Kim Cheng ist Geschäftsführerin beim Deutschen Verpackungsinstitut (DVI). Mit FORUM spricht die Juristin über die Arbeit des Instituts sowie über die Herausforderungen einer innovativen, aber auch oft kritisierten Branche.
Frau Cheng, womit beschäftigt sich das DVI?
Das DVI ist ein klassischer bundesweiter Wirtschaftsverband, der 1990 gegründet wurde. Unsere rund 230 Mitglieder sind Unternehmen, die die komplette Wertschöpfungskette der Verpackung abbilden: In unserem Kreis versammeln sich sowohl Maschinenbauer, Verpackungshersteller und Handel als auch Vertreter des Dualen Systems, die „Der Grüne Punkt" betreiben. Aber auch viele Markenartikler sind bei uns Mitglied – jedes bedeutende Unternehmen wie Dr. Oetker oder Marken wie Ritter Sport beschäftigt einen Verpackungsentwickler.
Ist die Orientierung des DVI eher ökonomisch oder wissenschaftlich?
Wir verstehen uns als Netzwerk der Verpackungsindustrie. Unser Claim lautet: Wir bringen die Richtigen zusammen. Dafür veranstalten wir verschiedene Events wie den Deutschen Verpackungskongress. Bei diesem zentralen Branchengipfel vernetzen sich die Unternehmen untereinander, Vertreter von Politik und Wirtschaft treffen sich zu Impulsvorträgen und Workshops. Über die DVI-Akademie führen wir Inhouse-Schulungen durch, in denen wir Mitarbeiter von Mitgliedsunternehmen fortbilden. Der Tag der Verpackung richtet sich an eine breitere Öffentlichkeit. Dazu laden wir insbesondere auch Studierende ein, es findet also auch ein wissenschaftlicher Austausch statt. Und last, but not least loben wir jährlich den Verpackungspreis aus.
Der diesjährige Tag der Verpackung fand gerade am 10. Juni statt. Was soll damit erreicht werden?
Diese Kampagne haben wir initiiert, um die Kernkompetenzen der Verpackung einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln. Es beschäftigt uns sehr, dass Verpackungen oft nur aus der Müllperspektive betrachtet werden. Die Verpackung rückt also erst dann in den Mittelpunkt, wenn sie ihren Job gemacht hat. Und danach ist sie nicht einfach „Müll", sondern ein wertvoller Sekundärrohstoff. Deswegen haben wir vor sieben Jahren den Tag der Verpackung ins Leben gerufen. Wir betonen damit die Aufgaben von Verpackungen und auch ihre Verdienste. Beispielsweise ging es diesmal auch um die Corona-Impfstoffe: Mittlerweile sind weltweit mehr als zwei Milliarden Menschen gegen das Coronavirus geimpft; möglich ist das aber nur dank spezieller Transportverpackungen für die Impfdosen. Auch unabhängig von der Pandemie kann die Versorgungsicherheit der Bevölkerung, der Wirtschaft und der Unternehmen nur über Verpackungen gewährleistet werden.
Welche Kernthemen bestimmten den Verpackungstag?
Wir hatten drei Schwerpunkte: In einem Panel mit Florian Pronold, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium, ging es um eine erste Bilanz des Verpackungsgesetzes von 2019, das zu einer stärkeren Kreislaufwirtschaft führen soll. Im Mai 2021 wurde dazu eine Novelle verabschiedet. Wir haben diskutiert, was das Gesetz für die Industrie bedeutet. Zum Zweiten haben wir auf der Website www.tag-der-verpackung.org eine Online-Ausstellung moderner Verpackungslösungen sowie Zahlen und Fakten zusammengestellt. Und schließlich haben wir in einer Social-Media-Aktion die Bürger aufgefordert, Fragen zum Thema Verpackung zu stellen.
Geht es auch darum, Flagge zu zeigen und das Image zu verbessern?
Ja, durchaus. Wir nutzen den Tag der Verpackung auch, um „Danke, Verpackung" zu sagen. In der Pandemie hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) die Verpackungsindustrie als systemrelevant eingestuft. Das war für uns ein richtiges Signal zur richtigen Zeit. Hauptgrund dafür waren wohl die teilweise sehr langen Wartezeiten der Gütertransporte an den Landesgrenzen und natürlich das Anliegen, die Versorgung der Bevölkerung abzusichern.
An wen richtet sich der Verpackungspreis? Und welche Kriterien sind dabei wichtig?
Der Verpackungspreis wird in insgesamt zehn Kategorien vergeben. Das reicht von Warenpräsentation, Funktionalität, Gestaltung und Digitalisierung bis zur Nachhaltigkeit. Die Unternehmen sind aufgefordert, ihre Innovationen einzureichen. Die Bewerbungsfrist ist vor Kurzem abgelaufen, es gab 240 Einreichungen, allein 100 davon zum Thema Nachhaltigkeit.
Wohin geht die Reise? Mit welchen Trends und Innovationen wartet die Branche auf?
Die Industrie geht sehr unterschiedliche Wege. Aber wie man schon am Verpackungspreis sieht, steht derzeit die Nachhaltigkeit absolut im Fokus. Die Industrie ist hoch innovativ, sie bietet ihren Kunden – Markenartikler und Handel – eine große Spannbreite an neuen Verpackungslösungen. Ein Megathema ist beispielsweise der Einsatz von Rezyklaten, das sind gebrauchte und wiederverwertete Kunststoffe, die häufig anteilig in Neuware eingemischt werden. Dadurch werden der Verbrauch von Rohöl reduziert und das Klima entlastet. Wir haben am Verpackungstag Innovationen gezeigt, die neue, nachwachsende Rohstoffe verwenden, biologisch abbaubar und recyclingfähig sind. Neuerungen gibt es auch bei den recyclingfähigen Packstoffen und bei den Möglichkeiten, Packstoffe in Sortieranlagen zu trennen. Ein starker Trend sind außerdem recyclingfähige Verpackungen auf Papierbasis, die Kunststoffe ersetzen. Das Stichwort lautet: Design for Recycling.
Kommen diese Neuerungen beim Verbraucher an?
Verpackungen übernehmen auch Kommunikationsaufgaben: So nimmt ein Joghurtbecher mit Pappbanderole der Andechser Molkerei Scheitz den Konsumenten sehr gut an die Hand. Er informiert, dass die Banderole im Altpapier zu entsorgen ist, während der Becher selbst in die Wertstoffsammlung gehört. Auch Edeka gibt auf den Verpackungen Trennhinweise zur richtigen Entsorgung. Wir haben über eine Umfrage im März 2021 festgestellt, dass die Entwicklung zu nachhaltiger Verpackung auch im Bewusstsein der Verbraucher ankommt.
Die Branche reagiert also aktiv auf den Vorwurf, dass zu viele Verpackungen und deswegen zu viel Verpackungsmüll produziert werden?
Ja, man muss schauen, wie die Wertschöpfungskette der Verpackung funktioniert. Der klassische Verpackungshersteller hat als Kunden Markenhersteller oder Handelsunternehmen, die teilweise auch Eigenmarken vertreiben. Diese Kunden bestellen die Verpackungen bei den Herstellern. Der Handel aber wird selbst von den Konsumenten getrieben. Bei unserer Umfrage gaben rund 70 Prozent der Befragten an, sie hätten schon Produkte im Regal liegen gelassen, weil ihnen die Verpackung nicht nachhaltig erschien! Nachhaltigkeit – auch bei der Verpackung – ist mittlerweile ganz klar ein Point of Sale, als ein Verkaufsargument. Wenn der Handel auf Umweltfreundlichkeit dringt, müssen die Hersteller ihr Angebot entsprechend gestalten. Nachhaltige und biologisch abbaubare Rohstoffe, Mehrweglösungen und Nachfüllstationen sind letztlich Antworten auf Konsumentenwünsche.
Manche Verpackungen, speziell bei Elektronikprodukten, sind nur sehr schwer zu öffnen. Warum ist das so?
Sie sprechen vermutlich Verpackungen an, in die die Produkte sehr fest eingeschweißt sind. Das Problem daran: Verpackungen müssen unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Gerade bei Elektronikgütern sollen sie auch vor Diebstahl schützen. Man soll das Produkt nicht einfach im Laden aus der Verpackung ziehen und sich unauffällig unter die Jacke klemmen können. Die Verpackungen sind meist mit Alarmsicherungen versehen, die am Ausgang lospiepen, wenn sie nicht entsichert wurden. Ähnliche Probleme gibt es im Pharmabereich: Die Entnahme der Tabletten aus den Blistern bereitet manchen Patienten Schwierigkeiten. Für diese Bereiche müssen nutzerfreundliche Lösungen noch gefunden werden.