Serienmörder gab es schon immer, weltweit und aus allen Gesellschaftsschichten. Über sie werden Filme gedreht und Bücher geschrieben. Obwohl ihre Taten erschrecken, üben diese Täter oft auch eine besondere Faszination aus.
Der Abend ist noch warm, das Fenster ist leicht geöffnet. So gelangt er lautlos ins Haus. Er hat alles im Detail geplant, hat das Paar beobachtet. Die Diele knarrt nur leicht unter seinen Schritten. Alles ist still, er öffnet die Tür zum Schlafzimmer und tritt ein. Erst später wird man ihre Leichen finden. Die Polizei ist ihm auf der Spur, aber er ist ihnen immer einen Schritt voraus, und das gefällt ihm.
Ein Löffelchen reicht. Sie rührt das weiße Pulver in seine Suppe. „Hier, Schatz. Dein Essen", sagt sie. „Hast du denn keinen Hunger", fragt er. „Nein, ich habe schon gegessen." Die Mordserie wird erst entdeckt, nachdem 15 Menschen in ihrem Umfeld unter grausamen Schmerzen gestorben sind. Diese arme Frau, sagten die Leute noch, als nach ihrem Ehemann auch drei ihrer Kinder und ihre Eltern erkrankten und sie sich bis zum Schluss liebevoll um sie kümmerte. Wenigstens hat ihr Ehemann ihr ein wenig Geld hinterlassen, damit sie nicht so allein dasteht. Dass das erst der Auftakt sein sollte, konnte niemand ahnen.
Da liegt die alte Dame, atmet schwer, ist nicht ansprechbar. Dieses ganze Elend, er hat es satt, will das Leid einfach nicht mehr sehen. Der Schlauch im Arm wackelt leicht, als er die Spritze ansetzt und abdrückt. Er verlässt das Zimmer und wartet, bis der Alarm losgeht. Kollegen haben der Klinikleitung schon gemeldet, dass irgendetwas nicht stimmt. Aber er konnte glaubhaft versichern, dass die vielen Menschen während seiner Schichten wirklich nur rein zufällig sterben.
Definition für Serientäter lässt vieles offen
Diese Morde sind unterschiedlich und doch haben sie eine Gemeinsamkeit: Sie sind das Werk von Serienmördern. Der „Golden State Killer", ein ehemaliger Polizist, der in Amerika in den 70er- und 80er-Jahren die Häuser von Paaren ausspionierte, dann dort einbrach, die Frauen vergewaltigte, während ihre Männer zuschauen mussten, und beide Opfer dann tötete, ist ein Serienmörder, der jahrelang unerkannt mordete und ansonsten ein völlig normales Leben führte. Seine Identität wurde nur durch Zufall im Jahr 2018 aufgedeckt. Die Giftmörderin Gesche Gottfried, die Anfang des 19. Jahrhunderts in Bremen 15 Verwandte und Freunde mit Arsenik umbrachte, darunter ihre eigenen Kinder, ihre Eltern und ihr Bruder, war ebenfalls eine Serienmörderin. Bevor man ihr auf die Schliche kam, war sie sogar als Engel von Bremen bekannt, der sich aufopferungsvoll um die dahinscheidenden Lieben kümmerte. Auch der Krankenpfleger, der in den 90er-Jahren durch Luftinjektionen zehn Patienten tötete, weil er ihr Leid nicht mehr ertragen wollte, ist ein Serienmörder. Erst nachdem auffällig viele ältere Patienten während seines Diensts starben, wurden Kollegen misstrauisch und meldeten ihn.
Serienmörder ist, wer in gewissen zeitlichen Abständen mehr als zwei Morde begeht. Während es in Deutschland keine gesetzesrelevante Definition gibt, heißt es etwa in den USA im Handbuch zur Klassifizierung von Verbrechen, dass es sich bei einer Mordserie um drei oder mehr voneinander unabhängigen Taten an unterschiedlichen Orten handeln muss. Ein Täter legt gemäß dieser Definition zwischen den Morden längere Pausen ein, in denen er sich ruhig verhält und seinem normalen Alltag nachgeht. Die Morde eines Serientäters können sich dabei sowohl über mehrere Jahrzehnte erstrecken, als auch nur einige Wochen dauern. Auch die Zahl der Opfer kann stark variieren. Hier wird schnell klar: Die Definition steckt zwar einen Rahmen, lässt aber vieles offen. Kein Wunder also, schaut man sich in der Wikipedia die penibel geführte Liste mit Serienmördern an, dass es mehr als 500 aufgeführte Männer und Frauen aus aller Welt gibt, die als Serienmörder und Serienmörderinnen gelten.
Die meisten aufgelisteten Serienmörder sind unbekannt, es gibt allerdings einige Berühmtheiten unter ihnen. Ted Bundy, Richard Ramirez, Fritz Haarmann oder Jack the Ripper etwa. Über die Stars der Szene gibt es unzählige Bücher, Hörspiele, Filme oder Fernsehdokumentationen. Für die Darstellung der Serienmörderin Aileen Wuornos im Film „Monster" gewann Charlize Theron im Jahr 2004 einen Oscar. Das von Heinz Strunk geschriebene Buch „Der Goldene Handschuh" und dessen Verfilmung über den Frauenmörder Fritz Honka waren kürzlich ebenfalls große Erfolge. True-Crime-Podcasts, Dokumentationen, Bücher, Zeitschriften rund um das Thema sind aktuell wahre Goldgruben. Im Laufe der Zeit und nicht zuletzt aufgrund der medialen und populärkulturellen Aufbereitung hat sich ein regelrechter Kult um das Thema Serienmörder und auch um ihre Personen entwickelt. Dass das teils absurde Blüten treiben kann, zeigt die Tatsache, dass der als attraktiv und charmant geltende Ted Bundy in den 1970er-Jahren zum Frauenschwarm avancierte, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits 30 Frauen auf grausamste Weise umgebracht hatte.
Serienkiller töten sehr bewusst
Ein Grund für das große Interesse an Serienkillern mag die schiere Unvorstellbarkeit ihrer Taten sein. Bestialische und von Sadismus geprägte Morde und sogenannte Overkills, also das Übertöten des Opfers mit unverhältnismäßiger Gewalt, sind keine Seltenheit. Bei den Taten von Serienmördern handelt es sich nicht um Taten, die vom gesunden Menschenverstand in irgendeiner Form erklärbar oder entschuldbar wären. Es sind keine Taten, die im Affekt oder aus Notwehr begangen wurden oder die als Unfall durchgehen würden. Was Serienkiller tun, tun sie sehr bewusst und häufig auch geplant. Als Erklärung für die Faszination, die diese Unvorstellbarkeit auf viele ausübt, nennt der bekannte Forensiker Mark Benecke in einem Interview mit dem „Deutschlandfunk" nicht nur den Drang des Menschen, den Dingen auf den Grund zu gehen und ungelöste Fälle aufklären zu wollen, sondern auch die mögliche Hoffnung, besser gewappnet zu sein, sollte man selbst in eine ähnliche Situation geraten.
Verstehen, wie ein Mörder tickt, das ist nicht nur das Interesse von True-Crime-Fans, sondern auch von Fallanalytikern. Ihre Arbeit besteht darin, Serientaten überhaupt als solche zu erkennen und sich dem Täter durch das Erstellen eines Täterprofils zu nähern. In Büchern oder Filmen kommt dann oft ein genialer Profiler vor, der Jagd auf einen ebenbürtigen Killer macht. Das hat mit der Realität allerdings meist wenig zu tun. Unter deutschen Fachleuten ist der Begriff Profiler ebenso wenig beliebt wie die reißerische Darstellung ihrer Tätigkeit in der Fiktion.
Grundsätzlich ist in Deutschland von der operativen Fallanalyse und nicht vom Profiling die Rede. In seinem Buch „Die Logik der Tat" erzählt der Fallanalytiker Alexander Horn, dass durch die Medien geprägte Konzepte und Begriffe wie die des Profilers als Monsterjäger fehl am Platz sind. Das medial stilisierte Böse sei oftmals viel banaler als gedacht, das Vorgehen des Fallanalytikers weniger spektakulär als die Handlung im Thriller. Bei der operativen Fallanalyse arbeitet kein einzelner Profiler als Gegenspieler zum Serienkiller. Vielmehr greifen mehrere Ermittlungselemente ineinander. Auf der Grundlage von vergangenen Fällen und Erkenntnissen, die in Datenbanken gesammelt werden, werden aktuelle Fälle untersucht und bewertet. Internationale Datenbanken, deren Erstellung in den letzten Jahrzehnten vor allen Dingen vom FBI vorangetrieben wurde, sind dabei auch deutschen Ermittlern eine Hilfe. Die Erstellung eines Täterprofils auf der Basis dieser Daten lässt dann zum Beispiel Rückschlüsse auf die Persönlichkeit und die Lebensumstände des Täters zu und macht es möglich, den Kreis der Täter ansatzweise einzugrenzen.
Frauen eher in der Unterzahl
Dass ein Mensch von Grund auf böse ist, kann kein Fallanalytiker oder Kriminalpsychologe bestätigen. Eine Serienmörderschablone gibt es nicht. Trotzdem haben sich im Laufe der Zeit gewisse Eigenschaften herauskristallisiert, die viele Serientäter gemein haben. Den meisten kann demnach eine deutliche Persönlichkeitsstörung attestiert werden sowie Minderwertigkeitsgefühle die eigene Person betreffend. Sie stellen während ihrer Taten das eigene Empfinden in den Mittelpunkt, während sie sich anderen gegenüber rücksichtslos verhalten. Obwohl nicht jeder Mensch mit einer schweren Kindheit zum Serienkiller wird, lässt sich doch umgekehrt sagen, dass eine problematische Kindheit und damit verbundene Gewalterfahrungen zentrale Positionen in den Biografien vieler Serienmörder einnehmen.
Was einen Menschen letztendlich zum Mörder werden lässt, das kann trotz vieler wissenschaftlicher Untersuchungen nicht gesagt und auch nicht vorhergesagt werden. Als Initialzündung gibt es bei vielen Serienmördern allerdings etwas wie eine ursprüngliche Tat, die in den meisten Fällen nicht geplant, sondern das Resultat einer sich zufällig bietenden Gelegenheit ist. Diese Tat stellt bei Mordserien häufig einen Auftakt für weitere geplante Taten dar. Der erste Mord wirkt für den Täter wie ein Ventil, das ihm für kurze Zeit Luft verschafft. Wenn der Trieb oder die Notwendigkeit zum Töten im Anschluss zu groß wird, folgen dieser ursprünglichen und spontanen Tat weitere Morde, die dann in vielen Fällen besser geplant und ausgearbeitet werden.
Einen typischen Serienmörder gibt es nicht, auch wenn die Annahme, dass auch der nette Nachbar ein eiskalter Mörder sein könnte, nicht unbedingt aus der Luft gegriffen ist. Es hat sich gezeigt, dass Serienmörder aus jeder Schicht der Bevölkerung kommen können und dabei statistisch gesehen meist männlich sind. Es gibt zwar auch Serienmörderinnen, die dem Kriminalisten Stephan Harbort zufolge allerdings aus anderen Motiven und mit anderen Mitteln töten als Männer. Während es männlichen Serienmördern wie Ted Bundy oder dem „Golden State Killer" Joseph James DeAngelo oft um Machtausübung, Kontrolle, Triebbefriedigung und Entmenschlichung der Opfer geht, morden weibliche Täterinnen häufig aus pragmatischeren Gründen, nämlich um Probleme aus der Welt schaffen. Die Giftmörderin Gesche Gottfried ist ein Beispiel dafür. Ihre Familie soll sie umgebracht haben, um eine neue Beziehung eingehen zu können.
Die Geschichte hat gezeigt, dass es immer wieder Menschen gibt, die zu Dingen fähig sind, die für die Allgemeinheit unvorstellbar sind. Serienmörder gehören sicherlich dazu. Sie als Monster zu stilisieren mag zwar eine Art Sensationsgier oder Bewältigungsstrategie in der Populärkultur sein. Um Tätern aber schneller das Handwerk zu legen, bedarf es dennoch den kühlen Blick der Wissenschaft.