Zuerst Europameister und jetzt der Wechsel zu Paris Saint-Germain. Gianluigi Donnarumma ist bereits mit 22 Jahren schon im Fußball-Olymp angekommen. Wir stellen den Ausnahmetorwart vor.
Er trat das Erbe von Gianluigi Buffon an, wurde Spieler der Europameisterschaft und Europameister. Danach folgte der wertvollste ablösefreie Wechsel aller Zeiten. Die vergangenen Wochen hatten für den italienischen Nationaltorhüter Gianluigi Donnarumma einiges zu bieten. Nach acht Jahren bei AC Mailand steht er nun bei Paris Saint-Germain unter Vertrag. Schon jetzt kann er mit seinen 22 Jahren auf mehr Erfahrung und Erfolge zurückblicken als einige durchaus gestandene Profis. „Ich beginne ein neues Kapitel in meinem Leben. Ich bin in Mailand sehr gewachsen, und jetzt fühle ich mich für dieses Abenteuer bereit", sagte er zur Ankunft bei seinem neuen Club.
„Für dieses Abenteuer bereit"
Geboren wurde Gianluigi Donnarumma, genannt „Gigio", wie so viele spätere italienische Nationalspieler in Kampanien. Am 25. Februar 1999 erblickte er am Fuße des Vesuvs in Castellamare di Stabia, einem Vorort von Neapel, das Licht der Welt. Der Fußball – und die Torhüter-Position im Besonderen – liegt in der Familie: Onkel Enrico Alfano war bereits Torwart. Und in seinem neun Jahre älteren Bruder Antonio hat „Gigio" ein weiteres Vorbild: Antonio spielt bereits für den örtlichen Profi-Club SS Juve Stabia, als der jüngere Bruder auf die Welt kommt. Auch Donnarumma beginnt in jungen Jahren schon Fußball zu spielen – und das bei einer Kaderschmiede, die in den letzten Jahren vier Serie-A-Torhüter ausge-bildet hat – dem ASD Club Napoli. Der Torwart-Ausbilder des Vereins, Ernesto Ferraro, war sich schon 2007 sicher: „Die Leute werden denken, ich bin verrückt, aber Gigio wird der beste von allen", wie er der großen napolitanischen Zeitung „Il Mattino" sagte.
Donnarumma war damals acht Jahre alt. Er hatte recht – auch wenn noch viel Zeit ins Land gehen musste, bevor sich seine Prophezeiung erfüllen konnte. Zunächst war es sein großer Bruder, der auf die Fußballbühne auflief. 2006 wechselte er von Juve Stabia zum Lieblingsclub der Brüder, der AC Mailand, weit entfernt in der nördlichen Lombardei. In seinem Schatten konnte Gigio sich prächtig entwickeln. Er spielte wie alle talentierten Jungs schon eine Jahrgangsstufe über der eigenen, wirkte vor allem durch seine enorme Größe schon wie ein älterer Spieler. Castellamare di Stabia wurde dann aber zu klein für den Hünen, eigentlich war dann ein Wechsel zu Inter Mailand geplant. Donnarummas Vater hatte eine Einigung erzielt, doch während Verhandlungen über seinen anderen Sohn Antonio zeigte AC Mailand plötzlich Interesse an Gigio und verpflichtete den damals 14-Jährigen für satte 250.000 Euro.
Das Talent des Torwarts wurde schon früh erkannt
Lange dauerte es dann nicht, bis Donnarumma sich im italienischen Profifußball etablierte. Eine Saison lang spielte er in der U19, stand aufgrund einer Ausnahmegenehmigung vereinzelt auch im Kader der Profis. Sein Debüt gab er dann am 25. Oktober 2016. Der angezählte Trainer Sinisa Mihajlovic nahm vor seinem Job-Endspiel in der Liga gegen Sassuolo einen Wechsel vor. Der bisherige Stamm-Torhüter Diego Lopez musste auf die Bank, Donnarumma sollte als jüngster Keeper in der Geschichte der Serie A den Kasten hüten. Der 17-Jährige überzeugte – und war fortan nicht mehr aus dem Tor des Traditionsclubs zu verdrängen. Seitdem sind es 251 Pflichtspiele, die Donnarumma für die Rossoneri auf dem Platz stand. Mit jedem Pflichtspiel mehr kristallisierte er sich zudem als legitimer Nachfolger von Gianluigi Buffon heraus. Er debütierte als jüngster italienischer Nationaltorhüter, inzwischen kommt er auf über 30 Einsätze. Und einen Europameistertitel. „Er steht vor einer außergewöhnlichen Karriere", sagt Altmeister Buffon über seinen Nachfolger im Tor der Squadra Azzurra. Donnarummas bisheriger Mailänder Team-Kollege Zlatan Ibrahimovic ging jüngst sogar noch weiter: „Er ist der beste Torhüter der Welt, aber das werde ich ihm nicht verraten", sagte der Schwede. Die Leistungen Donnarummas bei der EM lassen diesen Verdacht zumindest zu.
Eine große Rolle bei der beeindruckenden Abgeklärtheit und den hochentwickelten Fähigkeiten des Top-Talents dürfte seine enorme Erfahrung spielen: „Der internationale Topmann kommt bis 23 im Durchschnitt bereits auf weit über 150 Spiele im Erwachsenenalter", sagte der Leiter der DFB-Akademie, Tobias Haupt, zuletzt über die Voraussetzungen bei Weltklasse-Torhütern. Donnarumma erreicht diesen Wert locker: „Im Alter von 22 Jahren mehr als 240 Serie-A-Spiele und 30 Länderspiele: Das ist absolut einzigartig und toppt alles um ein Vielfaches", schwärmt Haupt. Und laut Statistikdienstleister Opta war der Keeper im letzten Jahr gar der erfahrenste 21-Jährige in den großen fünf europäischen Ligen – auf allen Positionen. Auf seinem Weg begleitet haben ihn immer seine beiden Vorbilder, das verriet er schon 2017: „Gigi Buffon war immer mein Idol", sagte Donnarumma im Gespräch mit Ex-Milan-Keeper Christian Abbiati. Mit Buffon spiele er ja nun in der Nationalmannschaft zusammen, so Donnarumma weiter: „Da hilft mir Gigi immer sehr. Aber da ist auch noch Manuel Neuer, der ein Vorbild ist. Ich versuche, von ihm zu lernen und versuche, wie er zu sein." Scheinbar half ihm das über die Jahre, der Torhüter zu werden, der er heute ist.
Dass Milan irgendwann auch zu klein für den Ausnahmetorhüter ist, war klar. Titel mit dem ehemaligen Champions-League-Sieger sind in der von Juventus Turin und in diesem Jahr Inter Mailand dominierten Liga eher selten. Das zeigt auch seine eigene Bilanz: Lediglich ein italienischer Superpokal steht neben der EM-Medaille in Donnarummas Titelschrank. Verständlich, dass dann irgendwann der Wechsel zu einem derzeit erfolgreicheren Verein kommen musste. Rund um seine Vertragsverlängerung 2017 wurde es unruhig. Den Mailänder Tifosi stieß das raubeinige Verhalten von Berater Mino Raiola und das kolportierte hohe Gehalt auf. Viele konnte Gigio mit Leistungen auf dem Platz für sich zurückgewinnen – wenn auch nicht alle.
Die Champions League ist das große Ziel
Der Wechsel in das Star-Ensemble nach Paris ist jetzt eine klare Aussage: Nach dem EM-Titel soll weiteres Edelmetall in die Vitrine dazukommen. Der Scheich-Club versucht seit Jahren, die Champions-League zu gewinnen, in diesem Sommer ist Donnarumma nicht der einzige namhafte Neuzugang. Auch Juventus Turin hat es lange versucht, Donnarumma auch auf Vereinsebene zum Buffon-Nachfolger zu machen. Doch ohne Erfolg. Auch die großen spanischen und englischen Clubs haben es lange versucht. Doch jetzt spielt er in einer Mannschaft mit Neymar, Kylian Mbappé und Sergio Ramos. Auf dem Papier sicherlich die beste Mannschaft des nächsten Jahres, eine Garantie für Titel ist das aber nicht.
Trotz aller Erfahrung in seinem jungen Alter zeigte er aber auch noch einige Wackler. Nicht immer wirkte er in der Strafraumbeherrschung sicher, nicht jeder Pass mit dem Fuß kam an – Donnarumma hob häufiger entschuldigend seine Hand. Doch wenn nicht noch Verbesserungsbedarf in diesem Alter bestände, wäre es ja unwirklich. Er weiß auch, dass italienische Torhüter Geschichte geschrieben haben, „aber ich spüre keinen Druck. Ich bin stolz, in ihre Fußstapfen treten zu können", versicherte der Europameister. An 34 Länderspielen ohne Niederlage hat er gehörigen Anteil, selbst hat er bei 33 Einsätzen für die Squadra nie mehr als einen Gegentreffer kassiert.
Wie damals schon Manuel Neuer das Torwart-Spiel revolutionierte, so wird es Donnarumma nicht wieder tun können. Vielmehr ist er in seinem jungen Alter schon so weit, wie es ein Neuer zu diesem Zeitpunkt nicht war. Er könnte in den kommenden Jahren der Torhüter werden, an dem sich alle orientieren. Luft nach oben hat Donnarumma noch – die Fußballwelt darf gespannt darauf warten, wie es in den kommenden Jahren weitergeht.