Mit seiner Space-Ressources-Initiative hat Luxemburg frühzeitig ein neues Kapitel aufgeschlagen. Der Wettlauf um die Ressourcen und deren Nutzung im All ist aus strategischen Gründen in vollem Gang. Eine wirtschaftliche Nutzung wird zudem immer attraktiver.
Reporter von CNN hielten die Geschichte für so abenteuerlich und unwahrscheinlich, dass sie der Sache auf den Grund gehen wollten. Am Ende stand eine Reportage – und das kleine Luxemburg, von dem kaum einer wusste, wo es überhaupt genau liegt, hatte einen Namen als Weltraumnation. Winzig, pittoresk, ohne Zugang zum Meer, sollen die Reporter des US-Senders Luxemburg beschrieben und dann nicht schlecht gestaunt haben, dass es die Luxemburger ernst meinen mit ihren neuen Weltraumplänen, berichten die Kollegen vom „Luxemburger Wort". Im April dieses Jahres, also gerade mal fünf Jahre nach dem Start, hatten sich für die dritte Auflage der luxemburgischen Space Mining nach Veranstalterangaben über 1.000 Teilnehmer aus 66 Nationen angemeldet. Der ehemalige Wirtschaftsminister Etienne Schneider sollte also Recht behalten. Er hat vor etwas mehr als fünf Jahren die „SpaceRessources.lu-Initiative auf den Weg gebracht und sich dabei selbst erklärtermaßen am Motto des Apple-Gründers Steve Jobs orientiert: „Stay hungry, stay foolish", was Schneider auf Luxemburgisch in einem Gespräch mit „science.lu" einmal übersetzte: „Als kleines Land müssen wir von Zeit zu Zeit etwas wagen." Luxemburg war zwar kein unbekannter Player in Sachen Raumfahrt. Das Unternehmen SES ist schließlich weltweit der größte kommerzielle Satellitenbetreiber (Astra). Aber Bodenschätze auf Asteroiden schürfen, und Space Mining in der Perspektive kommerziell und als Geschäftsmodell betreiben, schien dann doch eine etwas zu visionäre Vorstellung. Aber „so verrückt ist das auch nicht", war Schneider überzeugt.
„Müssen von Zeit zu Zeit etwas wagen"
Immerhin profitierte das kleine Land im Herzen Europas allein schon wegen der Ernsthaftigkeit des Projekts von der internationalen Aufmerksamkeit. Firmen aus den USA und Japan bekundeten schnell Interesse an Kooperationen und Ansiedlungen. Die Technik für Bergbau im All ist grundsätzlich vorhanden. Eine rentable wirtschaftliche Nutzung ist mit der gesamten Entwicklung immer wahrscheinlicher geworden.
Die grundlegende Idee ist nicht etwa, auf einem Asteroiden nach Gold zu graben und das dann zurück zur Erde zu bringen. Es geht vielmehr darum, Bodenschätze im All zu gewinnen und dort auch zu verarbeiten. Das würde nicht nur den nach wie vor extrem teuren Transport von der Erde ins All sparen, freie Transportkapazitäten könnten anderweitig genutzt werden, es würden sich auch ganz neue Perspektiven erschließen.
Ließen sich Materialien im All herstellen, könnten die beispielsweise für
die Reparatur der inzwischen zahlreichen Satelliten im Orbit eingesetzt werden, was deren Lebensdauer verlängern und somit Kosten sparen oder Ressourcen für andere Projekte freimachen würde. Und ganz nebenbei könnte es ein Beitrag sein, den Zuwachs an Weltraumschrott zumindest zu begrenzen. Auf der ISS werden auch während der Mission von Matthias Maurer, der als Materialwissenschaftler selbst mehrere Wissenschaftspreise erhalten hat, Forschungsprojekte zur Materialbearbeitung im All durchgeführt.
Spannend werden die Ideen aber auch im Zusammenhang mit Missionen ganz anderer Dimensionen, nämlich der Herstellung von Raketentreibstoff im All. Die Formel dazu klingt verlockend einfach: Man entnehme dem Mond oder anderen Himmelskörpern, etwa Asteroiden, Wasser. Mithilfe von Sonnenenergie (Solarzellen) könnte das in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff gespalten und als Raketentreibstoff genutzt werden: Eine Tankstelle im All, Zwischenstopp zu größeren Missionen. Raketen bräuchten beim Start auf der Erde weniger Treibstoff, wären leichter – und damit billiger. Die Wirtschaftlichkeit ist dann ein Rechenexempel, zumal mit Forschung und technologischer Entwicklung die Realisierbarkeit greifbarer wird. „Space Ressources ist keineswegs bloß Science-Fiction. Wir sind bereits mitten drin", betonte Etienne Schneider noch relativ am Anfang der Luxemburger Ambitionen. Ein Blick auf das, was dieses Projekt im Umfeld bewegt, gibt einen Eindruck, was alles damit zusammenhängt. Materialforschung und Robotik sind nur zwei Stichworte, bei denen deutlich wird, in welchen Bereichen die Vision vom Space Mining Impulse auslöst.
Ressourcennutzung im All ist aber auch unabdingbare Voraussetzung für Projekte wie beispielsweise eine bemannte Mondstation. Die wiederum gehört zu den Gedankenspielen, wenn es um bemannte Raumfahrt Richtung Mars gehen sollte. Beflügelt worden sind diese Ideen durch eine Studie, die die Nasa vor jetzt genau einem Jahr vorgelegt hat. Auswertung von Daten über den Mond legen nahe, dass im Untergrund deutlich höhere Konzentrationen von Erzen vorhanden sein könnten, vor allem Eisen und Titan.
Den Gedanken, Ressourcen im All zu nutzen, hält Schneider übrigens mit Blick auf die Menschheitsgeschichte für folgerichtig. Die Suche nach Ressourcen sei immer schon Antriebsfeder für große Expeditionen gewesen, ob es um Goldschätze oder kostbare Gewürze ging. Heute sind es auf der Erde (fossile) Energieträger sowie Seltene Erden und andere Zutaten für die digitale Welt. Aber immer schon war der Wettlauf auch Grund für Auseinandersetzungen, die nicht selten zu Kriegen führten und noch immer führen.
Längst keine Science-Fiction mehr
Seit strategische und wirtschaftliche Perspektiven auf dem Mond immer deutlicher werden, zeichnen sich auch Interessenkonflikte ab. Dass die Chinesen vor einem halben Jahr (Dezember 2020) ihre Nationalflagge auf dem Mond (an einer Sonde) gehisst haben, passt da ins Bild. Der frühere amerikanische Präsident Donald Trump hatte für die Amerikaner das Recht reklamiert „sich an der kommerziellen Erkundung, Gewinnung und Nutzung von Ressourcen im All zu beteiligen".
Die Nasa hat schon länger in ihre Pläne zur Erforschung des Mondes die Idee eines Mond-Basislagers am Südpol aufgenommen. Die russische Weltraumagentur Roskosmos hat vor Jahren ebenfalls ähnliche Ambitionen geäußert. China und Indien stehen da nicht hinten an.
Aber kann sich jeder einfach so auf dem Mond bedienen – oder auf anderen Himmelskörpern? Es gibt den sogenannten Weltraumvertrag von 1967, der bis zum vergangenen Jahr von 110 Staaten ratifiziert worden ist, darunter all die, die Raumfahrt betreiben. Der Grundgedanke: Der Weltraum gehört allen. Die wichtigsten Grundsätze darin sind: Keine Okkupation eines Himmelskörpers durch einen Staat, keine Atomwaffen im All, keine militärischen Basen und keine Militärübungen im All. Erlaubt sind demnach friedliche Nutzungen für Forschung und zivile Luftfahrt. Ein eigener „Mondvertrag" sollte den Weltraumvertrag ergänzen und Regelungen für den Mond präzisieren. Vor allem sollte erreicht werden, dass bestehende Regelungen, die Staaten binden, auch für Unternehmen und Privatpersonen gelten sollten. Das hätte vor allem für die Klarstellung gegolten, dass Eigentumsansprüche an Himmelskörpern nur bei der internationalen Gemeinschaft – also der gesamten Menschheit, liegen können. Dieser Vertrag gilt als gescheitert, weil er bislang nur von wenigen Nationen ratifiziert worden ist.
Luxemburg hat immerhin nationale Regelungen für die Nutzung von Weltraum-Ressourcen festgeschrieben, als bis dahin einziges europäisches Land. Nach diesem Gesetz bedarf es einer ausdrücklichen Genehmigung, die wiederum an strenge Auflagen auch hinsichtlich der Transparenz geplanter Projekte geknüpft ist. Das Gesetz bezieht sich ausschließlich auf die Ressourcen, das Eigentum an Himmelskörpern wird darin nicht angesprochen. Schließlich sind der Weltraum – und alle darin befindlichen Objekte – kein nationales Eigentum.