Oliver Glasner hatte Anfang Juli seinen ersten Arbeitstag als Trainer. Der neue Sportdirektor Markus Krösche ist schon länger am Tüfteln. Einige Personalien sind offen – diese Saison wird ein Abenteuer für die Eintracht.
Im Trainerleben ist der erste Arbeitstag zwar geprägt von einer gewissen Nervosität, mit Sicherheit ist er aber einer der sorgenfreisten. Als Oliver Glasner Anfang Juli in den frisch renovierten Presseraum einlief, war die Vorfreude durchaus in seinen Augen zu sehen. Zwar könnte es möglich sein, dass seit langer Zeit wieder echte Journalisten auf einer Pressekonferenz diese Freude ausgelöst haben, wohl eher lag es aber daran, dass sein neuer Job begonnen hat.
Wie gewohnt waren auch die ersten Fragen an Glasner eher nicht ganz so kritisch. Danach ging es in das Stadion, um ein paar nette Erinnerungsfotos zu schießen. Schon war der erste Arbeitstag beendet. Zuvor gab es aber auch eine gewisse Vorbereitungszeit. Denn nach einem kurzen Urlaub mit seiner Ehefrau schaltete Glasner gleich auf den Eintracht-Modus um. Er zeigte sich oft im Frankfurter Stadion, führte viele Gespräche mit den unterschiedlichsten Funktionsträgern der Eintracht. Mittlerweile arbeitet er schon mit der Mannschaft – wohlwissend, dass diese nicht das Team ist, das am ersten Spieltag in die Saison starten wird. Einer derjenigen, die nicht mehr kommen, ist Torjäger André Silva. Zwar sind die Portugiesen bei der Europameisterschaft früher ausgeschieden als erwartet, doch Eigenwerbung hat er genug betrieben. Seine 28 Treffer aus der vergangenen Saison sind nicht unbemerkt geblieben, seine Vertragssituation war entsprechend gestaltet. Der Wechsel zu einem größeren Club war schon bei der Vertragsunterschrift fest eingeplant. „Ich will unbedingt auf allerhöchstem Niveau spielen und das bedeutet Champions League. In Leipzig habe ich die Chance, dauerhaft in der Königsklasse dabei zu sein", begründete der Angreifer seinen Wechsel zum Liga-Konkurrenten RB.
Glasner gilt als akribischer Arbeiter
Aktuell arbeitet Sportvorstand Markus Krösche in Gesprächen mit den Beratern der Spieler daran, dass weitere Top-Stars bleiben. Geplant wird mit den Österreichern Martin Hinteregger und Stefan Ilsanker. Diese waren aber nicht die einzigen Spieler, die Glasner erst einmal nicht zu Gesicht bekam. Mit Kevin Trapp, Djibril Sow, Steven Zuber und Frederik Rönnow waren noch vier weitere Profis bei der EM im Einsatz, die ebenfalls längeren Urlaub hatten. Aymen Barkok und Dejan Joveljic, die ebenfalls für ihre Nationalmannschaften im Einsatz waren, kamen ebenso später wie Ajdin Hrustic und Daichi Kamada. Sportvorstand Markus Krösche geht fest davon aus, einen kaugummiartigen Transfersommer zu erleben. „Wenn große Turniere sind, zieht es sich", sagte der 40-Jährige. Erst recht in diesem Jahr mit den durch Corona ausgelösten Flur- oder Totalschäden. Erst müssten einige große Deals laufen, um auf tieferen Ebenen für Bewegung zu sorgen: „Es wird einen Domino-Effekt geben."
Dass einer der Spätheimkehrer noch den Abflug macht, damit rechnet bei der Eintracht keiner. Trotz der Medienberichte über Wechsel von Kamada oder Kostic bleibt Krösche gelassen.
Denn konkrete Meldungen oder Angebote gab es noch keine. Konkrete Angebote werden kommen, da sind sich die Verantwortlichen sicher. Diese werden aber erst Ende Juli oder Anfang August erwartet. So lange richtet sich der Blick auf die Neuzugänge. Diant Ramaj aus Heidenheim, Linksverteidiger Christopher Lenz von Union Berlin und die Stürmer Ali Akman von Bursaspor und Fabio Blanco Gomez vom FC Valencia. Dazu kommen zahlreiche Profis, die bei der Eintracht ihre zweite oder dritte Chance nutzen wollen. Unter anderem auch Rodrigo Zalazar, der bei seinem Ausleihverein FC St. Pauli eine überragende Saison ablieferte und daran – genau wie Stürmer Dejan Joveljic – bei der Eintracht jetzt anknüpfen will. Joveljic hat bei seinem Leihverein Wolfsberger AC in der vergangenen Spielzeit 18 Tore geschossen und war damit auf Rang zwei der österreichischen Torschützenliste gelandet. Andere, wie Flügelspieler Danny da Costa und Steven Zuber sowie Stürmer Goncalo Paciencia wollen wieder oder endlich den Durchbruch schaffen. Glasner hat schon angekündigt, dass er einigen Spielern eine neue Chance geben will. Zuber könnte seine starke EM zugutekommen, zudem favorisiert Glasner eine Viererkette. Auch Paciencia soll nach seinem enttäuschenden Engagement bei Schalke 04 im Sommer sehr hart gearbeitet haben, um bei der Eintracht wieder voll einsteigen zu können.
Krösches Schachzug, Glasner nach Frankfurt zu lotsen, hat jetzt schon einen positiven Eindruck hinterlassen. Zwar gibt es sportlich noch keine Möglichkeiten für eine Bewertung, seine fokussierte Art hat seine bisherigen Ansprechpartner aber schon überzeugt. Glasner ist ein akribischer Arbeiter, der sehr auf die Details achtet und immer um eine gute Struktur bemüht ist.
In seiner Arbeitsweise erinnert er manche an seinen Vorgänger Niko Kovac, denn viele Dinge, auf die Kovac um die Mannschaft herum Wert legte, scheinen auch dem neuen Übungsleiter wichtig zu sein. Auch deshalb hat Krösche ihn aus Wolfsburg weggelotst – zudem gibt es reihenweise sportliche Argumente. Glasner zeigte in Wolfsburg, dass er eine Mannschaft aufbauen und entwickeln kann und führte die Wölfe in die Champions League. Nach den Querelen mit dem nicht immer ganz einfachen Jörg Schmadtke zogen er und der Verein gemeinsam die Reißleine – und Krösche schnappte zu.
Ressourcen sind nicht ausgeschöpft
Markus Krösche ist in diesem Sommer von RB Leipzig zur Eintracht aus Frankfurt gewechselt. Seit nunmehr sieben Jahren ist er als Funktionär tätig, die häufigsten Fragen drehen sich aber immer wieder um seine Zeit bei RB und die Erfahrungen, die er mitgenommen hat. Dabei betont der ehemalige Paderborner zwar immer, wie wichtig auch Ralf Rangnick war, der eigentliche Gründervater des RB Fußballs ist für Krösche aber sein Freund und langjähriger Wegbegleiter Roger Schmidt. Zunächst war Schmidt Trainer beim SC Paderborn, als Krösche noch im Mittelfeld des SCP den Takt vorgegeben hatte. 2012 wechselte Schmidt als Coach zu RB Salzburg, wo fast zeitgleich auch Ralf Rangnick als Sportchef startete. Zwischen 2015 und 2017 fanden dann Krösche und Schmidt bei Bayer Leverkusen zusammen. Krösche diente seinem Mentor als Assistenztrainer bei der Werkself. Als Schmidt dann nicht mehr länger Trainer sein durfte, kehrte Krösche als Manager zu seinem Stammverein nach Paderborn zurück. Dort gelang ihm der Durchmarsch von der 3. Bis in die 1. Liga. Zwar geht es im Profifußball immer um Erfolg, für Krösche steht aber vor allem die Weiterentwicklung im Vordergrund. „Mich reizt die Aufgabe, in leitender Funktion bei einem Traditionsklub mit großer Strahlkraft zu arbeiten. Ich kann meine Ideen zur Weiterentwicklung einbringen und umsetzen. Das macht mir Spaß, das finde ich spannend", betont Krösche.
Weiterentwicklung soll also bei Eintracht Frankfurt ganz oben stehen. Davor sind sowohl der bisherige Adi Hütter als auch der Vorstandsvorsitzende Fredi Bobic zurückgeschreckt. Sie sahen den Klub am Limit, Hütter sprach im Nachgang gar von einer „Überperformance" der Spieler. Krösche sieht das offenbar anders: „Die Eintracht hat am Limit gespielt und ihr volles Potenzial auf den Platz gebracht." Ein großes Entwicklungspotenzial ist für ihn in Frankfurt weiterhin vorhanden, die Ressourcen am Bundesliga-Standort Frankfurt noch lange nicht ausgeschöpft. „Ich sehe noch viel Potenzial, das im Umfeld schlummert", macht Krösche der Eintracht-Familie Hoffnung. Anders als Vorgänger Fredi Bobic sieht Krösche die Eintracht auch nicht als Projekt oder gar Zwischenstation, die Vertragsunterschrift bis zum Jahr 2025 kam nicht von ungefähr. „Ich möchte nachhaltige Entwicklungen vorantreiben", betont Krösche, der im Grunde als Spieler nur zwei Vereinen diente: In nahezu seiner kompletten Jugend dem SV Werder Bremen – und als Profi dem SC Paderborn. Womöglich ist er nun als Funktionär auch bei einem Verein angekommen, bei dem er eine ähnlich lange Zeit erfolgreich arbeiten kann.