Die Designerin und Wahlsaarländerin Laura Theiss hatte nur vier Wochen, um die Space-Kleidung für den saarländischen Astronauten Matthias Maurer zu entwerfen und fertigzustellen. Eine besondere Aufgabe mit vielen Herausforderungen.
Frau Theiss, Herr Maurer, Sie verstehen sich auf Anhieb, was eine langjährige Freundschaft vermuten lässt. Wie haben Sie sich eigentlich kennengelernt?
Maurer: Das stimmt, wir sind tatsächlich schon länger befreundet und ich kann mich noch ganz genau erinnern, wie wir uns kennengelernt haben. Es war im Jahr 2017 auf dem Halberg. Damals waren wir beide gleichzeitig zu Saarland-Botschaftern ernannt worden. Laura war sehr organisiert und kam zu diesem Anlass mit einer vorbereiteten Rede. Ich dagegen dachte im Vorfeld, dass wir nur etwas entgegennehmen müssen…
Theiss: Ich dachte, es muss eine Dankesrede sein.
Maurer: (lacht) Da war sie einfach professioneller als ich.
Theiss: Zudem hatten wir auch schon eine gemeinsame Ausstellung im Historischen Museum Saar.
Maurer: Genau, im Rahmen dieser Ausstellung wurden insgesamt 100 prominente Menschen aus dem Saarland vorgestellt.
Theiss: Wir waren aber auch schon gemeinsam beim Empfang des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier eingeladen, als er im Rahmen seiner Deutschlandreise im März 2018 das Saarland besucht hatte.
Ist dabei die Idee für die Space-Kleidung entstanden?
Theiss: Eine unserer Saarlandbotschafter-Kolleginnen hat uns ihren Wunsch nach einer Kooperation ans Herz gelegt. Ihrer Meinung nach wäre es spannend, wenn die saarländische Designerin dem aus dem Saarland stammenden Astronauten Space-Kleidung kreieren würde.
Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie von dieser besonderen Aufgabe erfahren haben?
Theiss: Natürlich war dieser Auftrag eine Herausforderung und daher auch sehr aufregend. Gleichzeitig war es aber auch eine Chance, mich in einem ganz neuen Bereich zu versuchen. Ich mag es, mit meiner Kreativität die Grenzen des Möglichen zu verschieben. Das betrifft nicht nur meine eigenen Kollektionen, sondern auch die Arbeit am Saarländischen Staatstheater, wenn ich zum Beispiel an die Kostüme für Balletttänzer denke.
Was muss dabei beachtet werden?
Theiss: Bei den Tänzern – im Gegensatz zum klassischen Schauspiel – kommt es im Wesentlichen auf die Bewegungsfreiheit an. Deshalb ist dieser Grundgedanke auch maßgeblich für den Schnitt, den diese speziellen Kostüme haben sollten. Sie dürfen die Tänzer auf keinen Fall einengen, sondern müssen viel Raum für die Bewegung lassen. So verhält es sich auch mit der Space-Kleidung, die in der Schwerelosigkeit getragen wird. Der Astronaut sollte bequeme Kleidung tragen, die ihn in keiner seiner Bewegungen hindert. Das war dann die Kür.
Gab es weitere Voraussetzungen, die die „Space-Poloshirts" erfüllen mussten?
Theiss: Matthias Maurer wünschte sich ein Polo-Shirt aus einem natürlichen Stoff, mit einem futuristischen Touch. Darüber hinaus gab es auch sogenannte Pflichtelemente, die die Kleider haben sollte. Dazu zählte zum Beispiel ein Mission-Patch, das ESA-Logo, der Name des Astronauten und die deutsche Flagge. Der Rest blieb mir überlassen.
Was war dabei die größte Herausforderung?
Theiss: Ich würde sagen es war das 3D-Esa-Logo. Wir haben einige Tage experimentiert, bis der 3D-Drucker die Ergebnisse generiert hat, die wir wollten. Vorher haftete der Druck auf den Polos nicht richtig und hat sich vom Material abgelöst. Und das darf natürlich auf keinen Fall passieren. Sonst können diese Partikel, die in der Luft schweben würden – egal wie winzig sie sein mögen – zu einer echten Gefahr für die Astronauten werden. Zum Schluss ist es uns aber doch noch richtig gut gelungen. Das Logo übersteht sogar einen Waschmaschinen-Test.
Zudem habe ich die Space-Kleidung mit QR-Codes auf den Ärmeln ausgestattet. Wenn man sie abscannt, leitet sie einen direkt zur Webseite von „Cosmic Kiss" und zu der Missionsbeschreibung. Dafür muss man nicht mal in direkter Nähe zu Matthias Maurer stehen, sondern sie lassen sich sogar vom Bildschirm scannen.
Bei den futuristischen Streifen, die die Schulter-Partien der Polos zieren, habe ich mich von Pilotenuniformen inspirieren lassen. Eines der Space-Shirts hat sogar lichtreflektierende Streifen, die mit einem neuem Druckerverfahren bearbeitet wurden. So könnte man bei kommenden Missionen unter diesen Streifen Mini-Chips oder Sensoren legen, um künftig die Körperdaten der Kosmonauten direkt übertragen zu können, ohne diese vorher bewusst zu messen. Das wäre dann die Weiterentwicklung zu Smart Clothing.
Hört sich sehr komplex an. Wie lange mussten Sie für dieses Projekt recherchieren?
Theiss: Um ehrlich zu sein hatte ich nur wenige Kenntnisse über die Raumfahrt und hatte mich zuvor nie mit Astronautenkleidung beschäftigt. Daher musste ich mich erst mal durch Youtube klicken. Hauptsächlich waren das Videos, die veranschaulichten, wie sich die Astronauten in der ISS bewegen und worauf es dabei ankommt. Die kleinen Details spielten für mich die wichtigste Rolle: Warum steckten die meisten Astronauten beispielsweise ihre Polos in die Hosen? Rutschten sie etwa immer wieder hoch? Oder nur bei bestimmten Bewegungen? Daher musste ich auch einen speziellen Schnitt für die Polos entwickeln.
Ein Vorteil für mich war, dass ich an der St. Martins Universität in London meine Diplomarbeit zum Thema ‚Intelligente Stoffe‘ geschrieben habe. So habe ich viel über intelligente Fasern und leitende Garne recherchiert. Auch über die Möglichkeiten, dem Körper über die Nanopartikel zeitversetzt Vitamine oder Hyaloron zuzufügen. Welche Kleidung hilft zum Beispiel gegen Elektrosmog, und was haben die Silberfasern damit zu tun? Es ist wichtig, dass bei der Entwicklung und Herstellung von E-Textilien unterschiedliche Fachleute zusammenarbeiten – von Materialforschern und Informatikern über Elektrotechniker bis hin zu Fachleuten für Künstliche Intelligenz und Mode- und Textildesignern. Smart Clothing hat mich schon immer fasziniert. Daher ging es mir auch leichter von der Hand, mich da einzulesen und auf den neuesten Stand zu bringen.
Hatten Sie Hilfe bei der Entwicklung?
Theiss: Zusammen mit dem Atelier des Saarländischen Staatstheaters, unter der Leitung von Markus Maas, haben wir einen neuen Schnitt für die Polos ausgesucht, der eigentlich bei Balletttänzern verwendet wird. Dabei kamen wir auch auf die Idee, nachhaltig zu arbeiten und Jersey Pique-Stoffe aus dem Theaterfundus zu nehmen. So kam dann ein Prototyp des ersten Polos zustande, der anschließend nach Houston zur Anprobe geschickt worden ist. Die Verbesserungen, die wir dann vornahmen, mussten wir aus den Fotos entnehmen. Da hat das geübte Auge der Ateliermitarbeiter extrem geholfen.
Nach der Fertigung der Prototypen wurde diese samt den Materialen in die italienische Hightech-Fabrik – Bond Factory – nach Chieti geschickt. Dort wurden dann die neuesten Methoden für den 3D-Druck ausprobiert. Die Nähte wurden beispielsweise nicht genäht, sondern nur geklebt. Dieses Verfahren nennt man Bonding.
Diese Fabrik arbeitet für viele hochwertige Modehäuser. Auch ich habe das Glück, mit ihnen zusammenzuarbeiten und jedes Jahr für sie neue Muster zu kreieren. Mein letztes Projekt, das bei dieser Kooperation entstanden ist – es ist ein 3D-gedrucktes Strickkleid – wird beispielsweise jetzt bei der Pitty Filati-Austellung in Florenz vorgestellt.
In dieser Fabrik wurden übrigens auch alle Kostüme für das ‚Future World Ballett von Sijn Celis‘ gedruckt. Das waren enge, hautfarbene Trikots mit lichtreflektierendem Druck. Der Druck sieht dabei so aus, als ob der Körper der Tänzer aus Sensoren und Chips bestehen würde. Damit wird der Körper zur Künstlichen Intelligenz.
Wie lange dauerte die Produktion vom Entwurf bis hin zum fertigen Poloshirt?
Theiss: Es waren insgesamt vier Wochen. Dabei nahmen die meiste Zeit die Recherche, das Zeichnen und die Herstellung des Prototypen in Anspruch. Das Experimentieren am 3D-Druck dauerte dagegen einen Tag und die anschließende Produktion nur wenige Tage.
Eines der Poloshirts ziert das saarländische Wappen. War das Ihre Idee oder eine Vorgabe?
Theiss: Wie auch die Idee, dass ich für Matthias Maurer Space-Kleidung entwerfen sollte, stammte auch diese Idee von unserer Saarlandbotschafter-Kollegin. Matthias nimmt das Essen aus dem Saarland mit, und mit dem Shirt mit dem Wappen begleitet ihn dann auch die Liebe und das Gefühl für die Heimat.
Gibt es die Polo-Shirts irgendwann mal zu kaufen?
Theiss: Leider sind die Polos mit dem 3D-Druck nicht erhältlich. Das ist ein einmaliges Projekt. Dafür kann man aber ähnlich schöne Polos, Hoodies und andere Stücke mit dem Missionslogo ‚Cosmic Kiss‘ im offiziellen Esa Space-Shop kaufen.
Herr Maurer, wie ist das für Sie, etwas im Weltraum zu tragen, was von einer Saarlandbotschafter-Kollegin entworfen wurde? Ist das ein besonderes Gefühl?
Maurer: Natürlich. Vor allem, weil ich ganz genau weiß, wie viel Herzblut in der Kleidung steckt und mit wie viel Begeisterung sie diese Kleidung kreiert hat. Das ist schon was sehr Einzigartiges.