Während die meisten großen Brauereien unter den Folgen der Pandemie leiden, sind kleine Handwerksbrauer guter Dinge. Im westpfälzischen Winterbach, nahe Contwig, erfreut sich der Bierbrauer Steffen Süs bester Laune und kocht zweimal wöchentlich sein „Stugge"-Bier.
Seit 2016 duftet es in der alten Scheune wieder. Aber nicht nach Schweinen, Rindern oder anderem Mastvieh, das die Familie Süs ohnehin nie gehalten hat, sondern etwas süßlich, nach verkochtem Gerstenmalz. Ganz unscheinbar in der Herrenwalderstraße zwischen Niederhausen und Wallhalben, knapp zehn Kilometer von Zweibrücken entfernt, hat sich die „Stugge"-Brauwerkstatt etabliert. Hier braut Steffen Süs sechs Biervarianten nach alten Rezepten, die im Lebensmittelhandel der Region, direkt vor Ort in der kleinen Manufaktur und auch online zu erstehen sind. Der handwerklich gemachte Gerstensaft ist keine Allerweltsware, die die Druckbetankung pandemiegeplagter Zecher befriedigt, sondern ein hochwertiges Genussmittel, in Bayern auch Nahrungsmittel genanntes Lebensmittel.
„Stugge Craft Beer" ist schon so manch einem zum Begriff geworden. Genussmenschen, die ein allabendliches Trinkvergnügen nicht missen möchten, greifen gern einmal mehr in den Kühlschrank, um sich den Abend mit purem Bier-Glück, gebraut mit feinsten Zutaten, zu „verSüsen".
„Beer’s not dead" – „Bier ist nicht tot", behauptet der Westpfälzer Craft-Brauer Süs und behält wohl in zweierlei Hinsicht Recht. Zum einen sind Alternativbrauer wie er seltener von dem Fassbierverkauf und somit von der Gastronomie abhängig, zum zweiten lebt ihr Bier in der Tat, denn ihr Bier bleibt unfiltriert, und oftmals sterilisieren sie es nicht vor der Abfüllung. Lediglich der Hopfen, vor allem die Kalt-Hopfung (Hopfenstopfung) und Alkohol, zudem gekühlt, machen das flüssige Brot locker mehr als drei Monate mindestens verzehrbar, und die lebendigen Inhaltsstoffe bringen ein Höchstmaß an Geschmack.
Regionales liegt klar im Trend
„Wir sind die Brauer der kurzen Wege", sagt Steffen Süs. „Im Moment liegt unsere Kapazitätsgrenze bei etwas mehr als 80 Hektolitern. Wir befüllen unsere Biere in 0,33-Liter-Mehrwegflaschen selbst, was uns zwar ein mehr an Arbeitskraft kostet, aber auch unseren ökologischen Ansprüchen gerechter wird."
Steffen Süs hat den Beruf des Bierbrauers und Mälzers von der Pieke auf bei der Pirmasenser Park Brauerei gelernt. Manche Bierbrauer-Gesellen gehen auch heute noch auf die Walz, um das nötige Wissen zu sammeln und ihre Kenntnisse bei anderen Braumeistern aufzuwerten. Steffen Süs erlebte diese Zeit in unmittelbarer Nähe. Das erste Gesellenjahr arbeitete er bei einer Familienbrauerei im saarländischen Heusweiler. Danach folgten diverse andere berufliche Orientierungen, bis Süs erneut für drei Jahre als Brauer bei der Contwiger Kleinbrauerei Wentzler anheuerte.
Die Brauerei Wentzler, ursprünglich ein Kleinbetrieb aus dem Westpfälzer Riedelberg, braute ausschließlich für den Pirmasenser Lebensmittelkonzern Wasgau, bis der Konzern 2016 das Brauen einstellte. In Steffen Süs wuchs die Idee der Selbstständigkeit. Sein Konzept, selbst leckeres Bier nach alten Rezepten für die Genussfraktion unter den Zechbrüdern zu brauen, setzte er im Mai 2016 um. In dem landwirtschaftlichen Gebäude des heimischen Betriebes stand die alte Milchkammer leer. Süs baute sie zur Brauwerkstatt um.
„Nun sind es schon fünf Jahre", sagt der Winterbacher Brauer Craft-Bier-selig grinsend. „Ich bin mein eigener Chef, Brauer, Abfüller, Etikettenkleber, Vertriebsleiter, Meister Proper und Selbsthelfer überall dort, wo etwas anfällt", betont er. Steffen Süs findet dabei in der Familie reichlich Unterstützung. Vater Hans etwa unterstützt ihn fleißig beim Reinigen und Etikettieren der Flaschen.
Nach und nach hat sich Steffen Süs diverse Vertriebswege gesichert, die ihm ein Auskommen ermöglichen. Die Tendenz ist steigend und Umbau- beziehungsweise Ausbaumaßnahmen hält er für dringend notwendig. „Der Trend zum regionalen Produkt steigt. Heute ist Bier zum Kulturgetränk avanciert", sagt Brauer Süs. „Bier ist ohnehin nicht mehr nur die Handwerkerbrause der vergangenen Jahrzehnte, selbst unter Frauen finden sich heute ausgesprochene Liebhaberinnen, sachkundige Damen, die der Hopfenkaltschale aus Manufakturen so manches abgewinnen können."
Zurzeit geht der Absatz von Industriebieren aus großen Brauereien zurück. Die Ursache ist nicht nur der pandemiebedingten Schließung des Gastgewerbes geschuldet. Nach neuesten Erhebungen (Statista – Stand Januar 2021) verringerte sich in Deutschland der Bierverbrauch pro Kopf um fast fünf Liter von 99,7 Liter 2019 auf 95 Liter 2020. Die Tendenz des Bierausstoßes der deutschen Bierbrauer ist sinkend. Grund dafür ist laut Deutschem Brauerbund auch der demografische Wandel, das heißt, ältere Menschen trinken weniger Alkohol, und Gesundheitsbewusste trinken eher alkoholreduziert.
Die Gewinner allerdings sind die Craft-Brauer mit ihren Mikrobrauereien. Mit neuen Bierkreationen verändern sie nicht nur das Genussverhalten, sondern auch den Biermarkt schlechthin. Während der Ausstoß der Industriebrauereien sinkt, wächst die Zahl der Kleinbrauereien. Die Großen am Markt haben die Zeichen der Zeit erkannt und reagieren mit Biervarianten.
Inzwischen werden in der „Stugge"-Mikrobrauerei sechs Biersorten nach alten Rezepturen gebraut. Die ersten beiden Biere waren „High Hops", ein kaltgehopftes Lagerbier – untergärig gebraut, mit einem leichten orangefarbenen Ton und bitterer Hopfen-Note im Abgang, und „Golden Brown", ein englisches Braunbier, jedoch als „German Brown Ale" von gold-brauner Farbe obergärig gebraut. Letzteres ist malzig-mild im Geschmack und damit ein ausgesprochener Süffigkeits-Garant, während „High Hops" mit einer heftigen Ladung Aromahopfen, 5,2 Prozent Volumenalkohol und einer starken Fruchtnote in Nase und Mund brilliert.
„Das Logo drückt die Urwüchsigkeit des Bieres aus"
Das nächste Bier war „Gose", eine alte Sorte, die ursprünglich aus Goslar stammt. Gose deshalb, weil vermutlich die Bierbrauer des Mittelalters das Brauwasser aus dem kleinen Harzflüsschen Gose bezogen. Im Mittelalter fand das Bier in Sachsen, Sachsen-Anhalt, vor allem in Halle und Leipzig, rege Verbreitung. Ähnlichkeiten des alten Biertyps sind in der Berliner Weiße, ebenso in der spontan vergorenen belgischen Bierspezialität Lambic zu erkennen. Die Stugge Pfalz Gose „Old is the new young" wird obergärig und traditionell mit Salz und Koriander gebraut. Es ist ein süffiges Bier mit bleibendem Eindruck.
Für den Sommer braut Steffen Süs ein helles Sommer-Bock, zart hopfenbitter, erkocht mit Hopfen der Sorten Hallertauer Blanc und dem Neuseeländer Nelson Sauvin-Hopfen, nach der Sauvignon-Blanc-Weintraube benannt. Die Hopfensorte glänzt durch fruchtigen Geschmack und Aromen nach Fleur de Sel und einem leichten Bukett nach schwarzen Johannisbeeren. In der alternativen Brauerszene hat die als wild und exzentrisch geltende Sorte mittlerweile zahlreiche Anhänger. Diese Hopfensorte ist die weltweit teuerste, aber in der Craft-Szene eben auch die begehrteste Humulus-Lupulus-Variante. Das Bier ist stark, 6,2 Prozent Volumenalkohol, jedoch reicht dem Genießer meist ein Drittelliter Biergenuss nicht aus.
„Hella" ist ein typisch bayerisches Helles, strohgelb mit Hallertauer Hopfen fein gehopft und ziemlich süffig. Und als Krönung in seinem Portfolio hat Steffen Süs ein fast schwarzes Porter in der Flasche. „London Calling" nennt er das dunkle an Guinness erinnernde Bier mit intensiven Röstaromen und leichten Noten von Kaffee und Halbbitter-Schokolade. Das Bier hat eine tolle Struktur und ist recht schaumstabil. Ein Bier, von dem man sich gern mehr als eines gönnen möchte.
Doch was bedeutet der Name Stugge eigentlich? „Ganz einfach. Stugge ist offiziell ein alter Hausname. Einer meiner Vorfahren, Heinrich Schmidt mit Namen, war Knecht bei Bauer Stuggies. Deshalb nannten ihn alle Stuggies Heinrich. Als wir einen Brauereinamen suchten, überlegten wir lange und entschieden uns dann, den alten Namen wieder aufzunehmen und uns ,Stugge – Die Brauwerkstatt‘ zu nennen. So ist ein Teil der Familiengeschichte einbezogen worden."
Das Brauereilogo ziert ein Stierkopf. „Da ich noch eine kleine Landwirtschaft nebenher mit einer kleinen Herde Schottischer Hochlandrinder unterhalte, war der Bezug des Stierkopfes zur Brauerei hergestellt. Das Logo drückt die Urwüchsigkeit und die Kraft des Bieres aus", erklärt der Brauer.
Stugge-Biere sind wie bereits erwähnt naturbelassen, werden nicht pasteurisiert und unterliegen keiner Trubfiltration durch den mittlerweile fast überall in der Getränkeindustrie üblichen technischen Hilfsstoff Polyvinylpolypyrrolidon (PVPP, E1202), der seit der Neufassung des Biersteuergesetzes 1993 zur Schönung des Bieres eingesetzt und angeblich wieder herausfiltriert wird, somit also zugelassen ist und das sogenannte Reinheitsgebot von 1516 erfüllt. Wissenschaftliche Untersuchungen widerlegen diese These. Also Prost, Deutsches Einheitsgebot.