Karateka Lukas Groß gehört als 18-Jähriger schon zur deutschen U21-Nationalmannschaft. Zwischen 20. und 22. August nimmt er an der EM in Finnland teil. Ob er sich jemals den großen Traum von den Olympischen Spielen erfüllen kann, ist allerdings offen.
Lukas Groß vom Verein Shotokan Saarwellingen ist einer der besten Karatekas seiner Altersklasse in Deutschland – wenn nicht sogar der Beste. Mit gerade einmal 18 Jahren gehört er schon dem U21-Bundeskader an, mit dem er vom 20. bis 22. August an den Europameisterschaften im finnischen Tampere teilnehmen wird.
Außerdem gehört Groß auch der saarländischen Bundesliga-Kampfgemeinschaft Saarwellingen/St. Wendel an. Normalerweise können sich Karate-Talente wie er über gute Platzierungen bei bestimmten Wettkämpfen für die Europameisterschaften qualifizieren. Während der Corona-Pandemie ist aber auch hier alles anders.
Das Duell mit seinem Konkurrenten in der gleichen Gewichtsklasse (-75 Kilo) erstreckte sich nur über zwei internationale Wettkämpfe. Doch sowohl in Kroatien als auch in Österreich schnitt der Saarländer besser ab und verdiente sich so sein EM-Ticket. „Obwohl es für mich nicht optimal lief", gibt Groß zu, der 2020 erstmals an den Deutschen Kumite-Meisterschaften der Aktiven teilnahm und als jüngster Teilnehmer überhaupt auf dem fünften Platz landete.
Der Vater wurde 1988 Deutscher Meister
Der Saarwellinger wohnt etwa 300 Meter von seiner Trainingshalle entfernt, in der auch schon seine Eltern gewirkt haben. Vater Markus, früher in Bous aktiv, war überaus erfolgreich und wurde im Jahr 1988 Deutscher Meister. Etwa 15 Jahre später und im Alter von fünf Jahren kam Sohn Lukas zu der Sportart, die schon immer sein Leben prägte: Karate. „Natürlich spielte die Familie dabei eine Rolle, aber unser Verein ist sehr groß, und auch viele meiner Schulfreunde, eigentlich mein ganzer Freundeskreis, hatte Karate gemacht", erinnert sich Groß und erklärt: „Deshalb und weil ich die Sportart schon immer sehr cool fand, bin ich dabeigeblieben." Das geerbte Talent gepaart mit Trainingsfleiß und stetiger Weiterentwicklung sorgten schnell für Erfolge. Die Motivation, weiterzumachen und immer besser zu werden, führte den jungen Mann schließlich in den Leistungssportbereich. Dort ist Lukas Groß ausschließlich im Kumite unterwegs, also dem Kampf gegen einen Gegner. Beim Kata wird in einer Art Schattenkampf eine Choreografie präsentiert. 2018 wurde Groß im Alter von 16 Jahren Deutscher U18-Meister und nahm 2019 an der Europameisterschaft in Dänemark teil. Hinzukommen zahlreiche Erfolge bei internationalen Turnieren. „Da ist mitunter schon richtig viel los", erinnert sich Groß an die Zeit, in der noch Publikum zu Sportveranstaltungen zugelassen war: „Das ist schon etwas, das mich anspornt. Es ist schon sehr schade, wenn gar keine Zuschauer in der Halle sind." Bei der EM in Finnland ist, Stand jetzt, kein Publikum zugelassen. „Aber bis dahin dauert es ja noch eine Weile. Vielleicht ändert sich das noch mal", hofft Groß.
Zu den Stärken des außergewöhnlichen Karate-Talents aus dem Saarland gehören sein schon jetzt großer Erfahrungsschatz, aber auch herausragende Athletik und Ausdauer sowie sein großer Kampfgeist. Schwächen sieht der 18-Jährige noch im Bereich der Fußtechniken. „Die Fausttechniken liegen mir einfach besser", gibt er zu. An den Schwächen feilen lässt es sich am besten mit Tipps und Tricks von Älteren. „Es ist schon eine große Ehre für mich, als einer der Jüngsten schon bei den Älteren mitmachen zu dürfen", sagt Groß nicht ohne Stolz und ergänzt: „Es bringt mir schon sehr viel, mit erfahreneren Athleten trainieren zu können. Wir dürfen auch manchmal mit Olympiateilnehmern trainieren und das ist schon cool." Ob er selbst einmal an Olympischen Spielen teilnehmen kann, steht in den Sternen. Und zwar unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit. Derzeit ist Karate olympisch und gehört zum Portfolio der laufenden Spiele in Tokio. Ab den kommenden Spielen 2024 in Paris ist dies nicht mehr so. „Wir hoffen alle, dass Karate 2028 wieder dabei sein wird, aber das wird sicher schwierig", sagt Groß und ergänzt: „Ich bin jedenfalls gespannt, wie es in diesem Jahr ankommt."
Am Horizont der Traum von Olympia
Weil nicht nur der Wettkampfkalender massiv von der Corona-Pandemie beeinflusst war, musste sich Lukas Groß auch im Trainingsbereich etwas einfallen lassen. Einen Olympiateilnehmer hat er zwar nicht zu Hause, dafür aber mit Vater Markus einen herausragenden Karateka. „Ich habe noch andere, aber mein Vater ist mein Haupttrainer", erklärt Lukas und berichtet: „Normalerweise trainieren wir in einer Gruppe von acht, neun Sportlern. Das war aufgrund der Corona-Regeln leider nicht möglich, und deshalb habe ich über weite Strecken mit ihm allein trainiert." Der guten Beziehung der beiden tut die intensive Zusammenarbeit im sportlichen Bereich keinen Abbruch. Aber: „Das Vereinsgefühl, auch vor und nach dem Training mit vielen Leuten zusammenzukommen, hat mir schon sehr gefehlt. Auch bei den Turnieren, die ja größtenteils ausgefallen sind", gibt Lukas Groß zu. Normalerweise ist die Trainingsgruppe in der ganzen Welt unterwegs, um sich mit Gleichaltrigen zu messen. Fallen diese für Leistungssportler so wichtigen Wettkämpfe und Vergleiche aus, sinkt zwangsläufig die Motivation im Training. Wie gut, dass Groß sich in dieser Zeit auf die Vorbereitung der Abi-Prüfungen am Max-Planck-Gymnasium in Saarlouis im Frühjahr 2021 konzentrieren konnte. Ab Oktober wird er Wirtschaft und Recht an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken studieren – also in direkter Nachbarschaft einer seiner Trainingsstätten, der Hermann-Neuberger-Sportschule.
In der Regel handelt es sich dabei um Einzelturniere, bei denen er für seinen Verein Shotokan Saarwellingen, das Saarland oder für Deutschland an den Start geht. „Es ist zwar ein Individualsport, aber gerade in der Nationalmannschaft haben wir aber auch einen guten Teamgeist", findet Groß. „Wir trainieren gemeinsam und durch die unterschiedlichen Gewichtsklassen gibt es untereinander keine Konkurrenz. Wir sind ein ziemlich gutes Team." Das stellte die U21-Nationalmannschaft zuletzt beim Ländervergleich mit Österreich unter Beweis. Bei seinem ersten Auftritt im U21-Bundeskader setzte sich Groß dabei im Universitäts- und Landessportzentrum Salzburg gegen die österreichische Nummer eins Dominik Hinterbuchner souverän mit 7:3 durch. Zum Gefallen von Bundestrainer Thomas Nitschmann, der sicher die gleichen Ziele verfolgt wie sein junger Schützling Lukas Groß: zunächst bei der EM in Finnland und dann im September bei den Deutschen Meisterschaften bestmöglich abzuschneiden. Irgendwann, sagt Lukas Groß, will er „Europa- oder sogar Weltmeister" werden. Vielleicht klappt es ja auch noch mit einer Teilnahme an den Olympischen Spielen.