Schon länger kriselte es in der Jamaika-Koalition im Saarbrücker Stadtrat. Ausgerechnet die Wahl eines Kulturdezernenten nahm nun nicht nur einen unerwarteten Ausgang, sondern könnte die Koalition nun auch in eine handfest Krise stürzen. FORUM hat mit FDP und CDU gesprochen.
Als Helmut Isringhaus, Fraktionschef der FDP im Saarbrücker Stadtrat, am 8. Juni das Rathaus zur Wahl eines neuen Kulturdezernenten betrat, rechnete er wohl nicht damit, dass dieser Tag eine ganz andere Wendung für ihn nehmen würde. „Als wir um 16 Uhr in den Stadtrat kamen, lag die Tischvorlage bereits auf dem Tisch”, erinnert sich Isringhaus. Dabei spricht er von einem Papier der CDU, welches seine Abberufung aus dem Aufsichtsrat der Gesellschaft für Innovation und Unternehmensförderung mbH (GIU) forderte. „Da es nicht wie üblich vorab in der Koalition angesprochen wurde, war es wohl als Drohung gemeint, dass wir nun doch koalitionskonform abstimmen sollen.”
Aber der Reihe nach: An besagtem Juniabend sollte ein neuer Kulturdezernent für die Stadt Saarbrücken gewählt werden. Nach dem Koalitionsvertrag hatten die Grünen hierfür das Vorschlagsrecht inne. Bereits im Vorfeld hätten Leute, so berichten Ohrenzeugen, darüber gewitzelt, dass dieses Vorschlagsrecht ja jetzt nicht bedeute, dass Torsten Reif vorgeschlagen würde. Schlussendlich wurde er es dann aber doch.
Diese Entscheidung zog einige Kritik nach sich – nicht nur aus der Opposition und der Kulturszene, die Reif das nötige Know-how absprachen, sondern auch aus der Koalition. Denn die FDP würde den Kandidaten nicht unterstützen. „Wir haben direkt gesagt, dass ein verankertes Vorschlagsrecht der Grünen nicht bedeuten kann, dass wir als FDP einen Kandidaten wählen, den wir nicht unterstützen können. Vorschlagsrecht gerne, aber bitte mit einem Kandidaten, den man auch mittragen kann”, so der FDP-Fraktionschef. Auch in Zukunft werde die FDP keinen Kandidaten unterstützen, den sie nicht für geeignet halte, kündigt Isringhaus mit Blick auf die noch anstehende Wahl eines Rechtsdezernenten an.„Wir entscheiden verantwortungsvoll in der Sache, was am besten für die Stadt Saarbrücken ist. Wir waren mit unserer Haltung ja offensichtlich nicht alleine, es wäre klüger gewesen die Koalition hätte gemeinsam anders entschieden“, so der FDP-Mann. „Wir haben am Ende sogar dafür plädiert, die Wahl zu verschieben, um eine Eskalation zu verhindern.Union und Grüne haben im Gegensatz zur Wahl des Baudezernenten auf einen gemeinsamen Vorschlag verzichtet, das war inhaltlich und im Blick auf die gemeinsame Koalition nicht klug.“ Der Vorschlag eines neuen Termines wurde abgelehnt, die Wahl sollte wie geplant stattfinden – trotz klarer Ankündigung der Liberalen, Reif ihre Stimmen nicht zu geben.
Für die CDU ein Verhalten, das „nur schwer mit dem Koalitionsvertrag zu vereinbaren ist”, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Sascha Zehner. Zwar sei ein Vorschlagsrecht noch lange kein Recht darauf, auch gewählt zu werden, „das ergibt sich aus dem Kommunalselbstverwaltungsgesetz (KSVG)“, so Zehner: „Jeder Mandatsträger ist erst einmal nur seinem Gewissen verpflichtet.” Dennoch fügt er hinzu, es sei „eine Art Selbstverpflichtung“, im Sinne der gesamten Koalition zu handeln. „CDU und Grüne haben dem Votum einstimmig zugestimmt“, erinnert sich Zehner. Dennoch müssen bei dem 32 zu 27 Stimmen Ergebnis für Sabine Dengel, einer von der SPD vorgeschlagenen parteilosen Kandidatin, auch Teilnehmer der Grünen- und/oder CDU-Fraktion gegen Reif gestimmt haben, hatten diese doch nach vorheriger Rechnung eine hauchdünne Ein-Stimmen-Mehrheit für Reif zu verbuchen. Während für Helmut Isringhaus damit „das Problem” der Nicht-Wahl Reifs nicht bei der FDP (die sich ja von Anfang an gegen den Kandidaten ausgesprochen hatte) liegt, sondern bei Grünen und CDU, möchte sein Amtskollege Zehner darüber nicht viele Gedanken verschwenden: „Es bringt nichts, nun nach Abtrünnigen zu suchen und sich gegenseitig den schwarzen Peter zuzuschieben.“ Das würde nur das Verhältnis innerhalb der Parteien und insbesondere jenes in der Koalition schädigen.
Doch aus Sicht der FDP habe die CDU genau das gemacht – ihnen den schwarzen Peter zugeschoben. Mit der Konsequenz, dass Helmut Isringhaus sich nun mit dem Antrag seiner Abberufung aus dem GIU-Aufsichtsrat vertraut machen durfte. Aber wie kam es überhaupt zu dieser Tischvorlage, die für viele – nicht nur FDP-Mitglieder – einen sehr bitteren Beigeschmack trug?
Rein formell steht der Platz im GIU-Aufsichtsrat erst einmal der Union zu, werden die Aufsichtsratsmandate nach Mehrheiten verteilt. Helmut Isringhaus sei dieser nur „auf Bitten der FDP“ übertragen worden, so Sascha Zehner. Dies sollte dazu dienen, dass die FDP als kleinster Partner einen Einblick in verschiedene Sachverhalte erhalten könne, wie Isringhaus erklärt. Zehner aber betont: Diese Entscheidung sei zu einer Zeit getroffen worden, „als bei der GIU scheinbar alles problemlos gelaufen ist“. Die aktuelle Lage der GIU sorge aber für die Dringlichkeit, „ein erfahrenes Aufsichtsratsmitglied“ zu entsenden. „Gerd Bauer war bereits zur Gründung der GIU im Aufsichtsrat“, erklärt Zehner den Schritt. Helmut Isringhaus hingegen sei ein Neuling im Stadtratsgeschäft. Dass die Tischvorlage der CDU zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt auftauchte, räumt der CDU-Politiker ein, weist aber darauf hin: „Der Antrag wurde bereits vor der Wahl des Dezernenten gestellt.“
Isringhaus selbst gibt aber an, dies sei ihm „nicht kommuniziert” worden. Er habe vor dem besagten Wahlabend nichts von einer solchen Planung gewusst. Doch die Union bleibt dabei: Hätte man die Liberalen abstrafen wollen, so hätte es noch weitere Aufsichtsratsplätze gegeben, die die FDP als „Leihgabe“ der CDU aktuell besetze und die man sich nun hätte zurückholen können. So habe nicht nur Isringhaus einen weiteren Aufsichtsratsplatz, der eigentlich den Christdemokraten zustehe, sondern auch die andern FDP-Fraktionsmitglieder. Also warum sollte man nur den Posten bei der GIU einfordern?
„Darüber habe ich auch schon nachgedacht”, sagt Isringhaus. “Wahrscheinlich deshalb, weil ich dort Nachfragen gestellt habe. Die anderen Plätze sind nicht so kritisch, aber bei der GIU sehe ich große Versäumnisse und ich halte dort auch die Rolle der Aufsichtsräte für sehr bedenklich.” Diese Bedenken habe er auch kommuniziert. Dabei geht es unter anderem um die fragwürdige Rolle von GIU-Geschäftsführers Martin Welker. Dieser hatte in seiner früheren Tätigkeit als freiberuflicher Berater einige Aufträge von der Stadt und auch der GIU erhalten, unter anderem betreffend des Saarbrücker Sorgenkindes Ludwigspark Stadion. „Für diese Tätigkeit möchte er nun hohe Honorare gezahlt bekommen”, so der FDP-Politiker, der von einer „ungeordneten Vertragssituation über Jahre hinweg” spricht. „Ich sehe es als höchst kritisch, dass der einzige Geschäftsführer der GIU Forderungen in Millionenhöhe an die GIU behauptet zu haben. Das muss im Aufsichtsrat auch kritisch hinterfragt werden.” Gerade auch, weil die Forderungen Welkers durchaus umstritten sind. Nicht zuletzt, weil es auch ein Gutachten gebe, das bestätige, dass zumindest Teile der Forderungen von Martin Welker an die GIU bereits verjährt sind. „Alleine die Tatsache, dass es für die drei letzten Aufsichtsratssitzungen – entgegen der Geschäftsordnung und der üblichen Gepflogenheiten – keine Protokolle gibt, spricht für sich“, klagt Isringhaus.
Nicht vorhanden ist wohl aktuell auch die Kommunikation zwischen FDP und ihren Stadtrats-Koalitionspartnern CDU und Grüne. „Es gibt im Moment kein Verhältnis zu den Partnern. Seit der Wahl gab es keine Kommunikation mehr”, so Isringhaus. Das soll sich aber wohl ändern, wie die CDU ankündigt: „Wir werden uns in den Gremien beraten, wie wir in Zukunft weiter zusammenarbeiten werden“, so Sascha Zehner. 14 Tage wolle man sich Zeit lassen, eine gemeinsame Lösung zu finden. Das Verhältnis unter den Mandatsträgern sei aber parteiübergreifend „nach wie vor in Takt“. Ob trotz oder dank der fehlenden Kommunikation zur FDP bleibt wohl die Frage. Die CDU jedenfalls „wünscht sich einen Fortbestand der Zusammenarbeit – insbesondere mit den Grünen“. Mit denen hätte die Union auch mittlerweile eine Mehrheit, nachdem im vergangenen Herbst die Stadträtin Patricia Schumann von den Linken zu den Grünen wechselte. Rein rechnerisch wäre die FDP damit also obsolet.
„Durch den Vorschlag von Reif und die Abberufung im Aufsichtsrat haben Union und Grüne unilateral ohne FDP gehandelt, so geht Koalition nicht. Die FDP-Stadtratsfraktion ist weiter für eine sachliche Zusammenarbeit im Sinne der Stadt bereits. So, wie es bei der vergangenen Sitzung gelaufen war, kann es nicht weiterlaufen“, kritisiert Isringhaus.
„Natürlich waren die letzten Wochen für die Koalition nicht einfach”, resümiert auch Isringhaus' FDP-Kollege und Dezernent für Wirtschaft, Soziales und Digitalisierung, Tobias Raab. „Deshalb sollten wir in Ruhe bewerten, was passiert ist und uns dann offen austauschen.” Noch wichtiger als das was war, sei aber „die Frage, was sein muss, damit Saarbrücken vorankommt”. Denn trotz Spannungen in der Koalition ist für ihn auch klar: Ein SPD-geführtes Saarbrücken sollte nicht das Ziel sein. „Unsere Stadt steht nach Jahren des Stillstands unter der alten Verwaltungsspitze vor riesigen Herausforderungen was Modernisierung, Digitalisierung und Haushaltskonsolidierung angeht. Die Ziele, die wir uns als Jamaika-Koalition in diesen Bereichen gesetzt haben, sind richtiger denn je und es ist der Anspruch der Freien Demokraten, Saarbrücken selbstbewusst und im Team mit unseren Partnern zu gestalten”, so Raab.