Der Schauspieler und Regisseur Patrick Winczewski ist auch ein erfolgreicher Synchronsprecher, leiht unter anderem Tom Cruise und Hugh Grant seine Stimme. Im Interview spricht der 60-Jährige über seine überstandene Corona-Erkrankung, was ihn an Hugh Grant begeistert und warum er lange mit Tom Cruise auf Kriegsfuß stand.
Patrick Winczewski sitzt im Vorraum eines Synchronstudios, als wir uns zum Zoom-Interview treffen. Gleich hat er noch eine Aufnahme für „Heroes", eine Dokumentation über Rennfahrerlegenden, er leiht dabei seine Stimme dem berühmten Rennfahrer Tom Kristensen.
Der 60-jährige Schauspieler, Regisseur und Synchronsprecher wirkt aber nicht gehetzt oder unter Zeitdruck. Im Gegenteil. Ganz entspannt kommt der sympathische Künstler rüber und erzählt gleich zu Anfang, dass er Corona positiv war.
Herr Winczewski, wie haben Sie Ihre Covid-Erkrankung überstanden?
Ich bin seit vier Monaten im Post-Covid-Zustand. Es verbessert sich stetig, ist aber ein sehr schwieriger Vorgang. Es geht mir gut, aber ich habe mitunter ein starkes Erschöpfungsphänomen. Ich kann derzeit nicht mehr an die Leistungsfähigkeit andocken, die ich mal hatte. Noch nicht. Das verändert psychisch einiges, auch den Blick auf ganz bestimmte Dinge natürlich. Aber das geht ja vielen so. Bei all dem muss ich sagen, dass wir in einer ganz tollen Gesellschaft leben, bei aller Meckerei. Es ist toll, dass wir in einem System leben, dass uns trotzdem noch auffängt. Im Vergleich zu anderen Ländern, wie in Afrika und Asien, in denen es diese Gesundheits- und Sozialnetze überhaupt nicht gibt. Vor diesem Hintergrund muss man sagen: Okay, es ist sehr ärgerlich, anstrengend, macht müde, aber es gibt eine Aussicht.
Wie sind Sie beruflich durch die Pandemie gekommen?
Ich habe Glück gehabt. Dadurch, dass ich auf verschiedenen Standbeinen stehe, konnte ich das eine mit dem anderen kompensieren. Tatsächlich war es erst mal ein ganz starker Einbruch und natürlich gab es Irritationen bei den Produktionsfirmen und den Kulturschaffenden. Ich bin wirklich gut durchgekommen, kann mich nicht beklagen. Ich habe Jobs, das funktioniert auch, natürlich stößt man mit den Hygienevorschriften auch mal an seine Grenzen. Aber es ist gut so, wie es ist.
Wahrscheinlich kann man gerade als Synchronsprecher in der Pandemie noch ganz gut arbeiten, oder?
Das ist absolut richtig. Die Synchronfirmen waren mit die ersten mit den Vorsorgemaßnahmen. Im Synchronalltag steht man sowieso meistens alleine am Mikrofon. Deshalb ist es verhältnismäßig leicht, das noch auszuüben. Das Synchronisieren läuft derzeit auf Hochdampf. Jetzt sind die zurückgehaltenen amerikanischen Film- und Serienproduktionen angelaufen, sie kommen auch nach Deutschland, insofern ist das Auftragsvolumen gut.
Ist die Synchronisation Ihre Haupt-Beschäftigung?
Das ist die kontinuierlichste Arbeit. Aber meine Hauptbeschäftigung ist die Tätigkeit als Fernsehregisseur. Ich mache aber aus privaten Gründen mittlerweile lieber Synchronarbeit, weil ich nicht mehr so viel unterwegs sein will.
Wie läuft so eine Synchronisation eigentlich ab?
Das ist total unterschiedlich. Die Vorstellungen, die man so im Allgemeinen hat, entsprechen eher nicht der Wirklichkeit. Es gibt sogenannte Blockbuster-Filme, die werden oft zeitgleich zum Start in den USA hier in Deutschland schon synchronisiert. Damit der Filmstart international parallel laufen kann. Dann gibt es Serien, die werden komplett fertig produziert, kommen dann nach Deutschland und werden dann eingesprochen.
Wie lange dauert eine Synchronisation?
Das ist unterschiedlich. „Top Gun" (der aktuelle zweite Teil, Anm. d. Red.) hat zehn oder zwölf Arbeitstage gehabt. Davon hatte ich so etwa sechs Tage. Synchronisation ist eine Industrie und ist auf Effektivität und Geschwindigkeit angelegt. Eben auf Rentabilität. Die Produktionsfirmen arbeiten alle am unteren Limit, das große Geld kann man da nicht verdienen.
Sie leihen vielen Schauspielern Ihre Stimme, die bekanntesten sind Tom Cruise und Hugh Grant. Sie sagten mal, dass Sie sich mit Tom Cruise nicht so identifizieren können.
Inzwischen stehe ich mit ihm nicht mehr auf Kriegsfuß. Vielleicht, weil ich milder geworden bin mit bestimmten Betrachtungen. Ich bin einfach für mich persönlich nur dankbar, dass es diese Möglichkeit gibt. Das ist für mich auch ein wirtschaftlicher Faktor. Ich synchronisiere Tom Cruise seit über 20 Jahren, das ist ein Teil der eigenen Geschichte. Ich muss ehrlich sagen, dass es Momente gibt, wo er mir nicht so gefällt, mit dem, was er tut.
Zum Beispiel?
Das ist unterschiedlich. Es gibt auch Filme, wo er mir ausgesprochen gut gefällt, wo ich überrascht bin über das, was er da macht. Das weist ihn als speziellen Charakter aus. Und natürlich seine absolute Manie, die Action-Szenen alle selbst zu machen, den ganzen Ablauf selbst zu kontrollieren, das nötigt mir Respekt ab. Das ist schon einzigartig. Da zieh ich den Hut. Das ist in Ordnung.
Und warum standen Sie auf Kriegsfuß mit ihm?
Das hatte sicher auch mit dem Umfeld zu tun, in dem er arbeitet. Es war am Anfang so, dass ich in meiner Arbeit sehr stark kontrolliert wurde. Die Aufnahmen wurden abends von Deutschland nach Hollywood geschickt und dann geprüft. Das war ein sehr unangenehmer Vorgang, dem ich mich irgendwann entzogen habe. Ich habe gesagt, dass ich das nicht mehr möchte, das deckt sich nicht mit dem, was ich persönlich gerne habe. Dann dachte ich: Das ist es jetzt. Das war es aber nicht. Und da fing es an, dass ich gefragt wurde, warum mich das stört, was mich stört. Da merkte ich, dass das sehr eigentümlich ist. Denn eigentlich ist jeder Synchronsprecher austauschbar. Aber da hatte ich so die leise Ahnung, dass ich wohl aus dem Blickwinkel der Produzenten nicht austauschbar bin. Das war erhebend. Es entspricht aber nicht meinem Naturell, das auszunutzen.
Diese Art der Kontrolle ist also nicht üblich?
In dieser Form ist es nicht unbedingt üblich.
Dann kann man nicht locker bleiben.
Nein. (lacht) Das ist kein schönes Gefühl. Man möchte frei und losgelöst arbeiten. Immer unter Beobachtung zu stehen, ist kein schönes Gefühl.
Erfüllt es Sie auch mit Stolz, so einen Hollywood-Star zu synchronisieren?
Nein, nein. Stolz kann man nicht sagen. Ich bin auf andere Sachen stolz. Zum Beispiel auf meine Kinder.
Da sind Sie ganz Profi.
Ich weiß nicht, ob das was mit Professionalität zu tun hat. Das ist eher eine persönliche Einstellung. Ich messe diesen Dingen nicht so eine unglaubliche Bedeutung zu. Ich darf es machen, das finde ich toll. Ich bin demütig dem gegenüber. Aber das ist es dann auch.
Wie schwer ist es denn zu synchronisieren? Wie bereiten Sie sich vor?
Ich bereite mich überhaupt nicht darauf vor. Das ist Teil meiner Philosophie, weil ich der Auffassung bin, dass ich in dem Moment, wo ich es sehe, am besten und am unverfälschsten abbilde, was mir entgegenkommt. Andere Leute schauen sich den Film an, das mache ich gar nicht. Ich lege Wert auf das Unmittelbare. Das finde ich sehr schön. Es gibt manchmal Ausnahmen, wo Filme sehr komplex sind, die schaue ich mir an, damit der Regisseur mir nicht alles erklären muss.
Tom Cruise synchronisieren Sie seit 20 Jahren, Hugh Grant noch länger. Werden sie Ihnen da irgendwie vertraut, entsteht eine Art von Beziehung?
Es gibt kein Kumpel-Gefühl. Aber es gibt bei mir Momente, wenn ich Filmklassiker schaue wie „Notting Hill" oder „Vier Hochzeiten und ein Todesfall", dann finde ich es einfach schön, dass ich daran teilhaben durfte. Das finde ich einfach klasse. Ich schaue die Filme selber gerne.
Interessiert es die Hollywood-Stars, wer sie synchronisiert?
Ja, Tom Cruise hat das selbst für die nächsten Jahre festgelegt. Hugh Grant ist da ein ganz anderes Kaliber, der interessiert sich explizit dafür. Er ist sehr freundlich. Den habe ich auch persönlich getroffen.
Wie war das?
Schön. (lacht) Er ist ein ganz toller Mensch.
Was gefällt Ihnen denn an ihm?
Er ist klug. Sehr klug. Sehr belesen und sehr, sehr witzig. Das nimmt mich für ihn ein.
Gibt es für Sie eine Art Traum-Synchronisation?
Nein. Ich war etwas irritiert, denn ich spreche Andy García zum ersten Mal in meinem Leben. Ich dachte, oh großer Gott, das ist vielleicht eine Nummer zu groß. Das hätte ich mir nie im Leben vorstellen können, dass ich den mal spreche. Darüber freue ich mich. Es ist eine Serie und er spielt zum Niederknien.
Warum wird da jetzt der Sprecher gewechselt?
Der Stamm-Sprecher möchte nicht mehr.
Sie sind auch Schauspieler und Regisseur. Planen Sie da gerade etwas?
Nein, ich bin momentan auch in einer anderen Lebensphase. Ich strampele nicht mehr. Ich habe überhaupt keine Ambitionen, mein Erfolgskonzept macht sich nicht am Beruf fest. So lasse ich alles offen, ich habe nicht das Gefühl, dass ich etwas ins Visier nehmen muss. Ich lasse es einfach kommen und gehen, so wie es ist. Ich habe schon lange nicht mehr richtig intensiv gespielt, wenn diese Tür sich wieder öffnet und mit höherer Schlagzahl, dann werde ich bestimmt durchgehen. Aber ich bin mir gerade nicht sicher, ob ich das mit allem Ehrgeiz vorantreiben sollte. Ich warte einfach mal. Ist immer die beste Methode, sonst verkrampft man.
Was ist Ihnen denn besonders wichtig?
Ich kann es im Moment nicht beantworten. Echt. Mir ist alles wichtig. Eins auf jeden Fall, egal, was man tut, man soll es nicht mit Lebensangst tun und sich nicht die Aussicht verhageln lassen von dem momentanen Geschehen. Man soll aus diesem, was wir gerade erleben, schöpferisch werden, ein bisschen was Kreatives machen. Vielleicht sich auch ein bisschen neu erfinden. Von der Mecker-Kultur hin zu einer solidarischen Kultur.
Die Covid-Erkrankung hat Sie verändert?
Ich glaube, ich bin so ein Typ. Diese Corona-Erfahrung hat das multipliziert. Ist ja fast schon eine Plattitüde, wenn man sagt, dass diese Pandemie wie ein Brennglas wirkt. Das trifft ja für alle zu. Wahrscheinlich für Sie auch. Das solidarische Miteinander ist mir sehr wichtig. Schon wieder eine Plattitüde, aber man kann es nicht anders sagen. (lacht)