Vor einigen Wochen haben wir acht neue Trainer aus der 2. Bundesliga vorgestellt. In der Ersten Liga haben auch acht Trainer ihre Arbeit neu aufgenommen. Die Voraussetzungen sind noch mal ungewöhnlicher.
Der Satz schlug vor jetzt schon 16 Jahren hohe Wellen. Wolfgang Holzhäuser, damals Geschäftsführer von Bayer Leverkusen, hatte Trainer im Profi-Fußball als „temporäre Erscheinung" bezeichnet. Und sich damit unter anderem vom Bund Deutscher Fußball-Lehrer den Rüffel eingefangen, dies sei „menschenverachtend". Fakt ist: Trainer-Wechsel sind in diesem Geschäft eher die Regel als die Ausnahme. Nicht umsonst wird häufig von „Schleudersitzen" gesprochen. Und von einem „Trainer-Karussell", von dem abgeworfen wird, man aber irgendwie immer wieder aufspringen kann.
Nun hat sich dieses Karussell selten so schnell gedreht wie in diesem Frühjahr. Denn nicht nur in der zweiten, sondern auch in der ersten Liga gehen acht und damit fast die Hälfte der 18 Vereine mit einem neuen Trainer in diese Saison. Das Besondere daran aber: Durch den früh bekannt gewordenen Wechsel von Marco Rose von Gladbach nach Dortmund und dem Abgang des künftigen Bundestrainers Hansi Flick beim FC Bayern war eine richtige Welle in Gang gesetzt worden. Die Gladbacher bedienten sich in Frankfurt, die Frankfurter wiederum in Wolfsburg, die Bayern derweil in Leipzig.
Alle Augen richten sich auf Julian Nagelsmann
So kam es zu einer höchst ungewöhnlichen Situation: Denn sind es sonst eher die wenig erfolgreichen Vereine, die die Trainer wechseln, gehen diesmal die sechs Ersten in der Abschlusstabelle des Vorjahres mit neuen Übungsleitern in die Spielzeit. Dazu noch der Achte Gladbach und die Kölner, die sich im Vorjahr erst in der Relegation gerettet haben. Bedenkt man, dass mit Bo Svensson (Mainz), Pal Dardai (Hertha), Frank Kramer (Bielefeld) und Markus Weinzierl vier aktuelle Trainer erst in der Rückrunde ihre Jobs angetreten haben, bleiben ganze sechs Vereine, die noch den Coach vom ersten Spieltag der vergangenen Saison auf der Bank sitzen haben. Neben dem ewigen Christian Streich in Freiburg sowie dem auch schon in die vierte Saison gehenden Urs Fischer bei Union Berlin und den beiden Aufstiegs-Trainern Thomas Reis (Bochum) und Stefan Leitl (Fürth) sind dies Pellegrino Matarazzo nach einer guten Saison in Stuttgart und Sebastian Hoeneß trotz einer durchwachsenen in Hoffenheim.
FORUM stellt die acht neuen Trainer vor, geordnet nach dem Tabellenplatz ihres Vereins im Vorjahr.
Julian Nagelsmann (33) FC Bayern München
Mit gerade mal 33 Jahren ist Julian Nagelsmann durch seine offenbar bis 25 Millionen Euro betragende Ablöse schon der weltweit teuerste Trainer. Der Trainer versichert, mit diesem Preisschild umgehen zu können. Und man hat auch das Gefühl, dass hier zusammenkam, was zusammengehört. Der vielleicht talentierteste deutsche Trainer, als Kind auch noch Bayern-Fan, landet beim Serienmeister. Nagelsmanns Pech: Weil er selbst so viel Geld kostete, ist – gerade in Corona-Zeiten – kaum noch was für neue Stars da. Und für den zehnten Meistertitel in Folge wird er höchstens pflichtschuldigenden Applaus bekommen. Es zählt die Champions League. Und für die ist der hochwertige Kader in der Breite weiter dünn besetzt.
Jesse Marsch (47) RB Leipzig
Als klar war, dass der Vizemeister neben seinem Abwehrchef Dayot Upamecano auch noch Nagelsmann an die Bayern verliert, kündigte Chef Oliver Mintzlaff gleich mal an, man werde die Ansprüche nicht runterschrauben und wolle Bayern und Nagelsmann jagen. Dafür holten die Leipziger unter anderem Frankfurts Top-Stürmer André Silva. Marsch ist eine wenig kreative, aber folgerichtige Nachfolge-Lösung als Coach. Der US-Amerikaner trainierte von 2015 bis 2018 die New York Red Bulls, war dann ein Jahr Assistent von Ralf Rangnick in Leipzig und trainierte zuletzt zwei Jahre Red Bull Salzburg. Er kommt also wahrlich aus dem eigenen Bullen-Stall. Dass ihn manche dennoch kritisch beäugen, ist ihm egal. „Im Amerikanischen gibt es die Phrase ‚to have a chip on one‘s shoulder‘", sagte er: „Das bedeutet so viel wie, dass alle von Einem denken, man sei nicht gut genug und dass man sich ständig beweisen muss. Für mich ist das nur zusätzliche Motivation."
Marco Rose (44) Borussia Dortmund
Auch Rose hat seine Wurzeln im RB-Imperium. Als er 2018 mit Salzburg und begeisterndem Fußball Dortmund aus der Europa League warf, wurden sie beim BVB auf ihn aufmerksam. Über den Umweg Gladbach kam er nun nach Dortmund. Dass er mit den Gladbachern seit der Verkündung seines Wechsels abstürzte, hat seinem guten Ruf leichte Kratzer verpasst. Doch Rose wirkt voll motiviert und ohne Zweifel. Und er weiß, was verlangt wird. „Nach Dortmund passt Arbeiter-Fußball. Also viel laufen, Bälle gewinnen und das Stadion hinter sich bringen. Dazu kommt der Anspruch, guten Fußball zu spielen und den Gegner zu dominieren". Das klingt nach dem in Dortmund immer noch verehrten Jürgen Klopp. Mit dem vergleichen Rose auch viele. Und tatsächlich war Klopp einst auch sein Trainer und Lehrmeister in Mainz.
Mark van Bommel (44) VfL Wolfsburg
Als Mark van Bommel zum ersten Mal vom VfL kontaktiert wurde, erinnerte er sich gleich an eine seiner schlimmsten Niederlagen als Spieler. „Wir haben hier im April 2009 mit Bayern 1:5 verloren. An dieses Spiel denke ich immer wieder mal", sagte er: „Als Wolfsburg mich angerufen hat, war das auch mein erster Gedanke." Grundsätzlich hat van Bommel als Spieler aber deutlich häufiger gewonnen als verloren. Ottmar Hitzfeld adelte ihn beim FC Bayern einst als „aggressive leader". Die Mischung aus seiner Erfahrung, seiner Arbeiter-Mentalität und der dennoch zugänglichen Art soll Wolfsburg nach der Champions-League-Qualifikation oben etablieren. Er selbst sieht die Rückkehr in die Bundesliga als „Riesenchance".
Oliver Glasner (46) Eintracht Frankfurt
Oliver Glasner war es, der die Wolfsburger in die Königsklasse geführt hatte. Doch weil er sich mit Sportchef Jörg Schmadtke überwarf, ging er nach Frankfurt und spielt nun Europa League. Die Aufgabe in Frankfurt wird herausfordernd, weil zum Beispiel auch Sportchef Fredi Bobic und Torjäger Silva gingen und der Rest den Frust der verspielten ersten Champions-League-Teilnahme verarbeiten muss. Seinen Vorgänger und Landsmann Hütter besuchte er zu Hause, um sich bestens zu informieren. Und sein Ziel für die kommende Saison: „Fußball pur." Klingt nach einem einfachen Erfolgs-Rezept.
Gerardo Seoane (42) Bayer Leverkusen
Wie Rose machte auch der Schweizer mit spanischen Vorfahren durch einen Europacup-Coup gegen seinen künftigen Verein auf sich aufmerksam. Doch bei ihm dauerte es deutlich kürzer, bis man zusammenkam. Erst im Frühjahr bezwang Seoane in der Europa League in beiden Spielen mit sehenswertem Fußball mit den Young Boys Bern Leverkusen, Peter Bosz musste kurz darauf gehen. Und der schon länger beobachtete Seoane schien spätestens jetzt genau der Richtige, um dem seit Jahren attraktiven Offensivfußball der Werkself den letzten Schliff zu geben. „Über einen angriffslustigen, dominanten und technisch anspruchsvollen Stil definieren wir uns hier seit Langem", sagte Sportdirektor Simon Rolfes: „Und diese Spielweise wollen wir in den kommenden Jahren gemeinsam mit Gerardo Seoane weiterentwickeln und damit erfolgreich sein."
Adi Hütter (51) Borussia Mönchengladbach
Hütter widerfuhr dasselbe wie seinem Vorgänger Rose: Während der mit Gladbach den Europacup verspielte, verspielte Hütter mit Frankfurt nach Bekanntwerden seines Abgangs die Champions League. Und verlor auch an Beliebtheit. Seine Bilanz ist dennoch stark, an seinen Fähigkeiten zweifelt in Gladbach niemand. Und im Gegensatz zu vielen anderen Genannten startet er auf einem für den Verein relativ tiefen Niveau und hat somit mehr zu gewinnen. „Zu meinen Zielen zählt, dass wir so schnell wie möglich attraktiven, guten und erfolgreichen Fußball spielen", sagte Hütter und ging einer konkreten Zielsetzung aus dem Weg. Doch ihm ist klar: Die Europa League sollte es mindestens werden.
Steffen Baumgart (49) 1. FC Köln
Den SC Paderborn hatte Baumgart von einem Fast-Viertligisten in zwei Jahren zum Bundesligisten gemacht. Und das durch erfrischenden Offensiv-Fußball und auch eine in der Außendarstellung forsche, manchmal ruppige, aber sehr sympathische Art. Außer dem FC warben auch der Hamburger SV, Hannover oder Schalke um ihn. Baumgart entschied sich für Köln, als der Klassenerhalt noch in großer Gefahr war. Das sicherte ihm erste Bonuspunkte. Nicht optimal war, dass Sportchef Horst Heldt, der ihn überzeugt hatte, bei Baumgarts Ankunft schon weg war. Dennoch ist der neue Coach hochmotiviert. Und haute im Gegensatz zu seinen Kollegen schon mal eine klare Zielsetzung raus. „Wir reden immer über den Klassenerhalt", sagte er: „Wer mich kennt, weiß aber, dass ich schon mehr möchte."