Wir Journalisten neigen gelegentlich dazu, Dinge zuzuspitzen. Natürlich nicht aus bloßer Effekthascherei oder Aufmerksamkeitssucht. Sondern rein um die Sache etwas pointiert zu verdeutlichen.
Da gerät vieles in der Politik gleich zum „Streit", was die Beteiligten natürlich nur als notwendige und ganz normale Diskussion verstanden wissen wollen. Und wenn es erkennbar drunter und drüber geht, geht es wohl um Klärungsprozesse. Und schon ist der schönste Streit im Gang, was denn nun wirklich los ist.
Die Frage drängt sich derzeit für Teile der saarländischen Parteienlandschaft auf. Und weil Propheten so einiges vorausgesagt haben, lässt sich zur Antwort darauf zitieren: „Ich sah die Erde an und sie war Tohuwabohu". Heute heißt es eher Chaos.
Für die Auseinandersetzungen bei den Linken mag das sicherlich nach den jüngsten Zuspitzungen in lange gärenden und nie geklärten Verhältnissen zutreffen.
Dagegen nimmt sich der Rat der Landeshauptstadt mit der Wahl der Kulturdezernentin fast wie ein demokratisches Lehrstück aus. Da folgen einige Ratsherren und -frauen ihrer inhaltlichen Überzeugung – und schon sieht die Welt ganz anders aus.
Natürlich ist die Sache nicht ganz so einfach. Weshalb der Rat auch für die Chaosforschung taugen würde. Die beschäftigt sich mit unvorhersagbaren Entwicklungen, und das, obwohl die Ausgangsbedingungen eigentlich deterministisch sind, also alles vorhersagbar sein müsste.
Etwa so wie beim Wetter.
Die Chaosforschung meint, dass chaotische Systeme trotz nicht vorhersagbaren Verhaltens doch typische Verhaltensmuster aufweisen. Saarländische Jamaika-Bündnisse scheinen da ein lohnenswertes Studienobjekt. Und nur ein etwas irritierter Schelm könnte auf die Idee kommen, dass das gleiche auch für die Grünen vor ihrem Wahlparteitag gelten könnte.
Chaosforschung geht jedenfalls davon aus, dass bei allen Unabwägbarkeiten irgendwie doch eine innere Ordnung herrscht. Nur können halt schon winzige Änderungen zu unerwarteten Ergebnissen führen. Weshalb einige Politik so spannend finden und ständig versuchen, an Schräubchen zu drehen. Dem geneigten Wahlvolk, so es noch geneigt ist, bleibt nur, sich Chaosforschern anzuschließen auf der Suche nach so etwas wie Berechenbarkeit.