Tiere bereichern, Tiere erweichen. Doch warum sind ausgerechnet Katzen die beliebtesten Haustiere? Wir haben Experten gefragt – Katzenhalter.
Eins vorweg: Hunde sind auch cool. Es gibt Dutzende von Rassen, die sich unterscheiden in Größe, Höhe, Felllänge, Fellfarbe, Fellhaptik, Form der Schnauze, Bewegung beim Gang, Länge der Beine und bei der Beschaffenheit des Schwanzes. Sie können nach Drogen schnüffeln, nach Vermissten suchen, Blinde sicher durch den Straßenverkehr bringen. Bernhardiner helfen sogar auch mal mit einem Fässchen Schnaps aus, wenn man unter Schnee begraben ist.
Und Katzen? Die schlafen 16 Stunden am Tag. Sie wedeln nicht mit dem Schwanz, wenn sie sich freuen und bellen nicht begeistert, wenn man nach einem Achtstundentag nach Hause kommt. Sie verdienen sich ihre Leckerlis nicht mit putzigen Tricks, weil sie wissen, dass sie die eh bekommen. Langweilt sich der Schatz, kann es sein, dass er Möbel ankratzt, in die Küche uriniert oder einfach gähnt, sich zur Seite dreht und weiterschläft. Worin liegt also die Faszination der Samtpfote? „Weil Katzen selbstbewusst, unabhängig und eigenständig sind", sagt Vanessa, die ich durch eine private Hilfsorganisation kenne, die ich ab und an unterstütze.
Selbstbewusst und unabhängig
Sie tat ihre Meinung nach einem Aufruf meinerseits auf sozialen Netzwerken kund. Eine Umfrage also, die ebenso wenig repräsentativ ist, wie sie die Sachverhalte dennoch ganz gut zusammenfasst. Daniela, die ich so ebenfalls kennengelernt habe, führt dort aus: „Weil meine drei Katzen bezaubernd, toll, schön, treu, lieb, verschmust, pflegeleicht, arrogant, engstirnig, trotzig und verfressen sind und jede auf ihre Art individuell ist." Geschätzt fast 16 Millionen Hauskatzen leben laut Online-Portal Statista in Deutschland und damit deutlich mehr Tierchen als dies bei Hunden der Fall ist. Vom treusten Freund wohnen „nur" rund elf Millionen in deutschen Haushalten. Sieht man von extremen Einzelfällen wie einer Katzenhorterin im Saarbrücker Stadtteil St. Arnual ab, die 32 Tiere unter erbärmlichen Umständen hielt und um die 200 Kadaver auf ihrem Grundstück regelrecht vergammeln ließ, werden alle diese Tiere geliebt.
Warum? Mein ehemaliger Volontariatskollege Giew drückt es mit einem Augenzwinkern so aus: „Weil ich ein Opfer bin, der sich von allen Samtpfoten um den Finger wickeln lässt. Bin den Viechern einfach verfallen. Sie mir zum Glück meist auch." Bis die heutige Hauskatze bei Giew, Vanessa und Daniela angekommen ist, hat sie einen weiten Weg zurückgelegt. Vermutlich aus Asien stammend, verbreitete sie sich über alle Kontinente und domestizierte sich eventuell selbst, wie Forscher vermuten. Sie jagte Mäuse und erlegte dabei die Herzen der Menschen, könnte man vielleicht sagen. Vermutlich waren die Katzen irgendwann einfach zu faul, sich ihre Nahrung immer selbst zu jagen.
Passend zum Thema Dosenöffner sagt Anne, Pressesprecherin einer mittelgroßen Kommune im Saarland: „Ich bin für meinen Kater ganz nebenbei Fütterungsoffizier und mache ihn satt." Liebevoll fügt sie hinzu: „Mein Kater ist wie ein Schmetterling um mich. Ich fühle mich in jeder Perspektive durch ihn gesehen." Oder ist es vielleicht das meist flauschige Fell, das einen so fasziniert und durch das man seine Hände so schön hindurchgleiten lassen kann? Meistens gefällt das den Miezen auch selbst ganz gut. Peter, der Vorsitzende eines Vereins, den ich mal porträtierte, meint: „Sie bestimmt die Intensität und den Zeitpunkt ihrer Zuwendung selbst. Und dennoch gelingt es ihr immer wieder, uns zu vermitteln, wann sie selbst Zuwendung benötigt."
Dann ist da dieses Schnurren. Dieses wunderschön beruhigende niederfrequente Geräusch, mit dem das Tierchen sein Wohlbefinden kundtut (manchmal auch, wenn es unter Stress steht) und von dem keiner so ganz genau weiß, wo und warum es erzeugt wird. Sind es falsche Stimmbänder? Ist es wallendes Blut? Ist es ein einzigartiger neuronaler Oszillator? Nur wenige andere Tiere schnurren, so etwa das Braunborsten-Gürteltier. Das hat aber deutlich weniger schönes Fell. Meine schreibende Kollegin Petra sagt: „Ich liebe es, mit einem Schnurren einzuschlafen. Katzen sind liebenswerte Charakterköpfe, weil sie mich gleichzeitig zum Schmunzeln, Lachen, Dahinschmelzen und Weinen bringen können. Und weil sie mitfühlend und treu sind."
Wer Freigänger hat und schon mal gesehen hat, wie sie mit verängstigten Mäusen spielen, die sie vorher nicht komplett zerlegt haben, kann schon mal zweifeln, dass sie mitfühlend sind. Hat sie sich diese Art Sadismus vielleicht vom Menschen abgeschaut? Doch Schmunzeln und Lachen? Auf jeden Fall. Es gibt Zehntausende von Katzenvideos auf den einschlägigen Internetportalen, eher Millionen, vielleicht sogar Milliarden. Katzen, die philosophierend vor sich hinbrabbeln? Check. Kater, die ihr Geschäft ganz stubenrein von einem Toilettendeckel aus machen? Check. Samtpfoten, die vor dem Fernsehgerät einen Boxkampf sehen und mit ihren Pfoten so tun, als würden sie mitmachen? Natürlich. Alex, einer meiner besten Freunde, sagt: „Vielleicht ist es das: Weil sie eigene Charaktere sind und einfach viele Gesichter haben. Gute Laune und schlechte Laune, angestrengt oder locker drauf."
„Sie können allen Kummer wegschnurren"
Er sagt auch: „Jede Katze ist anders." Das stimmt natürlich, wenn man es auf den Charakter bezieht. Denn anders als Hunde ist ihr Äußeres relativ gleich. Der schlauchartige Körper misst etwas um die 50 Zentimeter, der Schwanz nochmal etwa 25 bis 30 Zentimeter. Das Gewicht liegt in etwa bei zwischen 2,5 und 8 Kilogramm. Die Ohren sind immer aufrecht, haben einen breiten Ansatz und laufen dreieckmäßig spitz zu. Und dennoch haben wir es hier mit 16 Millionen Individuen zu tun. Oder wie meine Schwester Elke es ausdrückt: „Sie sind sweetest, weich, verschmust, wild und hemmungslos! Streuner, Wanderer und Pilger auf ihren Wegen ins Unbekannte."
Einen Hauch von Mystik hat sie sich also bewahrt, die Eroberin der Menschen. Und trotz ihrer Rolle als perfekte Jägerin besticht sie stets durch Grazilität. Meine FORUM-Kollegin Ute aus Berlin erinnert sich: „Ich hatte mal zwei schwarze Siam-Mix-Damen, die pure Eleganz." Katja, eine Autorin, die trotz gleichen Nachnamens nicht mit mir verwandt ist, sagt: „Weil sie einen eigenen Willen hat. Weil sie sehr selbständig sind." Alex, eine liebe Freundin, merkt noch an: „Ihr Vertrauen musst du dir verdienen. Sie lässt sich nicht bestechen." Sie fügt lachend hinzu: „Außerdem erzieht sie dich! Meine fordert sich sogar die Hängematte ein."
Andy, ein weiterer meiner besten Freunde, fasst zusammen: „Puh. Genauso könntest du mich fragen, warum ich meine Frau liebe. Wenn man sich mit jemandem wohlfühlt, soll es halt so sein. Bei Katzen ist es vielleicht das Gefühl zu glauben, der Herr im Haus zu sein. Der eigentliche Herrscher ist dann doch die Katze oder der Kater. Wenn wie bei Corona alles aus den Fugen gerät, ist es schön, dass ein paar Komponenten bleiben, wie sie sind. Eine tolle Partnerschaft, gute Freunde und eine Katze, die auf dich wartet, wenn du nach Hause kommst und so manchen Kummer weg schnurrt." Frau Tanja gibt ihm Recht: „Ach, was soll man sagen. Miezen sind tolle Geschöpfe. Ich freue mich, dass sie mein Leben bereichern. Ich möchte es mir nicht anders vorstellen."