Wenn ein Ziel in unerreichbare Ferne rückt, gibt es mehrere Möglichkeiten, damit umzugehen. Ich kann das Ziel aufgeben und ein neues definieren. Wenn’s nicht für Deutscher Meister reicht, dann zumindest doch Champions-League-Teilnahme. Oder ich erkläre das Ziel als gar nicht so erstrebenswert, wie die Trauben, die zu sauer sind. Oder ich will es mit aller Gewalt versuchen, was entweder scheitert, oder allenfalls zu einem Pyrrhussieg mit massiven Kollateralschäden reicht.
Gegen die Pandemie war das erklärte Ziel eine „Herdenimmunität". Die ist nach Experteneinschätzung bei den derzeitigen Impffortschritten in weiter Ferne. Ob die nun erst bei 85 Prozent Geimpfte oder schon bei 80 oder 70 erreicht wäre, ist noch nicht einmal entscheidend, wenn man jeden noch nicht Geimpften quasi höchstpersönlich einfangen muss, ob beim Shopping oder vielleicht doch mit Lotteriegewinnen. Impfunwillige und aggressive Verweigerer wird das genauso wenig überzeugen wie nette Werbespots oder die „moralische Impfpflicht" des Ethikrates.
Also doch Impfpflicht? Unsere französischen Nachbarn sind damit eingestiegen für bestimmte Gruppen, natürlich unter massiven Protesten. Aber sind die Gründe dafür ernsthaft zu entkräften?
Unsere Redaktion hat eine Zuschrift erreicht mit einem Plädoyer, dass für Ungeimpfte weitgehende Beschränkungen gelten müssten. Das Argument: Alkohol am Steuer ist auch verboten, und das nicht wegen Selbstgefährdung, sondern der Gefahr für andere. Wenn Impfverweigerer ihre Rechte geltend machen, dann könnten alle anderen ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit mit gutem Grund dagegen halten.
Natürlich gäbe das lautstarke Reaktionen. Es sind Proteste einer Minderheit. Über die Hälfte ist schon geimpft, weitere kommen täglich, wenn auch spärlicher dazu. Da sind die, die derzeit laut StIKo (noch) nicht geimpft werden sollen, noch gar nicht mitgezählt. Macht zusammen jedenfalls eine klare Mehrheit, was in einer Demokratie eine Rolle spielen sollte. Deshalb verbieten sich auch mögliche Gedankenspiele, nach dem Saure-Trauben-Prinzip, das grundsätzliche Ziel aus den Augen zu verlieren.
Ja, es wäre schöner, es ginge mit Vernunft, guten Argumenten und gesellschaftlichen Werten, wie bei der deutlichen Mehrheit der Menschen. Für die Unvernünftigen und Unsolidarischen braucht es, wie in anderen Bereichen auch, am Ende eben klare Ansagen.