Was Netflix und Spotify für TV und Musik sind, wollen Finn, Lynk, Sixt plus und viele andere mehr künftig für das Auto werden: Die Anbieter von Autos im Abonnement häufen sich. Wer sich für ein solches Angebot interessiert, sollte jedoch einiges beachten.
Das Auto bleibt des Deutschen liebstes Kind – selbst im Zeitalter gestiegenen Umweltbewusstseins. Auch wenn die Zulassungszahlen im Corona-Jahr 2020 nur in geringem Maße wuchsen, zeigt dies, dass trotz Mobilitätsalternativen in den Städten oder zahlreichen Modellversuchen in den ländlichen Regionen das Auto als Verkehrsmittel noch immer dominiert. Statt aber ein Auto zu kaufen oder im Car-Sharing-Modell für eine begrenzte Zeit, zum Beispiel fürs Einkaufen, zu mieten, bieten Unternehmen mittlerweile das Auto auch im Abonnement an – frei nach dem Motto, alles inklusive außer Tanken. Das Internet macht dies mit wenigen Klicks so einfach wie das Abschließen eines Abos bei einem Streamingdienst.
Ein Auto nach nur wenigen Klicks
Die Interessenten entscheiden sich für ein bestimmtes Modell und schließen dann einen Vertrag mit Kilometerleistung, wie beim klassischen Leasing, und mit einer monatlichen Laufzeit. In den Kosten enthalten sind Steuern und Versicherungen, Reparaturen und Garantieleistungen für Verschleißteile sowie die Zulassung und der Bring- und Abholservice. Auch die Anzahl der Freikilometer oder die Zahl der Fahrzeugwechsel in der Vertragslaufzeit sind oft wählbar – je mehr, desto teurer. Darüber hinaus muss der Kunde nur das Benzin oder, falls es ein E-Fahrzeug sein soll, den Strom sowie die Mehrkilometer bezahlen. Fix ist dagegen die Ausstattung, sie kann vom Kunden nicht vorkonfiguriert werden. Die Preise pro Monat variieren je nach Fahrzeugklasse, Modell und Motorisierung. So kostet beispielsweise ein BMW 4er Cabrio beim Anbieter Sixt ab 1100 Euro pro Monat, der vollelektrische Polestar beim Anbieter Finn je nach Ausstattung ab 699 Euro, der Kleinwagen VW Up beim Aboservice von Volkswagen ab 399 Euro.
Wie beim Leasing ist der Wagen nicht das Eigentum des Abonnenten. Der Unterschied zum privaten Leasing: Die Laufzeiten der Verträge sind deutlich geringer, dafür sind die Monatsraten höher. Außerdem kann das Auto in der Vertragslaufzeit flexibel gegen ein anderes getauscht werden. Der Anbieter Finn.auto beispielsweise ermögliche es, ein eigenes Auto schon ab einem Monat Laufzeit zu fahren. „Das heißt, man muss sich nicht über viele Monate finanziell binden", erklärt Max-Josef Meier, Gründer des Unternehmens. „Aber natürlich kann man die Autos auch beispielsweise ein Jahr oder länger fahren. Der zweite große Vorteil ist die Kostentransparenz beziehungsweise Planbarkeit der Kosten. Bei Finn.auto fährt man ein Auto zu einer monatlich fixen Rate, die alle Nebenkosten außer Tanken enthält. Das macht die Kosten berechenbar." Ganz ähnliche Angebote finden sich bei Wettbewerbern.
Ob dies jedoch im autoverwöhnten Deutschland ankommt? Selbst im coronabedingt schwachen Jahr 2020 wuchs der deutsche Fahrzeugbestand laut Kraftfahrt-Bundesamt um 1,1 Millionen auf insgesamt 67 Millionen Fahrzeuge an. Zwei Studien, IBM-Car und Fleetpool-Car, aber prognostizieren ein rasantes Wachstum der Abos. Eine Studie der Puls Marktforschung GmbH deutet außerdem darauf hin, dass vor allem jüngere Menschen und Vielverdiener an diesem Modell interessiert sind – weil man Fahrzeuge wechseln könne, die Laufzeit flexibel und das Abschließen eines Abos im Internet sehr einfach sei. Aber: 44 Prozent der Befragten sehen laut Puls-Studie im Abo eine Alternative zum Leasing, nur 22 Prozent als Alternative zum Barkauf.
Auch Marktbeobachter der Consulting-Branche konstatieren eine deutliche Aufwärtskurve bei aktuell noch geringen Nutzerzahlen, „da dem Nutzer die kurzfristige Kündbarkeit des Vertrags entgegenkommt, insbesondere in wirtschaftlich ungewissen Zeiten", so Automotive-Experte Andreas Schlegel von Strategy&, der globalen Strategieberatung von Pricewaterhouse Coopers (PwC). „Vor allem im Privatkundenbereich sehen wir einen Marktanteil zwischen 20 bis 30 Prozent innerhalb der kommenden fünf bis zehn Jahre als nicht unrealistisch."
Mit diesen Aussichten steigen immer mehr Autobauer ins Geschäft mit ein: Mercedes, Mini, Volkswagen, Volvo, der PSA-Konzern, Porsche oder Seat. Daneben gibt es unabhängige Unternehmen wie Lynk&Co, Finn.auto, Like2drive oder Kinto-flex, Plattformen wie ViveLeCar, aber auch klassische Autovermieter wie Buchbinder und Sixt.
Aber für wen lohnt sich das Abo nun? Sicherlich für Vielfahrer, die gerne unterschiedliche Autos in einem kurzfristigen Zeitraum fahren möchten oder für Menschen, die je nach Saison ihr Auto wechseln wollen, kurz, Flexibilität bei überschaubaren Kosten benötigen. Andreas Schlegel: „Für bestimmte Kundengruppen wie Freiberufler, international tätige Personen oder Menschen mit unregelmäßigem Einkommen kann dies einen großen Vorteil bedeuten, da das Abo deutlich mehr Flexibilität ermöglicht als traditionelle Leasingverträge."
Teure Selbstbeteiligung
Für Interessenten wichtig: ein Blick auf die angebotenen Versicherungen. Denn in der Regel kostet die Selbstbeteiligung im All-Inclusive-Angebot vieler Anbieter recht viel – bis zu 1.000 Euro. Dafür sinkt meist der monatliche Abo-Preis. „Grundsätzlich gilt: Versichert man ein Auto selbst, kann man den Umfang des Versicherungschutzes frei wählen – zum Beispiel die Höhe der Selbstbeteiligung, Produktlinie, Werkstattservice und weitere Zusatzprodukte wie Schutzbrief- oder Fahrerschutz-Versicherung", erläutert Gesa Fritz von der R+V-Versicherung. „Zudem berechnet sich der Beitrag nach individuellen Tarifierungsmerkmalen wie Jahresfahrleistung, dem Fahreralter oder der Schadenfreiheitsklasse. Bei einem Auto-Abo hat man nur geringen Einfluss auf den Versicherungsumfang." Für alle Wiederumsteiger in ein eigenes Auto gilt: Wird der Schadensfreiheitsrabatt länger als sieben Jahre wegen eines Auto-Abos nicht genutzt, verfällt er in der Regel.
Ob das Abonnement den Besitz eines Autos verdrängt, hängt von den Nutzern ab. „Insgesamt sehen wir einen Rückgang an Fahrzeugen, die sich im Besitz des Nutzers befinden werden", stellt Andreas Gissler, Transformations- und Automobil-Experte bei Strategy&, fest. „Die Elektromobilität trägt hierzu ebenfalls bei, da viele Endkunden in Sachen Batterielaufdauer und Leistungsabfall verunsichert sind und daher die Nutzung in Form von Leasing dem Kauf oder der Finanzierung vorziehen." Pauschal aber könne man dies nicht sagen, „da es sehr unterschiedliche Kundengruppen mit individuellen Bedürfnissen gibt. Vor allem in den Premiumsegmenten sehen wir auch zukünftig sicher noch einen bedeutenden Anteil an Kunden, die ihre Fahrzeuge kaufen oder finanzieren werden." Für Finn.auto-Gründer Meier wird es Eigentum auch beim Auto immer geben. „Der Trend geht aber eindeutig zu mehr Diversität", so Meier. „Ob man ein Auto kaufen oder abonnieren möchte, hängt stark von den Lebensumständen ab. Wichtig ist doch, dass jeder die für sich passende Mobilitätsmöglichkeit finden kann und dass Autobesitz heute so unkompliziert sein kann, wie der Schuhkauf im Internet." Dr. Stefan Carsten vom Frankfurter Zukunftsinstitut sieht den Abo-Markt vor allem durch ökonomische und technologische Unsicherheiten getrieben. „Das Auto-Abo erscheint als ein Allheilmittel: das Ausprobieren neuer Technologien, wie Elektromobilität, die vergleichsweise geringen monatlichen Kosten und vor allem die Möglichkeit, kurzfristig aus den Verträgen aussteigen zu können, sind die wichtigsten Gründe." Aber auch aus anderen Gründen werde der reine Besitz eines Autos immer weniger relevant. Carsten: „Das veränderte Mobilitätsleitbild von Städten, das mittlerweile eher auf Fahrräder und den ÖPNV setzt, gehört ebenso dazu wie die Antizipation von autonomer Mobilität, die in erster Linie auf Teilen denn auf Besitzen ausgelegt ist."