In der ältesten Stadt der Prignitz im Nordwesten Brandenburgs erhebt sich die Burg Lenzen. Einst als slawische Königsburg erbaut, beherbergt sie heute Deutschland größtes veganes Hotel.
Ich würde gern noch mal wiederkommen, wie sieht es denn im August aus?" Die Dame in Radlerhosen und T-Shirt hat gerade aus dem „Ahead Burghotel" in Lenzen ausgecheckt. Die junge Frau an der Rezeption schaut im Computer nach. „Hmm, wir sind da schon ziemlich voll."
Das bestätigt auch Jonas Mog, einer der beiden Geschäftsführenden. Dabei haben sie erst am 1. Juli dieses Jahres eröffnet. „In der Woche sind wir zu 85 Prozent ausgebucht, am Wochenende sogar zu 100 Prozent. Und auch der August ist schon sehr voll." Das freut ihn sichtlich, ebenso wie die derzeitige mediale Aufmerksamkeit. Die mache neugierig, die Gäste kämen aus Berlin, Hamburg und Hannover, aber auch aus Bayern und der Schweiz.
E-Autos können direkt im Hotel aufgeladen werden
Für die Hauptstädter ist es fast ein Katzensprung. Jede Stunde fährt vom Bahnhof Lichtenberg ein Regionalzug bis Wittenberge, von dort geht es mit dem Bus über die Dörfer bis Lenzen, Fahrzeit zweieinhalb Stunden. Mit dem Auto dauert es genauso lange. Wer ein E-Auto fährt, kann es im Hotel auch gleich aufladen.
Wie kommt man auf die Idee, in der Prignitz ein rein veganes Hotel zu eröffnen? Es ist ja nicht nur die Speisekarte, sondern auch die Zimmereinrichtung, die Ausstattung, das ganze Konzept. „Meine Geschäftspartnerin Kim Stellbrinck und ich kommen beide aus der gehobenen Hotellerie", erzählt Jonas Mog bei einer kühlen Rosenblütenlimonade auf der Hotelterrasse. „Kim hat 20, ich zehn Jahre in der gehobenen Hotellerie im In- und Ausland gearbeitet. Das hier war zuvor ein Bio-Hotel, betrieben vom BUND. Aber die merkten bald, dass man so ein Haus in dieser Gegend den Profis überlassen sollte. Es wurden neue Betreiber gesucht, und da haben wir uns gesagt, wir machen jetzt was Eigenes. Wir leben beide vegan und da lag es nahe, ein Konzept zu entwickeln, das Menschen einerseits inspiriert, etwas auszuprobieren, und anderen einen Wohlfühlort gibt, wo man nicht fragen muss: ‚Kann ich das essen?‘."
Das „Ahead Burghotel" bietet ein Rundumangebot mit Übernachtung, Restaurant, Wellness- und Sportprogramm, Yoga und Meditation, es kann für Tagungen gebucht werden und für Hochzeiten. Verteilt im Hauptgebäude und in einer historischen alten Schule am Fuße der Burg gibt es insgesamt 39 Zimmer für Singles, Paare und Familien. Fünf von ihnen sind auch für Rollstuhlfahrende geeignet und die Burg hat einen Fahrstuhl. Im Teehaus im Garten kann meditiert und Yoga gemacht werden.
Die Zimmer sind hell und praktisch eingerichtet. „Die Möbel im ganzen Hotel sind aus ökologisch-nachhaltigem Massivholz und in Deutschland gefertigt", erklärt Jonas Mog, „sie sind größtenteils unbehandelt, was bei der Reinigung manchmal nicht so leicht ist." Auch die Bettwäsche und die Kosmetikartikel in Nachfüllboxen sind biovegan. In den Zimmern liegt eine Yogamatte bereit, und es gibt eine Bluetooth-Box. Die Energiesparlampen, das Warmwasser und die Heizung werden von den zwei hoteleigenen Blockheizkraftwerken gespeist. Nur Klimaanlagen wird man nicht finden, wegen des Umwelt- und Denkmalschutzes. Nicht nur die Schreibblöcke in den Zimmern, sämtliches Büromaterial ist ökozertifiziert. Die Wäsche wird in einer regionalen Wäscherei der Lebenshilfe Prignitz gereinigt. Und was in vielen Hotels schon möglich ist, wird auch hier praktiziert: Zimmerreinigung und Wäschewechsel auf Wunsch, das spart Ressourcen. Übrigens gilt das Konzept auch für die Mitarbeitenden. „Wir verzichten auf weiße Hemden und Westen, alle tragen vegane T-Shirts und Sneakers."
Auf Einweg- und Plastikverpackungen wird verzichtet
Natürlich erwartet man in einem veganen Hotel eine entsprechende Speisekarte. So weit es geht, wird mit regionalen Produzenten zusammengearbeitet. Ein hoher Anteil der Lebensmittel kommt aus kontrolliert ökologischem Landbau, zudem werden Fairtrade-Produkte verwendet. Ein kleines Start-up aus Berlin liefert Spirituosen, das Wasser kommt von der Initiative Viva con Agua, die für sauberes Trinkwasser und Hygieneeinrichtungen in vielen Teilen der Welt sorgt. Andere Getränke werden von Solidrinks hergestellt, einem Sozialunternehmen, das mit seinen Erlösen ebenfalls soziale Projekte unterstützt. Auch der Kaffee aus Hamburg und der Tee aus Köln tragen Biosiegel. Gemüse, Obst, Beeren und Kräuter kommen übrigens auch aus dem eigenen Garten.
„Den Kuchen backen wir selbst, arbeiten aber auch mit dem Bäcker Grünberg hier aus dem Ort zusammen, der extra für uns die biozertifizierten Frühstücks- und Burgerbrötchen herstellt. Er passt auch sonst gut zu uns, weil er beispielsweise einen Geflüchteten ausbildet", sagt Kim Stellbrinck. Dass auf Einweg- und Plastikverpackung verzichtet sowie auf Müllvermeidung Wert gelegt wird, versteht sich von selbst.
Der lichtdurchflutete Wintergarten, in dem gefrühstückt wird, und das Restaurant „Place to V" sind auch für Nichthotelgäste geöffnet. Und so schauen Leute vorbei, die veganes Essen einfach mal ausprobieren wollen. So wie das ältere Ehepaar aus Lenzen, das inzwischen beim Eisdessert angekommen und angenehm überrascht ist. Speisekarten gibt es auf der Webseite des Hotels unter aheadhotel.de und die machen auch Nichtveganer neugierig. Wie wär’s mit Curry-Vurst mit Curly Fries, Röstzwiebeln, Karotten, Krautsalat und hausgemachter Currysauce? Oder Smørrebrød mit Tofuscramble, Avocado, verschiedenen Gemüsen und Karottenlachs? Klingt nicht nur lecker, ist es auch. Die voll besetzten Tische auf der Terrasse zur Mittagszeit sprechen für sich.
Schöne Lage im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe
Das Hotel kann übrigens mit einer weiteren Besonderheit punkten: Es ist hundefreundlich, die Vierbeiner dürfen mitgebracht werden. Die freuen sich, wenn es zum Herumtollen in den rund fünf Hektar großen Burggarten geht. Im „NaturPoesieGarten" können Herrchen und Frauchen Kunstwerke auf sich wirken lassen. Auf dem 400 Meter langen Rundweg durch das „Auen-Reich" wird die Flussaue der Löcknitz, die hindurchfließt, erlebbar gemacht. Besonders für Kinder interessant ist eine Baumhängebrücke und ein Wasserspieltisch. Vom Burggarten aus starten auch geführte Kanu- und Stand-up-Paddle-Touren auf der Löcknitz oder zur Elbe. Wer will, kann sich selbst auf den Weg machen, die Löcknitz ist etwa zehn Kilometer bis nach Mecklenburg-Vorpommern befahrbar. Zum Schwimmen und Segeln geht es zum rund vier Kilometer entfernten Rudower See. Dafür können Räder ausgeliehen werden. Sie sind aus Bambus und werden nachhaltig und fair in Ghana und Kiel produziert. Das BUND-Besucherzentrum auf dem Burggelände zeigt Ausstellungen zur Flusslandschaft sowie der Stadtgeschichte Lenzen. Auch ein Blick vom Burgturm weit ins Land ist möglich.
Jonas Mog und Kim Stellbrinck haben vor, das Hotelgelände für diverse Veranstaltungen zu nutzen. So findet am 31. Juli und am 21. August ab 21.30 Uhr ein Open-Air-Sommernachtskino im Burggarten statt, nicht nur für Hotelgäste. Einfache Tipps zur Vermeidung von Plastikmüll im Haushalt gibt es bei einem Vortrag am 14. August, 20.30 Uhr. An weiteren Ideen wird noch getüftelt.
Das „Ahead Burghotel" liegt mitten im Unesco-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe, das größte im Binnenland gelegene in Deutschland. Es lässt sich auf gut ausgebauten Wegen erwandern und mit dem Rad erfahren. Ausgedehnte Wiesenlandschaften, viele Gewässer sowie Moore prägen das Bild der Elbaue. Hinzu kommen zahlreiche Pflanzen und Tiere wie Biber oder Weißstörche. Ein Paar zieht derzeit auf dem Burggelände seine Jungen groß. Tipps und Infomaterial gibt es im BUND-Besucherzentrum oder in der Touristinformation Lenzen. Sie ist nicht zu übersehen und im Stumpfen Turm an der Berliner Straße 7 untergebracht. Mit einem „Stummen Stadtführer" geht es durch den historischen Stadtkern des Ortes, der 1239 das Stadtrecht erhielt. Per „Radeln nach Zahlen" kann man sich seine Wunschtour zusammenstellen wie die „Lenzerwische-Tour" durch die romantische Elbaue oder die Elbdörfertour durch Prignitzer Landidylle.