es noch so lange dauerte, bis das Ganze offiziell wurde.
Doch da gab es zunächst die Zwickmühle, dass die Bayern ihren Erfolgs-Trainer ungern umsonst aus seinem Vertrag lassen wollten. Zumal sie für Nachfolger Julian Nagelsmann bis zu 25 Millionen Euro zahlen müssen. Doch das ließ sich schnell klären, als den Münchenern klar wurde, dass es mit Flick nicht weitergehen würde. Zumal sie nicht als Blockierer des deutschen Fußballs dastehen wollten. Nun wird man wohl im nächsten Sommer ein Freundschaftsspiel bestreiten, dessen Einnahmen an den FC Bayern gehen. Da waren als Problem sicher zu einem kleinen Teil auch die ständigen Unruhen beim DFB, die den Harmonie-Menschen Flick wohl zögern ließen. Da war die noch laufende Saison. Und da waren die plötzlich aus allen Richtungen kommenden Angebote. Nun wollten sie alle diesen Erfolgs-Trainer des FC Bayern. Nach Informationen der „Bild" klopften Real Madrid, der FC Barcelona und zahlreiche Nationalverbände an, Tottenham Hotspur soll sich lange und intensiv um Flick bemüht haben. Doch der wollte offenbar nicht ins Ausland. Das durchaus fürstliche Gehalt von angeblich rund fünf Millionen Euro inklusive Sponsoren-Geldern beim DFB reichte ihm, obwohl bei den großen Vereinen sicher noch mehr rauszuholen gewesen wäre. Und dass der Tages-Stress und Tages-Druck als Nationaltrainer geringer ist als im Vereins-Alltag, mag für den Familien-Menschen Flick auch ein Argument gewesen sein.
Bei den Bayern gern gesehen, von der Liga akzeptiert
Man kann also durchaus davon ausgehen, dass Flick trotz der verlockenden Alternativen die Entscheidung getroffen hat, von der er überzeugt ist und sich am richtigen Ort wähnt. Bleibt noch die umgekehrte Frage: Ist er die richtige Wahl? Auch dies ist Stand heute tendenziell deutlich mit Ja zu beantworten. Flick hat in den zwei Jahren im durchaus sensiblen Umfeld in München riesigen Erfolg gehabt. Er hat vor allem die Spieler hinter sich vereint. Er ist ein Bundestrainer, der trotz des Zwists am Ende beim FC Bayern wohl gern gesehen und vom Rest der Liga akzeptiert wird. Er ist vom Image her positiv belegt, was in bewegten DFB-Zeiten wichtig ist, damit nach drei Jahren ständiger Löw-Diskussion nicht gleich die nächste Baustelle aufgeht. Und er kennt den DFB, dieses durchaus knifflige Konstrukt, aus jahrelanger Erfahrung, hat Verbündete und als absolute Wunschlösung ein gutes Standing quer durch die Abteilungen.
Bleiben am Ende nur zwei Zweifel. Zum einen hatte man das Gefühl, dass die Nationalmannschaft nach 15 Jahren unter Löw komplett frischen Wind benötigt. Komplett neue Ideen, komplett neue Ansichten, komplett neue Herangehens- und Denkweisen. Ob diese ausgerechnet der langjährige Löw- und Bierhoff-Vertraute Flick bringen kann, muss erst abgewartet werden. Zum Zweiten hat Flick eben nun dreimal in Folge nach relativ kurzer Zeit die Brocken hingeworfen. So etwas könnte als ständige Bedrohung über der Verbindung schweben. Und würde Flick beispielsweise nach der Katar-WM auch als Bundestrainer vorzeitig aufhören und den DFB anderthalb Jahre vor der Heim-EM noch mal zum kompletten Umdenken nötigen, wäre das auch nicht optimal. Wobei man munkelt, dass Klopp zumindest an dieser Heim-EM und an einer Übernahme ab 2023 grundsätzlich Interesse haben soll.