Ein Plastikbecher hier, eine Einkaufstüte da – was uns Annehmlichkeiten verschafft, wird nachfolgenden Generationen das Leben schwer machen. Alternative Verpackungen sind ein Weg, zu verhindern, dass unsere Erde im Müll versinkt.
Verpackung gibt es schon so lange, wie es Menschen gibt. Mal abgesehen von Adam und Eva, aber die trugen ihr Essen auch nicht herum, denen flogen die gebratenen Tauben direkt in den Mund. Mit der Vertreibung mussten auch sie sich Gedanken machen, wie sie Wasser, Getreide oder Öl transportieren konnten. Not macht erfinderisch und so dienten Blätter oder Baumrinde als erste Verpackungsmaterialien. Kunstvoll verflochten und mit Riemen versehen konnte man beispielsweise mit Körben aus Bananenblättern weite Strecken zurücklegen, und sie ließen sich sogar mehrmals verwenden. Die Aborigines in Australien formten Baumrinde über dem Feuer zum Transport von Nahrung und zur Aufbewahrung von Wasser. Oftmals wurden sie mit Stammesinsignien verziert, quasi der Vorläufer des Brandings, was wir heutzutage mit Persil oder Coca Cola verbinden.
Bei Ötzi, dem Jäger aus der Jungsteinzeit, wurden dosenähnliche Gefäße aus Birkenrinde gefunden, in denen er Pflanzen und Holzkohle verwahrte. Zu Hause in der heimischen Hütte gab es wahrscheinlich auch geflochtene Körbe aus Ruten und Zweigen sowie Schüsseln und Krüge aus Keramik. Das änderte sich einige Tausend Jahre nicht wesentlich, bis zur Industriellen Revolution. Die machte einerseits die Produktion von Verpackungen wirtschaftlich und erzeugte andererseits Waren, die nicht ohne Verpackung auskamen. So war das mit der 1810 gleichzeitig von einem Franzosen und einem Engländer zum Patent angemeldeten Blechdose. In London wurden um 1813 die ersten Dosenkonserven produziert, Napoleons Soldaten transportieren ihre Verpflegung in Konservendosen und in den USA waren um 1900 schon 700 Millionen davon im Umlauf. Dort kam man auch auf die Idee, Getränke einzufüllen. 1935 wurde die erste Bierdose verkauft.
Cellophan-Tüten kommen heute wieder
Ein anderes weitverbreitetes Verpackungsmittel ist die Tüte. Die ersten Varianten wurden aus einem Stück Papier zusammengedreht, woraus auch der Name entstand. 1908 erfand ein Schweizer die „Cellophan"-Tüte, rein aus Viskose hegestellt und biologisch abbaubar. Als der erste Supermarkt 1930 in New York öffnete, bekam die Verpackungsindustrie einen wahren Schub. Das durchsichtige Cellophan zeigte die Waren und machte sie griffbereit, ohne dass man sie anfassen musste. Hinzu kam, dass auch die Werbung die Verpackungen als Werbeträger entdeckte. Zu Papier, Pappe und Glas kamen Aluminium, Folie und Kunststoffe.
Mit Tasche oder Einkaufsnetz sah man nur noch ältere Damen. Wer hip war, trug eine Plastiktüte aus Polyethylen, gleich mit Werbeaufdruck. Geschätzt waren Anfang des 21. Jahrhunderts in Europa knapp 100 Milliarden Plastiktüten in Umlauf, rund 198 Tüten pro Jahr und Bürger. Deren schlechte Ökobilanz wird nur noch übertroffen von der PET-Flasche, entwickelt in den 1960er-Jahren. Gegenwärtig verbrauchen wir auf der Erde über eine Million Plastikflaschen – pro Minute! Während eine Einkaufstüte im Meer bis zu 20 Jahre braucht, um sich zu zersetzen, bleiben Plastikflaschen dort für 450 Jahre. Auf allen Weltmeeren gibt es inzwischen die sogenannten Great Garbage Patches, riesige Müllstrudel. Der größte, der Great Pacific Garbage Patch, war 2018 viereinhalbmal so groß wie Deutschland.
Spätestens, als im Thailandurlaub das Baden an den vermüllten Stränden keinen Spaß mehr machte, wurde dem Letzten klar, das sich etwas ändern muss. Einerseits war die Industrie gefragt, andererseits aber auch das Verhalten jedes Konsumenten. Mehr und mehr achteten Kundinnen und Kunden nicht nur auf den gesunden Inhalt, sondern auch auf eine ökologisch sinnvolle und nachhaltige Verpackung. Über den „Jutebeutel" lacht heute kaum noch einer. Seit man im Einzelhandel für die Plastiktragetasche bezahlen muss, ist der Verbrauch zurückgegangen, von 2015 bis 2018 um 64 Prozent, wie das Umweltbundesamt ermittelte.
Inzwischen gibt es viele Läden, die ihre Produkte unverpackt anbieten. Gerade bei Lebensmitteln ist das aber aus hygienischen Gründen nicht immer möglich. Also muss die Verpackung nachhaltig werden, keine Ressourcen verbrauchen und darf die Umwelt nicht belasten.
Da gibt es viele Möglichkeiten. Die vielleicht einfachste ist „back to the roots". Ein Supermarkt in Thailand verpackt Obst und Gemüse seit kurzem in Bananenblättern und flexiblem Bambus, extrem günstig und kompostierbar. Bananenblätter gibt es in unseren Breiten allerdings kaum, dafür aber Gras und das auch noch im Überfluss und stetig nachwachsend. Die Creapaper GmbH in Hennef hat eine auf Graspellets basierende, neuartige Lösung für die Papierherstellung entwickelt, bei der der Rohstoff Holz teilweise durch Gras ersetzt wird.
Um klassisches Papier herzustellen, werden aus dem Holz verschiedener Baumarten mit viel Chemie, Wasser und Energie Holzfasern oder Zellulose gewonnen und mit Recycling-Fasern aus Altpapier ergänzt. Grasfasern reduzieren die Holz-Anteile, bis zu 50 Prozent Frischfaser-Zellstoff kann eingespart werden. Auf Chemie kann man verzichten, der Herstellungsprozess verbraucht nur wenig Wasser und verursacht rund 95 Prozent weniger CO2-Emissionen, wirbt das Unternehmen auf seiner Webseite. Produkte aus Graspapier sind kompostierbar, wenn wasserlösliche Farben und natürliche Kleber verwendet werden. Das Beste: Gras steht nahezu unbegrenzt zur Verfügung und wächst leicht nach. Keine Angst, die Kühe müssen nicht hungern, für die Produktion der Pellets werden landwirtschaftliche Überschussflächen genutzt.
Snacks auf essbaren Verpackungen aus Algen
Graspapier wird ganz normal weiterverarbeitet zu Toilettenpapier, Küchenrollen, Trinkhalmen, Trinkbechern oder Druckerzeugnissen. Firmen, die Ökomode herstellen, nutzen Kartons aus Graspapier zum Versand. Auch einige Supermärkte haben die Vorteile entdeckt. „Wir haben bei Rewe und Penny bereits seit 2017 im Obst- und Gemüse-Bereich vereinzelt Verpackungen aus Graspapier im Einsatz – hauptsächlich bei Bio-Äpfeln, Bio-Birnen oder auch Bio-Tomaten. Die Verpackungen werden von den Kundinnen und Kunden gut angenommen und positiv bewertet", erklärt Kristina Schütz, Pressesprecherin der Rewe Group.
Mit natürlichen Verpackungsmaterialien wird an vielen Stellen experimentiert. Die Restaurantkette Nordsee startete 2018 mit dem Alfred-Wegener-Institut (AWI) und der Hochschule Bremerhaven das zweijährige Forschungsprojekt „Mak-Pak" mit dem Ziel, eine aus Algen produzierte Verpackung für den Außer-Haus-Verzehr herzustellen, die kompostierbar und sogar essbar ist. Erste Kundentests verliefen vielversprechend.
Jeder kennt Styropor als Dämmstoff oder Verpackung für Essen to go. Zwar besteht es zu 98 Prozent aus Luft, zur Herstellung von einem Kilogramm werden aber drei Liter Erdöl benötigt.
Recycling ist nur teilweise möglich und es ist nicht biologisch abbaubar. Ein Unternehmen aus den USA forscht an einem Ersatz aus Pilzen und Hanf. Das schadstofffreie Material soll sich mit wenig Energie beliebig formen lassen, braucht wenig Wasser und keine Chemie.
Natürlich sind nachhaltige, biologisch abbaubare Verpackungen wichtig. Aber auch sie verbrauchen Ressourcen und Energie. Am nachhaltigsten ist immer noch der Verzicht. Man muss sich deshalb nicht kasteien, nur ein paar alte Gewohnheiten abstreifen: Der Thermosbecher für den Kaffee unterwegs, der Stoffbeutel zum Einkaufen, Obst und Gemüse vom Markt, die Shampooflasche zum Nachfüllen. Praktische Tipps dazu gibt es vom Nabu Naturschutzbund Deutschland, der Deutschen Umwelthilfe, dem Umweltbundesamt und anderen.