Die „Avengers" waren gestern. Heute triumphiert „Black Widow". Scarlett Johansson gibt als Profikillerin Natasha Romanoff ihre grandiose Abschiedsvorstellung.
Vor zwei Jahren starb Natasha Romanoff alias Black Widow (Scarlett Johansson) in „Avengers: Endgame" einen spektakulären Märtyrertod. Jetzt kommt sie noch einmal auf die Leinwand zurück. Und zwar ohne ihre Comic-Superhelden-Familie (Thor, Hulk, Iron Man, Captain America…), die sie sehr vermisst. Völlig auf sich allein gestellt, taucht sie in Norwegen unter, um neue Kräfte zu sammeln. Denn sie hat noch eine Rechnung offen: Sie will sich endlich an Dreykov (Ray Winston) rächen, der sie vor Jahren in seinem inhumanen Ausbildungsprogramm „Red Room" zu einer hocheffizienten Tötungsmaschine – einer Black Widow eben – abgerichtet hat. Ihr neues Mantra: „Ich fliehe nicht mehr vor meiner Vergangenheit!"
Und tief in der Vergangenheit beginnt auch ihre Geschichte. 1995 lebt sie als junges Mädchen in einer Kleinstadt in Ohio. Eines Abends muss sie Hals über Kopf mit ihrer kleinen Schwester Yelena und ihren Eltern aus den USA fliehen. Der Grund: Ihre Eltern – in Wirklichkeit russische Spione – wurden als Schläfer enttarnt. Nach einer abenteuerlichen Flucht mit einem Kleinflugzeug nach Kuba verliert sich die Spur der Romanoffs.
Enttarnt: Die Familie muss aus den USA fliehen
Einige Jahre später. In einer Wohnung in Budapest stehen sich die mittlerweile erwachsenen Schwestern Natasha und Yelena (Florence Pugh) gegenüber. Die Anspannung der beiden ist fast unerträglich – und entlädt sich in einer explosiven Schlägerei in der Küche, wo diverse Teller und Schränke zerbersten, Messer fliegen, Vorhänge als Strangulier-Vorlagen missbraucht werden, Fäuste knallen und Körper auf Tisch und Boden krachen. Nach dem furios inszenierten Nahkampf-Spektakel meint Natasha trocken: „Schön dich zu sehen, Schwesterchen!" Nach einigen Umwegen kommen die beiden wieder mit ihren russischen Fake-Eltern Melina (Rachel Weisz) und Alexei (David Harbour) zusammen. Gemeinsam nehmen sie den ultimativen Kampf gegen Dreykov und seine Black-Widow-Zombies auf.
Dem neusten Ausflug ins Marvel-Comic-Universum sieht man gerne zu. Sehr unterhaltsam ist auch, dass diesmal ein Perspektivwechsel stattfindet: Es sind die Frauen, die nun am Drücker sind. Sie haben die Macht, sie treiben die Männer vor sich her, sie bestimmen das Geschehen, das Tempo, die Action. Sie schreiben die Geschichte weiter. Und sie machen das – allen voran Scarlett Johansson – mit viel Herz, Hirn und Humor. Selbstironie hat noch keinem Action-Spektakel geschadet.
Perspektivwechsel mit ausschließlich Frauen am Drücker
Scarlett Johansson war es auch, die unbedingt Cate Shortland („Lore" und „Berlin Syndrom") als Regisseurin haben wollte, die bislang eher als Independent-Filmemacherin auffiel. Die aber bei diesem Multi-Millionen-Dollar-Blockbuster keine Mühe hatte, exorbitante Action-Sequenzen mit intimen Charakterzeichnungen der Heldinnen zu synchronisieren. Und sie kam natürlich auch Scarlett Johanssons Wunsch nach, aus der in hautenger Ledermontur lasziv ausgestellten Black Widow früherer Filme nun eine charismatische Kämpferin mit menschlichen, ja durchaus feministischen Zügen zu machen. Über weite Strecken erinnert der Film weniger an das für Marvel-Comic-Verfilmungen typische Überwältigungs-Kino, sondern eher an einen extracoolen Lady-Agenten-Thiller à la James Bond. Inklusive atemberaubender Verfolgungsjagden in den labyrinthischen Souks von Marokko und auf den Dächern von Budapest. „Black Widow" ist ein cleveres Spin-Off, in dem Scarlett Johansson die Super-Woman-Stafette an ihre Film-Schwester Yelena weitergibt. Und die macht eindrucksvoll klar, dass sie hier zwar noch als Sidekick der Hauptdarstellerin fungiert, für das nächste Kick-Ass-Abenteuer aber allzeit bereit steht. Wir sind gespannt.